Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen ***** A***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten ***** A***** und ***** T***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 7. Oktober 2019, GZ 607 Hv 2/19b-177, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten A***** und T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – A***** (zu I/1 und 2) zweier Verbrechen und T***** (zu II) eines Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB, jeweils auch nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie andere zu bestimmen versucht, ***** Tü***** zu töten oder töten zu lassen, indem
(I) A***** in W***** entsprechende Aufträge erteilte, und zwar
1) Anfang 2018 an ***** B*****, wobei die unmittelbare Tatausführung unterblieb;
2) im Jahr 2018 an unbekannte Täter, die Tü***** daraufhin mit einem Gegenstand oder einer Waffe mehrfach gegen den Kopf schlugen, wodurch der Genannte ein Schädel-Hirntrauma, einen Schädel-Berstenbruch, mehrere geradlinig verlaufende Rissquetschwunden sowie eine dreieckige Rissquetschwunde am Kopf erlitt und aufgrund bestehender Lebensgefahr in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt wurde, jedoch nicht zu Tode kam, womit es beim Versuch blieb;
(II) T***** im Mai oder Juni 2018 in N***** „nach Erteilung des unter Hauptfrage I genannten Auftrags“ über die unbekannte Täterin „Aleksandra“ Kontakt mit ***** C***** aufnahm und diesem 15.000 Euro für die Tötung des Tü***** in W***** anbot, wobei es deshalb beim Versuch blieb, weil C***** zwar vorhatte, einen Teil des Geldes zu nehmen, jedoch nicht beabsichtigte, die Tat umzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von A***** aus Z 4, 6 und 10a und von T***** aus Z 4, 8, 9 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****:
Die auf Z 4 gestützte Behauptung eines Verstoßes gegen § 252 Abs 2a StPO, weil in der Hauptverhandlung – entgegen dem Inhalt des darüber aufgenommenen Protokolls (ON 176 S 23) – ein zusammenfassender Vortrag jener Aktenteile, die nicht ohnehin wörtlich verlesen wurden, tatsächlich nicht erfolgte, geht bereits deshalb ins Leere, weil nur die – hier nicht angesprochene – prozessordnungswidrige Verlesung der in § 252 Abs 1 StPO angeführten Aktenteile sowie die Verletzung des damit gekoppelten Umgehungsverbots (§ 252 Abs 4 StPO) mit Nichtigkeit aus Z 4 bedroht sind, nicht hingegen das Unterbleiben eines – die Verlesung substituierenden – Vortrags nach § 252 Abs 2a StPO (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 14; RIS-Justiz RS0098158). Für eine erfolgreiche Geltendmachung aus Z 5 vorausgesetzte (begründete) Antragstellung zur Durchsetzung der von Seiten der Verteidigung – in der Beschwerde im Übrigen ohne deutliche und bestimmte Bezeichnung konkreter Aktenbestandteile – vermissten Verlesungen (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 129 ff; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 195) ist nicht erfolgt. Dass sich bei Wegdenken in der Hauptverhandlung nicht vorgekommenen Beweismaterials aus dem Akteninhalt erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben (Z 10a; Kirchbacher, WK-StPO § 246 Rz 174; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 70, 460 f, 464, § 345 Rz 12 f), wird ebenfalls nicht geltend gemacht.
Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung von Eventualfragen zur Hauptfrage IV nach absichtlicher schwerer Körperverletzung (§§ 12 zweiter Fall, 87 Abs 1 StGB) und schwerer Körperverletzung (§§ 12 zweiter Fall, 84 Abs 4 StPO).
Gesetzeskonforme Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes verlangt vom Beschwerdeführer nicht nur die deutliche und bestimmte Bezeichnung der vermissten Fragen, sondern auch jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines die begehrten Eventualfragen
indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0117447; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23; Lässig, WK-StPO § 314 Rz 3).
Mit dem Hinweis auf die Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen zur beim Angriff gegen Tü***** verwendeten Tatwaffe (einem länglichen, rohrförmigen Gegenstand) sowie die Aussage des Zeugen D*****, der nur einen einzelnen Mann vom Tatort flüchten sah, und daran anknüpfenden Spekulationen zu effektiveren Methoden der Erfüllung eines Tötungsauftrags sowie zu einem excessus mandati des unmittelbaren Täters, zeigt die Rüge keine Verfahrensergebnisse auf, die die begehrte Eventualfragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung
ernsthaft indizieren würden.
