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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
BAO §119 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 1. Oktober 2019, Zl. RV/5100936/2016, betreffend Einkommensteuer 2013 (mitbeteiligte Partei: Mag. N P in H), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die im Jahr 2011 geborene Tochter der Mitbeteiligten leidet aufgrund eines medizinischen Kunstfehlers seit ihrer Geburt an infantiler Cerebralparese (Bewegungsstörung) und bedarf Vollzeitpflege. Laut einem vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Gutachten besteht eine Erwerbsfähigkeitsminderung von 100 %.
2 Die Mitbeteiligte bezog für ihre Tochter im Jahr 2013 erhöhte Familienbeihilfe und monatliche pflegebedingte Geldleistungen.
3 Von der Gebietskrankenkasse wurden im Jahr 2013 zwei je 15- tägige Reha-Aufenthalte für das Kind sowie eine Begleitperson bewilligt.
4 Bei ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2013 machte die Mitbeteiligte im Zusammenhang mit diesen Reha-Aufenthalten nicht nur den Selbstbehalt für ihre Tochter und sich selbst (als von der Gebietskrankenkasse bewilligte Begleitperson), sondern auch die Unterbringungs- und Verpflegungskosten für weitere Begleitpersonen (den Vater und die im Jahr 2008 geborene Schwester der pflegebedürftigen Tochter sowie - für einen dreitägigen Aufenthalt - eine bei der Mitbeteiligten angestellte Betreuerin) als außergewöhnliche Belastung geltend. 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Bundesfinanzgericht entgegen der Ansicht des revisionswerbenden Finanzamtes auch die mit den Reha-Aufenthalten in Zusammenhang stehenden Unterbringungskosten (sowie zum Teil den geltend gemachten Verpflegungsaufwand) des Vaters, der Schwester und der Betreuerin als außergewöhnliche Belastung an.
6 Weiters erklärte das Bundesfinanzgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig, weil im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die vorliegende Amtsrevision wendet sich gegen die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen für die weiteren Begleitpersonen, deren notwendige Anwesenheit bei den Reha-Aufenthalten nicht durch eine ärztliche Bestätigung nachgewiesen worden sei, als außergewöhnliche Belastung. Das revisionswerbende Finanzamt führt aus, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle.
11 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtsfrage auf, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. 12 Mit einer Gesundheitsmaßnahme in Zusammenhang stehende Aufwendungen stellen nur dann eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 dar, wenn sie zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit (oder sonstigen körperlichen Beeinträchtigung) nachweislich notwendig sind (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0254). 13 Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit einer Rehabilitationsmaßnahme genügt im Allgemeinen deren Bewilligung durch einen Sozialversicherungsträger, weil zu dessen Erlangung in der Regel ohnedies ein entsprechendes ärztliches Gutachten vorgelegt werden muss (vgl. VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136, zu Kuraufenthalten).
14 Im Revisionsfall ist unstrittig, dass die Aufwendungen für die von der Gebietskrankenkasse bewilligte Begleitperson zwangsläufig erwachsen sind und eine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 darstellen.
15 Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen geboten sind. Tatsächliche Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen (des unterhaltsberechtigten Angehörigen) gelegen sein. Die Zwangsläufigkeit des Aufwands ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen (vgl. VwGH 11.2.2016, 2013/13/0064).
16 In diesem Sinne können auch Aufwendungen für weitere Begleitpersonen, deren Mitnahme von der Bewilligung des Sozialversicherungsträgers nicht umfasst ist, zwangsläufig erwachsen. Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. VwGH 25.5.2004, 2001/15/0027).
17 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis festgestellt, aus dem Konzept der Rehabilitationseinrichtung ergebe sich, dass dieses insbesondere im Rahmen einer "Elternschule" die Bezugspersonen des Kindes stark einbinde und darauf ausgerichtet sei, diese im Umgang mit dem Kind für dessen optimale Unterstützung zu schulen. In der Beschwerde brachte die Mitbeteiligte in diesem Zusammenhang vor, dass die Betreuung des Kindes aufgrund des hohen Pflegebedarfs von beiden Elternteilen sowie einer Betreuerin übernommen werde und daher auch die Teilnahme an der Schulung für all diese Bezugspersonen unabdingbar gewesen sei. Die - im strittigen Zeitraum fünfjährige - Schwester habe ihre Eltern aus familientherapeutischen Gründen und weil ihr eine mehrwöchige Trennung von den Eltern nicht zumutbar sei, begleitet.
18 Die Beurteilung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für weitere Begleitpersonen ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung im Einzelfall zu beurteilende Sachfrage, die der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes insoweit unterliegt, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist. Ob die Beweiswürdigung materiell richtig ist, entzieht sich hingegen der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2018/15/0051).
19 Schon im Hinblick auf die unstrittige körperliche Beeinträchtigung des Kindes, die eine dauerhafte Pflege erfordert, kann es nicht als unvertretbar angesehen werden, wenn das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Begleitung durch beide Elternteile (und damit verbunden auch die fünfjährige Schwester) sowie durch die angestellte Betreuerin für die spätere häusliche Pflege des Kindes notwendig war und somit eine Zwangsläufigkeit der Kosten der weiteren Begleitpersonen dem Grunde nach vorlag. Dass die vom Bundesfinanzgericht getroffene Würdigung insgesamt unschlüssig wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 5. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150159.L00Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020