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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §22a Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M O in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das am 4. Oktober 2019 mündlich verkündete und mit 17. Oktober 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W250 2223855-1/14E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Schubhaftbeschwerde des Revisionswerbers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26. September 2019, mit dem gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet worden war, und gegen die darauf gegründete Anhaltung als unbegründet ab, stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen, und wies den Kostenersatzantrag des Revisionswerbers ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG erklärte das BVwG die Revision gegen dieses Erkenntnis nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Begründend führte das BVwG (auf das im Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst) aus, den ersten Antrag auf internationalen Schutz habe der Revisionswerber in Österreich am 16. August 2000 gestellt. Dieser sei vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 9. November 2001 abgewiesen und gleichzeitig festgestellt worden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach Nigeria zulässig sei.
In der Folge sei der Revisionswerber zwischen 2001 und 2005 dreimal wegen Suchtmitteldelikten - zuletzt zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 15 Monaten - verurteilt worden, mit Urteil vom 24. September 2013 weiters wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe.
Nach Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes und seiner Ausreise habe sich der Revisionswerber jahrelang unrechtmäßig in Italien und Griechenland aufgehalten. Am 12. Dezember 2011 habe er in der Schweiz einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er sei in der Folge nach Österreich rücküberstellt worden. Noch im Jahr 2012 habe er - nach Verhängung von Schubhaft - durch Hungerstreik seine Haftunfähigkeit herbeigeführt und damit die Entlassung aus der Schubhaft erzwungen.
Mit Bescheid des BFA vom 16. November 2017 sei der eben erwähnte Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt worden, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise sei nicht eingeräumt, einer Beschwerde - vom BVwG bestätigt mit Erkenntnis vom 22. Mai 2018 - die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Zugleich sei ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen worden.
Der Revisionswerber, der bereits 2012 eine Alias-Identität (als angeblicher Staatsangehöriger Ghanas) verwendet habe, um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu verhindern, habe in Österreich über keinen gesicherten Wohnsitz und keine Meldeadresse verfügt; er sei zuletzt obdachlos gewesen und habe das BFA im Unklaren über seinen (unsteten) Aufenthalt gelassen. Auch habe er sich - selbst noch im September 2019 - nicht aktiv und ernstlich um seine Wiederaufnahme in die Grundversorgung bemüht und dadurch seine Abschiebung erschwert. Neben näher dargestelltem unkooperativen und aggressiven Verhalten habe er sich geweigert, Reisedokumente oder andere Unterlagen bei der Botschaft seines Herkunftsstaates zu besorgen.
Er habe einen (am 2. Oktober 2013 geborenen, österreichischen) Sohn. Dieser befinde sich jedoch (seit 22. April 2016) in der Obhut einer Pflegemutter, weil sich "die besachwaltete Kindesmutter nicht um das Kind kümmern könne". Der Revisionswerber habe zu seinem Sohn alle drei Wochen für zwei Stunden Besuchskontakt. Eine tiefgreifende emotional positive Bindung zwischen ihm und seinem Sohn liege nicht vor. Zur Mutter seines Sohnes, die in einem Pflegeheim untergebracht sei, habe er "Kontakt". Über weitere nennenswerte Sozialkontakte in Österreich verfüge er nicht.
Im August 2018, also zu einem Zeitpunkt, in dem er bereits monatelang zur Ausreise verpflichtet gewesen sei, habe er zur Finanzierung seines unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich (ohne schriftlichen Vertrag und Rechtsanspruch auf Beschäftigung) die Tätigkeit eines Zeitungszustellers ausgeübt, woraus er monatlich ca. 400 bis 500 EUR beziehe. Er leide "an keinen chronischen psychischen Erkrankungen", nehme aber Medikamente wegen einer Tendenz zur Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion ein. Vom Gesundheitszustand her sei er haftfähig.
3 Rechtlich bejahte das BVwG unter Berücksichtigung der dargestellten Lebenssituation sowie des bisherigen Verhaltens des Revisionswerbers das Vorliegen von Fluchtgefahr. Nach dem vom Revisionswerber in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck sei nicht damit zu rechnen, dass er angesichts der vollstreckbaren Rückkehrentscheidung sowie des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums einem gelinderen Mittel nachkommen würde. Die Voraussetzungen für die Verhängung sowie für die Fortsetzung der Schubhaft seien daher zu bejahen. 4 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
6 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber der Sache nach vor allem geltend, es fehlten die Voraussetzungen, um vom Vorliegen einer nur durch Schubhaft zu sichernden Fluchtgefahr auszugehen.
7 Dem ist vorweg zu entgegnen, dass es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt, die grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 26.4.2018, Ro 2017/21/0010, Rn. 19, und VwGH 7.3.2019, Ra 2018/21/0139, Rn. 6, mwN). 8 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang die Feststellung bestreitet, er habe sich nicht ernstlich um eine Wiederaufnahme in die Grundversorgung bemüht, ist er auf die entsprechende, mit verschiedenen, noch im September 2019 erfolgten Terminversäumnissen durch den Revisionswerber argumentierende Beweiswürdigung des BVwG zu verweisen. Deren Unschlüssigkeit vermag die Revision, die das Fehlen einer Unterkunft unbestritten lässt, nicht aufzuzeigen.
9 Von (medikamentös eingestellten) psychischen Problemen des Revisionswerbers ist - entgegen der Revision - bereits das BVwG ausgegangen. Der in der Revision vertretenen Ansicht, schon dieser Umstand spreche gegen ein Untertauchen, ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber nach den Ergebnissen seiner Befragung in der vom BVwG abgehaltenen mündlichen Verhandlung auch bisher (während Zeiten seiner Obdachlosigkeit) in der Lage gewesen war, sich entsprechende Medikamente (ohne Kenntnis der Behörde von seinem Aufenthalt) zu beschaffen.
10 Die (geringen) Bindungen zu seinem Kind und dessen Mutter wurden nach mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG am 25. September 2019 (in einer anderen Rechtssache des Revisionswerbers) und (gegenständlich) am 4. Oktober 2019 unter Berücksichtigung der jeweiligen Wohnsituation sowie des Gutachtens des klinischen Psychologen Mag. Dr. R. vom 3. Oktober 2019 festgestellt. Eine Unschlüssigkeit der insbesondere diesem Gutachten folgenden Beweiswürdigung wird in der Revision, welche eine tiefere Intensität der Beziehung zu seinem Kind auch nicht konkretisiert, nicht aufgezeigt. Die Einvernahme von Mutter und Kind wurde im Verfahren vor dem BVwG vom anwaltlich vertretenen Revisionswerber im Übrigen nicht einmal beantragt. Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang die (in einem Heim untergebrachte) Kindesmutter als seine Lebensgefährtin bezeichnet, liegt zudem eine unzulässige Neuerung vor.
11 Insgesamt gelingt es dem Revisionswerber somit nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Seine Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 4. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210318.L00Im RIS seit
05.05.2020Zuletzt aktualisiert am
05.05.2020