Diskriminierungsgrund
AlterDiskriminierungstatbestand
Diskriminierung aufgrund des Alters bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei BeförderungenText
Senat II der Gleichbehandlungskommission
Anonymisiertes Prüfungsergebnis GBK II/343/17 gem. § 12 GBK/GAW-Gesetz
Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) hat über den Antrag von Herrn Dr. A (in Folge: Antragsteller) wegen behaupteter Diskriminierung auf Grund des Alters bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung gemäß § 17 Abs. 1 Z 4 GlBG und beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 17 Abs. 1 Z 5 GlBG durch B (in Folge: Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens erkannt:
Eine Diskriminierung des Antragstellers auf Grund des Alters beim beruflichen Aufstieg durch die Antragsgegnerin
l i e g t v o r.
Eine Diskriminierung des Antragstellers auf Grund des Alters bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung durch die Antragsgegnerin
l i e g t v o r.
VORBRINGEN
Im Antrag wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der 1956 geborene Antragsteller seit 1996 bei der Antragsgegnerin als Kontrollarzt beschäftigt sei. Seit 2001 sei er zusätzlich als ärztlicher Berater der Abteilung X der Antragsgegnerin tätig. Er sei Arzt für … sowie Inhaber einer Lehrbefugnis … an der Universität … .
Am … sei es erstmalig zur Ausschreibung des Dienstpostens „Stellvertreterin/Stellvertreter der leitenden Ärztin" im Ärztlichen Dienst bei der Antragsgegnerin, der mit fünf Jahren, laufend ab … , befristet gewesen sei, gekommen. Er habe sich für diesen Dienstposten beworben, da er diese Tätigkeit als eine besondere Herausforderung und zusätzliche Motivation gerade für die voraussichtlich letzten Jahre seiner beruflichen Laufbahn erachtet habe.
Zu diesem Zeitpunkt sei er 59 Jahre alt gewesen. Am … sei ihm mitgeteilt worden, dass das Auswahlverfahren aus terminlichen und organisatorischen Gründen auf einen späteren, damals noch unbekannten Zeitpunkt verschoben werden müsse.
Am … sei ein Gespräch mit der Leiterin des Personalbüros, Frau Mag.a C , erfolgt, wobei er nochmals sein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet habe.
Am … sei es zu einem Gespräch zwischen ihm und der leitenden Ärztin, Frau Dr.in D, gekommen, in dem diese zum Ausdruck gebracht habe, dass alle BewerberInnen fachlich gleich qualifiziert seien und sie nun Gespräche wie dieses führe um abzuklären, mit wem sie am besten die Abteilung … gemeinsam leiten könne.
Am … sei ihm schriftlich mitgeteilt worden, dass die Ausschreibung zurückgezogen werde, da sich die Rahmenbedingungen auf Grund von Führungswechseln im Ärztlichen Dienst und den sich daraus ergebenden Schwerpunktsetzungen geändert hätten.
In weiterer Folge habe er beiläufig von Frau Dr.in D erfahren, dass die neuerliche Ausschreibung des Dienstpostens auf das kommende Jahr verschoben werde. Dann käme aber die sozialversicherungsinterne Richtlinie einer Altersbegrenzung von 65 Jahren für Führungskräfte im Falle einer weiteren Bewerbung von ihm zum Tragen, da er mit Ende der für diese Position vorgesehenen fünfjährigen Funktionsperiode das 65. Lebensjahr rein rechnerisch dann bereits überschritten hätte. Er habe seinerseits in diesem Gespräch lediglich bemerkt, dass angesichts des allgemeinen Problems des zu frühen Pensionsantritts von Österreicherinnen und Österreichern und den von der österreichischen Bundesregierung am 29.2.2016 beschlossenen Maßnahmen zur Förderung eines Pensionsantritts erst nach Erreichen des 65. Lebensjahres, diese Richtlinie doch nicht mehr zeitgemäß sein könne. Dazu merkte der Antragsteller an, dass zwischenzeitlich von der Antragsgegnerin gegenüber der Gleichbehandlungsanwaltschaft eingeräumt worden, dass diese Richtlinie überhaupt nicht existiere.