Gleiches gilt für die weiters ins Treffen geführten Aussagen von Zeugen zum Wortlaut der im Vorfeld gegen Tü***** geäußerten Drohungen des Beschwerdeführers und zu einem „Einschüchterungsversuch“ mittels Aufstechens eines Reifens des Fahrzeugs des späteren Opfers sowie für selektiv hervorgehobene Teile der leugnenden Verantwortung des Angeklagten A*****, der zudem jegliche Auftragserteilung an Dritte zu einem tätlichen Angriff auf den Genannten, solcherart also auch Verletzungsabsicht und -vorsatz in Abrede gestellt hatte (RIS-Justiz RS0120766; vgl dazu
auch RIS-Justi
z
RS0120766 [T5]).
Die Tatsachenrüge (Z 10a) versucht zunächst Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch zur Hauptfrage I festgestellten Tatsachen nicht „aus den Akten“, sondern aus der Antwort der Geschworenen auf die Hauptfragen I, II und III abzuleiten und verfehlt solcherart den Anfechtungsrahmen des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0118780, RS0119310, RS0117446, RS0117961 [insb T2]).
Soweit sie eine (strafrechtlich relevante) „kausale Beteiligung“ des Beschwerdeführers an der vom Schuldspruch II des Angeklagten T***** umfassten strafbaren Handlung unter Hinweis auf Aussagen des Zeugen C***** in Abrede stellt, bezieht sie sich nicht auf eine entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0117499), weil eine solche Annahme dem A***** betreffenden Wahrspruch der Geschworenen und dem darauf basierenden Urteil – auch unter Berücksichtigung der in der Beschwerde hervorgehobenen Passage der Hauptfrage III („nach Erteilung des unter Hauptfrage I./ genannten Auftrags“) – gar nicht zu entnehmen ist.
Gleichfalls nicht gegen konkrete Feststellungen über entscheidende Tatsachen, sondern isoliert gegen die – als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) alleine den Geschworenen zukommende (RIS-Justiz RS009829; vgl dazu auch RS0099649; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491) – Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ***** Ak***** wendet sich die Beschwerde, indem sie diesen unter Hinweis auf dessen Strafregisterauskunft als „äußerst dubios“ bezeichnet, auf Basis eigener beweiswürdigender Überlegungen behauptet, dass „zahlreiche“ seiner (schon nach dem Beschwerdevorbringen ausschließlich auf den gegen den Mitangeklagten B***** erhobenen Vorwurf, „Nebenumstände“ sowie einen angeblichen Erpressungsversuch des Ak***** im Vorfeld des gegenständlichen Verfahrens bezogenen) Angaben „zweifelsfrei widerlegt werden konnten“, und zusammenfassend zum Schluss kommt, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Geschworenen (nur) die den Beschwerdeführer belastende Aussage des Zeugen für glaubwürdig erachteten, ihm in Bezug auf die B***** betreffenden Anschuldigungen jedoch nicht folgten (vgl zur Zulässigkeit der Annahme partieller Glaubwürdigkeit eines Zeugen: RIS-Justiz RS0098372).
Was mit den weiteren „eingehenden Erwägungen zur Frage, welche Umstände den Zeugen (Ak*****) zur Annahme der Erpressbarkeit des Angeklagten A***** … veranlasst haben könnten“, gesagt werden soll, ist nicht nachvollziehbar.
Mit der Behauptung des Fehlens von „konkreten Sachbeweisen oder Angaben von Zeugen irgendwelcher Art …, die die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers zu widerlegen geeignet wären“, stellt die Tatsachenrüge zum Schuldspruch I/2 keinen Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial her (vgl aber RIS-Justiz RS0128874; vgl auch RS0098249). Indem sie aus schon in der Fragenrüge hervorgehobenen Verfahrensergebnissen auf Grundlage subjektiver Einschätzung der Beweislage ableitet, der Angeklagte A***** habe (zumindest bis zum Abschluss diverser Zivilverfahren) keine tätlichen Angriffe gegen Tü***** „geplant oder auch nur angedroht“, wogegen auch die Aussagen der Zeugen ***** Y***** und Ak***** nicht sprächen, weil diese nur „vordergründig belastend“, tatsächlich aber „als [den Beschwerdeführer] entlastend zu bewerten“ seien, übt sie erneut bloß unzulässig Kritik an der Beweiswürdigung der
Geschworenen nach Art einer im
geschworenengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen
Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO iVm § 344 StPO). Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch zur Hauptfrage IV festgestellten Tatsachen werden mit diesem Vorbringen nicht geweckt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*****:
Zur Behauptung des Unterbleibens eines – im Hauptverhandlungsprotokoll tatsachenwidrig festgehaltenen – resümierenden Vortrags des gesamten „übrigen“ Akts und einer dadurch bewirkten – nicht näher bezeichneten – Verletzung von „§ 252 StPO“ genügt der Verweis auf die Beantwortung des sinngemäß identen Vorbringens des Angeklagten A*****.
