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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
EStG 1988 §124b Z53Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2019/15/0091 E 05.03.2020Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Februar 2019, Zl. RV/1100007/2019, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 (mitbeteiligte Partei: C K in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die im Jahr 1974 geborene Mitbeteiligte war als Grenzgängerin in der Schweiz unselbständig beschäftigt und beendete nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im Jahr 2015 ihre Auslandstätigkeit. Nach einigen Monaten der Arbeitslosigkeit war sie in der Folge in Österreich nichtselbständig tätig.
2 Das in der gesetzlichen Altersversorgung der Schweiz (BVG, 2. Säule) angesparte Guthaben wurde beim Verlassen der Schweiz (nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts) auf eine Freizügigkeitspolice (nach dem Revisionsvorbringen auf ein Freizügigkeitskonto) der S Freizügigkeitsstiftung überwiesen. 3 Auf Antrag der Mitbeteiligten wurde die Freizügigkeitspolice (nach dem Revisionsvorbringen das Freizügigkeitskonto) im Jahr 2016 aufgelöst und der Freizügigkeitsanspruch auf ein inländisches Bankkonto der Mitbeteiligten überwiesen. Als Verwendungszweck wurde "Vorbezug für Wohneigentum" angeführt. 4 Das Finanzamt besteuerte den Auszahlungsbetrag ohne Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 mit der Begründung, dass "die bestehende Möglichkeit der Auszahlung des Einmalbetrages anstelle einer (späteren) monatlichen Altersrente (erkennen lasse), dass keine Abfindung gesetzlicher Rentenansprüche besteht".
5 In ihrer gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 erhobenen Beschwerde beantragte die Mitbeteiligte die Anwendung der streitgegenständlichen Steuerbegünstigung unter Hinweis auf näher angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts und des Verwaltungsgerichtshofes.
6 Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der es erneut auf ein seiner Ansicht nach bestehendes Wahlrecht der Mitbeteiligten zwischen späterem Rentenbezug oder Auszahlung eines Einmalbetrages hinwies, welches nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Anwendung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf den vorliegenden Fall entgegenstünde.
7 In ihrem Vorlageantrag bestritt die Mitbeteiligte das vom Finanzamt angenommenen Wahlrecht zwischen Auszahlung in Rentenform oder Einmalauszahlung.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt. Fakt sei, dass mit der Beendigung des Schweizer Dienstverhältnisses der Mitbeteiligten auch ihr Versorgungsverhältnis mit der betrieblichen Pensionskasse ex lege beendet worden sei. Die Mitbeteiligte habe gegenüber der Pensionskasse nur einen Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung. Die Möglichkeit, weiter in der betrieblichen Pensionskasse zu verbleiben und später eine Altersrente aus dieser Pensionskasse zu beziehen, habe nicht bestanden. Dass die Mitbeteiligte die Freizügigkeitsleistung zur Schaffung von Wohnungseigentum verwendet habe, sei deshalb ohne Bedeutung.
9 Nicht geteilt werde die Rechtsansicht des revisionswerbenden Finanzamtes, wonach die Aufrechterhaltung des Versorgungsschutzes durch Abschluss einer Freizügigkeitspolice einem Versorgungsverhältnis mit einer betrieblichen Pensionskasse gleichzuhalten sei. Abgesehen davon, dass bei dieser Sichtweise ein auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhender Rentenanspruch unzulässigerweise einem gesetzlichen Rentenanspruch gleichgestellt werde, hätte § 124b Z 53 EStG 1988 in diesem Fall keinen Anwendungsbereich.
10 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung nicht zu, dass die in Streit stehende Frage höchstgerichtlich geklärt sei. 11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe in Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung angewendet, obwohl anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung ein Wahlrecht zwischen Übertragung des Vorsorgeguthabens auf ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice, somit ein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schädliches Wahlrecht zwischen Kapitalabfindung und Rente ausgeübt worden sei. 12 Der Verwaltungsgerichtshof leitete gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren ein; die Mitbeteiligte brachte keine Revisionsbeantwortung ein.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig und auch begründet.
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt
hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2015/15/0033, mit weiteren Nachweisen).
16 Im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem vergleichbaren, allerdings die liechtensteinische Gesetzeslage betreffenden, Fall ausgesprochen, entscheidend sei, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice hätte aufrecht erhalten werden können (vgl. auch VwGH 23.1.2020, Ra 2018/15/0107). Dass die spätere Rentenleistung nicht von der Vorsorgeeinrichtung des früheren Arbeitgebers, sondern von einem "privaten Versicherungsunternehmen" erfolgt, steht der Annahme eines Wahlrechtes nicht entgegen, sofern ein Verbleib innerhalb des ausländischen Vorsorgesystems trotz Beendigung der Auslandstätigkeit möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.
17 In Verkennung der Rechtslage hat das Bundesfinanzgericht keine konkreten Feststellungen darüber getroffen, ob der Mitbeteiligten nach der schweizerischen Rechtslage und der hiezu in der Schweiz gepflogenen Interpretation sowie den tatsächlichen Gegebenheiten eine Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes mit späterem Rentenanspruch möglich gewesen wäre.
18 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 5. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150043.L00Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020