Mit … sei Frau Dr.in E, eine Mitbewerberin im vorhergehenden Bewerbungsverfahren, als interimistische Stellvertreterin der leitenden Ärztin betraut worden.
Im März … sei schlussendlich die Stelle neuerlich ausgeschrieben worden, allerdings mit geändertem Anforderungsprofil. Der Antragsgegner habe sich mit Schreiben vom … beworben und sei zu diesem Zeitpunkt bereits 60 Jahre alt gewesen.
In weiterer Folge sei er mit Schreiben vom … darüber informiert worden, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden konnte und mit Rundschreiben vom … sei dann mitgeteilt worden, dass Frau Dr.in E für die Dauer von fünf Jahren zur Stellvertreterin der leitenden Ärztin der Antragsgegnerin bestellt werde.
Er könne sich diese Entscheidung nicht erklären, da er im Rahmen seines Bewerbungsschreibens minutiös seine Qualifikationen im Hinblick auf die Ausschreibung angeführt habe.
Seiner Meinung nach sei er – soweit er den bisherigen beruflichen Werdegang von Dr.in E kenne – für diesen Dienstposten doch der Qualifiziertere. Zudem sei Frau Dr.in E (Geburtsjahrgang 1968) ca. zwölf Jahre jünger als er und fast zehn Jahre nach ihm ins Unternehmen eingetreten.
Er habe versucht Kontakt mit der Leiterin des Personalbüros Frau Mag.a C herzustellen um die näheren Umstände zu erfahren, die zur Ablehnung bzw. Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung geführt hatten. Auf sein entsprechendes Schreiben habe er allerdings keine Antwort erhalten. Erst auf Intervention der Gleichbehandlungsanwaltschaft sei zu erfahren gewesen, dass Dr.in E die beste aller BewerberInnen gemäß … gewesen sei, ohne dass dies im Detail begründet worden sei.
Mit … habe er ein Schreiben seitens des Direktionsbüros der Antragsgegnerin mit der Mitteilung erhalten, dass er bei der Kandidatenauswahl für den Lehrgang … der … leider nicht berücksichtigt werden konnte. Er habe sich in den vergangenen Jahren bereits wiederholt um eine Teilnahme an derartigen Führungsseminaren erfolglos beworben.
Zur Darlegung der Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen für (ursprünglichen) Stelle nahm der Antragssteller auf deren öffentliche Ausschreibung im Amtsblatt der Wiener Zeitung, …und der … Tageszeitung, Bezug, der Ausschreibungstext habe wie folgt gelautet:
„…"
Die erforderlichen Qualifikationen und Fähigkeiten erfülle er wie folgend dargestellt:
…
In der Stellungnahme der Antragsgegnerin wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber, unter Angabe des Geschlechts, des Geburtsdatums und des Dienstalters:
Anzahl
Geschlecht
Geb.datum
Eintrittsdatum
1.
männlich
1956
1996
2.
weiblich
1966
2005
3.
weiblich
1968
2006
4.
weiblich
1967
extern
Grund für die Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Antragstellers:
Gemäß § … sei bei der Besetzung von Stellen den Ärzten des Versicherungsträgers Gelegenheit zur Bewerbung zu geben. Hierbei kommen die höhere Befähigung, die bessere Verwendbarkeit und erforderlichenfalls auch die Leitungseignung in Betracht. Bis 31. Dezember 2016 war darüber hinaus das Dienstalter, jedoch nur bei sonst gleichen Diensteigenschaften, maßgebend. Frau Dr.in E sei die beste Bewerberin gewesen.
Begründung für die Auswahl von Frau Dr.in E.:
Der Vorstand habe in seiner Sitzung am … ausgehend von den Bewerbungsunterlagen und den maßgeblichen Kriterien gemäß… , Frau Dr.in E mit Wirkung ab ….. . Sie sei die beste Bewerberin.
