TE Vwgh Beschluss 2020/3/12 Ra 2019/20/0035

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Veröffentlicht am 12.03.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §26 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich in der Rechtssache der Revision des D A in W, vertreten durch MMag. Alexander Koller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ledererhof 2, und Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Dezember 2018, W204 2128067- 1/23E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 10. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit Bescheid vom 12. Mai 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Dezember 2018 ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG ua. aus, dass der erwachsene Revisionswerber in Österreich mit seinen Eltern und Geschwistern im gemeinsamen Haushalt lebe. Der Revisionswerber sei jedoch gesund und arbeitsfähig, könne für sich selbst sorgen und ein eigenständiges Leben führen. Eine finanzielle Abhängigkeit vom Revisionswerber zu seiner Familie sei nicht ersichtlich. Ebenso sei die Familie nicht auf die Einkünfte des Revisionswerbers angewiesen. Die Beziehung zwischen dem Revisionswerber und seiner Familie in Österreich weise nicht eine derart gravierende Intensität auf, die eine Trennung des Revisionswerbers von seiner Familie als unbillige Härte erscheinen ließe, zumal der Revisionswerber in den letzten Jahren vor seiner Ausreise nur mit seinem Bruder gemeinsam gelebt habe.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 31.7.2018, Ra 2018/20/0182, mwN).

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das BVwG setze sich mit dem angefochtenen Erkenntnis in einen offenkundigen Widerspruch zu seiner eigenen Spruchpraxis, wonach auch bei volljährigen Antragstellern im Fall des Zusammenlebens im gemeinsamen Haushalt (und etwaiger zusätzlicher, auch im Fall des Antragstellers vorliegender, positiver Integrationsbemühungen) eine Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung anzunehmen sei. 10 Dazu ist zu antworten, dass eine uneinheitliche Rechtsprechung eines Verwaltungsgerichts nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt (VwGH 10.8.2018, Ra 2017/17/0570, mwN).

11 Sofern der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision Bezug auf die Erteilung eines Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 nimmt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach nach dem klaren Wortlaut des § 58 Abs. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nur dann von Amts wegen zu prüfen ist, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Es handelt sich dabei um jene Fälle, in welchen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung eine sonst drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK entgegensteht. Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0031 bis 0034, mwN).

12 Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso jure zu bejahenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/20/0049, mwN).

13 Mit dem allgemein gehaltenen Hinweis auf das Zusammenleben der Familie in Österreich im gemeinsamen Haushalt sowie Integrationsbemühungen des Revisionswerbers gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung des BVwG unvertretbar erfolgt wäre. 14 Die mit einer nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Ergänzung der Revision erfolgte Nachholung von (weiteren) Gründen, aus denen die Revision für zulässig erachtet wird, ist verspätet und schon aus diesem Grund nicht zu beachten (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2018/01/0343; 5.9.2018, Ra 2018/03/0091, jeweils mwN). 15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200035.L00

Im RIS seit

30.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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