Inwiefern sich die behauptete Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zur „Kettenbestimmung“ auf die Beantwortung der den Beschwerdeführer betreffenden Hauptfrage III ausgewirkt haben soll, obwohl diesem die unmittelbare Bestimmung des C***** zur Tötung des Tü***** vorgeworfen wurde, legt die Instruktionsrüge (Z 8) nicht dar (RIS-Justiz RS0101085, RS0100949; vgl auch RS0101091 [T5, T6]).
Mit dem Vorwurf eines Widerspruchs der Antwort der Geschworenen auf die an sie gestellten Fragen (Z 9) zufolge Verneinung der Hauptfrage II (die darauf gerichtet war, ob der Angeklagte B***** den Angeklagten T***** dazu bestimmt hat, Tü***** zu töten, indem er den – der bejahten Hauptfrage I zugrunde liegenden – Auftrag, der ihm selbst vom Angeklagten A***** erteilt worden war, an T***** weitergab) und Bejahung der den Beschwerdeführer selbst betreffenden Hauptfrage III orientiert sich die Beschwerde nicht an den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen, und verfehlt solcherart den Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0101003).
Sie baut nämlich auf der – nach dem Vorgesagten verfehlten – Prämisse auf, die Geschworenen hätten mit der Antwort auf die Hauptfrage III auch eine „Kausalität (im Sinne einer Kettenbestimmung) zwischen der Auftragserteilung in der Hauptfrage I und den Feststellungen in der Hauptfrage III“ bejaht, ohne darzulegen, aus welchem Grund solches aus der in der Hauptfrage III enthaltenen Passage „nach Erteilung des unter Hauptfrage I./ genannten Auftrags“ abzuleiten sein sollte. Die These, diese Wortfolge wäre „ansonsten …, da sie ja für die Fragebeantwortung völlig bedeutungslos wäre, nicht in die Hauptfrage III aufgenommen“ worden, reicht hiefür nicht aus.
Davon abgesehen wird ein Widerspruch im Sinn logischer Unvereinbarkeit (vgl RIS-Justiz RS0100971, RS0101003) nicht angesprochen, wenn die Geschworenen aus Gründen der Beweiswürdigung – etwa im Hinblick auf die subjektive Tatseite – zu einer unterschiedlichen Beurteilung des Verhaltens zweier, nach dem Anklagevorwurf an der selben strafbaren Handlung Beteiligter gelangen (RIS-Justiz RS0101010, RS0101002; vgl auch RS0089873).
Soweit dich die Tatsachenrüge (Z 10a) gegen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen C***** wendet, entspricht sie nicht den oben dargestellten Anfechtungskriterien des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes.
Mit dem Hinweis auf Passagen aus der Aussage des Genannten, nach denen ihm „Aleksandra“ noch im November und Dezember 2018 Druck gemacht und ihm eine „Deadline“ bis Neujahr zur Erfüllung des Tötungsauftrags gesetzt, ihn aber nicht über den schon am 20. November 2018 erfolgten Angriff auf Tü***** durch unbekannte Täter (der im Übrigen nicht zum angestrebten Tod des Opfers führte) informiert habe, und darauf aufbauenden Plausibilitätserwägungen gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch zur Hauptfrage III festgestellten Tatsachen zu wecken.
Ebensowenig ergeben sich Zweifel im Sinn der Z 10a aus der weiters ins Treffen geführten spurenkundlichen Untersuchung eines – C***** nach dessen Aussage vom Beschwerdeführer übergebenen – Papierstücks (mit Namen und Adresse des Opfers), die ergab, dass eine Zuordnung des darauf sichergestellten – von mindestens drei Personen verursachten – DNA-Mischteilprofils mit hoher Wahrscheinlichkeit nur in Bezug auf C***** möglich war (ON 84 S 5).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127768European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00001.20H.0317.000Im RIS seit
15.04.2020Zuletzt aktualisiert am
15.04.2020