Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 11. Juni 2019, LVwG-41 5- 833/2019-15, betreffend eine Angelegenheit nach dem Eisenbahngesetz 1957 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Parteien: 1. F S und
2. M S beide in B und vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Döllacherstraße 1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 27. Februar 2018 wurde der revisionswerbenden Partei gemäß §§ 31 ff Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den Rückbau eines näher bezeichneten Durchlasses der ÖBB-Strecke Stainach/Irdning - Attnang-Puchheim erteilt. Einwendungen der mitbeteiligten Parteien gegen dieses Bauvorhaben wurden mangels Parteistellung zurückgewiesen. 2 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG), in der sie vorbrachten, ihnen sei die Parteistellung zu Unrecht nicht gewährt worden, weil sie ein dingliches Recht an der Benützung des Durchlasses zu Zwecken des Viehtriebs geltend gemacht hätten, worüber ein Zivilverfahren vor dem Landesgericht Leoben anhängig sei. Durch die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung entstehe ihnen ein erheblicher Nachteil, weil sie keine andere Möglichkeit hätten, die Tiere von der einen Weide zur anderen Weide zu treiben. Der Vorteil für die Öffentlichkeit bei Realisierung des Bauvorhabens sei demgegenüber nicht größer (Hinweis auf § 31f EisbG).
3 Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das LVwG das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Landesgerichts Leoben in dem angesprochenen Zivilverfahren gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 38 AVG aus. Die Revision erklärte das LVwG für nicht zulässig, weil es sich um einen verfahrensleitenden Beschluss handle.
4 Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, in der geltend gemacht wird, es lägen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor. Dies betreffe zum einen Rechtsfragen des Verfahrensrechts, weil die Aussetzung des Verfahrens keinen bloß verfahrensleitenden Beschluss darstelle und das LVwG daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, zum anderen den Inhalt des angefochtenen Beschlusses, der davon ausgehe, dass die Frage des Vorliegens einer Dienstbarkeit eine Vorfrage darstelle, obwohl eine Dienstbarkeit lediglich einen zivilrechtlichen Anspruch darstelle und sohin im Eisenbahnverfahren nicht zu berücksichtigen sei.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
6 Vorauszuschicken ist, dass eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung - wie der vorliegend angefochtene Beschluss - keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 25a Abs. 3 VwGG ist und damit nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung unterliegt (vgl. dazu etwa VwGH 24.3.2015, Ro 2014/05/0089). 7 Insofern erweist sich der Ausspruch des LVwG über die Unzulässigkeit der Revision als unrichtig. Die Unrichtigkeit dieses Ausspruches führt aber für sich betrachtet nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist an diesen Ausspruch nicht gebunden und er hat die Zulässigkeit der Revision anhand der sonstigen geltend gemachten Gründe zu überprüfen.
8 Diesbezüglich beschränkt sich die Revision auf den Einwand, die Frage des Vorliegens einer Dienstbarkeit an der betroffenen Liegenschaft zugunsten der mitbeteiligten Partei sei keine Vorfrage für das eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren, weil es sich dabei um einen zivilrechtlichen Anspruch handle, der im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen sei. 9 Dem ist lediglich zu erwidern, dass § 31e EisbG den an der betroffenen Liegenschaft dinglich Berechtigten Parteistellung im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren einräumt. Als solche können sie subjektiv öffentliche Rechte geltend machen, die gemäß § 31f Z 3 EisbG einer eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung entgegenstehen.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der dinglich Berechtigte an der betroffenen Liegenschaft - vergleichbar den Eigentümern von betroffenen Liegenschaften (vgl. dazu etwa VwGH 24.9.2014, 2012/03/0003) - erfolgreich nur solche Nachteile einwenden, durch die er unmittelbar beeinträchtigt ist. Die geltend gemachten Rechte müssen mit seinem dinglichen Recht untrennbar verbunden und im EisbG als subjektiv öffentliche Rechte ausgebildet sein. Demnach können dinglich Berechtigte im Rahmen der gemäß § 31f Z 3 EisbG gebotenen Interessenabwägung einwenden, dass das geplante Bauvorhaben keinen Vorteil für die Öffentlichkeit darstelle oder der Vorteil für die Öffentlichkeit geringer sei als die ihnen dadurch erwachsenden Nachteile.
11 Derartige Einwände haben die mitbeteiligten Parteien im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren erhoben und sich auf eine dingliche Berechtigung an der betroffenen Liegenschaft gestützt, über deren Vorhandensein - unstrittig - ein gerichtlicher Zivilrechtsstreit zwischen den Parteien anhängig ist, in dem über diese Frage als Hauptfrage bindend entschieden werden wird. Ausgehend davon vermag die Revision nicht darzutun, dass es sich bei der Frage der dinglichen Berechtigung der mitbeteiligten Partei an der betroffenen Liegenschaft um keine "Vorfrage" im Sinne des § 38 AVG handelt, die das LVwG zur Aussetzung des Beschwerdeverfahrens berechtigte.
12 Da in der Revision keine anderen Umstände geltend gemacht werden, die im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gegen die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gesprochen hätten, werden von ihr keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030031.L00Im RIS seit
12.05.2020Zuletzt aktualisiert am
12.05.2020