Begründung für die Befristung der ausgeschriebenen Stelle:
Gemäß § 460 Abs 3a ASVG seien die leitenden Angestellten und die leitenden Ärztinnen und Ärzte der im § 427 Abs 1 Z 1 bis 4 ASVG genannten Versicherungsträger sowie deren ständige Stellvertreterinnen und Stellvertreter im Wege einer öffentlichen Ausschreibung für jeweils fünf Jahre zu bestellen; Wiederbestellungen seien zulässig. Davon abweichende Vereinbarungen seien rechtsunwirksam. Dementsprechend sei der Dienstposten Stellvertreterin/Stellvertreter der leitenden Ärztin im Ärztlichen Dienst, befristet für die Dauer von fünf Jahren, …. ausgeschrieben worden.
Ausführung, warum die erste Ausschreibung zurückgezogen worden sei:
Frau Dr.in D sei … mit Wirkung ab … zur leitenden Ärztin der Antragsgegnerin bestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits der Dienstposten „Stellvertreterin/Stellvertreter der leitenden Ärztin im Ärztlichen Dienst“ aufgrund einer Pensionierung unbesetzt gewesen. Im Mai … sei die erste Stellenausschreibung erfolgt. Nach kurzer Einarbeitungszeit von Frau Dr.in D habe sich herausgestellt, dass infolge des stattgefundenen Führungswechsels im Ärztlichen Dienst eine adaptierte Schwerpunktbildung bei den Aufgabenbereichen erforderlich sei. Daraus seien neue Rahmenbedingungen für die Ausschreibung des Dienstpostens Stellvertreterin/Stellvertreter der leitenden Ärztin im Ärztlichen Dienst entstanden, wodurch mit Schreiben vom … die kundgemachte Ausschreibung zurückgezogen worden sei. Unter Berücksichtigung der nunmehr modifizierten Kriterien und Anforderungen sei sodann mit Rundschreiben eine Neuausschreibung der gegenständlichen Position erfolgt.
Laut § 5 der Richtlinien zur Gleichbehandlung von Dienstnehmerinnen bei den Sozialversicherungsträgern (beim Hauptverband) - RGB, vom 21. Juni 2007, sind Bewerberinnen, die für die angestrebte Stelle (Verwendung) gleich geeignet sind wie der bestgeeignete Mitbewerber, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen, entsprechend den Vorgaben des Frauenförderungsplanes solange vorrangig zu bestellen, bis der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der dauernd Beschäftigten in der betreffenden Gehalts-(Lohn-)gruppe/Dienstklasse für den jeweiligen Sozialversicherungsträger (getrennt nach Verwaltungsbediensteten und Eigenen Einrichtungen) mindestens 40 % beträgt. Die Führungspositionen des Ärztlichen Dienstes - Leitung und Stellvertretung - seien nunmehr weiblich besetzt.
Eine Sozialversicherungs-Richtlinie mit Höchstalterbezug existiere nicht, es gebe auch keine altersbegrenzenden internen Bestimmungen.
Zum Vorwurf der Altersdiskriminierung bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung: Aufgrund der Vielzahl an Anmeldungen und des begrenzten Kontingents beim Lehrgang … sei eine Teilnahme des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Mit Schreiben ... sei dieser davon in Kenntnis gesetzt und weiters darüber informiert worden, dass eine Anmeldung in den Folgejahren möglich wäre. Zuletzt sei er im Jänner 2018 auf die Möglichkeit der Anmeldung zu diversen Lehrgängen aufmerksam gemacht worden, habe jedoch diesbezüglich keine Ambitionen gezeigt.
Ergänzend wurde in einer zweiten Stellungnahme vorgebracht, dass der Kriterienkatalog des Bewerbungsverfahrens, die Bewerbung von Frau Dr.in E samt den Stellungnahmen zu den Bewerberinnen und Bewerbern durch die leitende Ärztin, Frau Dr.in D sowie das Protokoll der Vorstandssitzung, gemäß § 7 der Datenschutzverordnung für die gesetzliche Sozialversicherung (SV-DSV 2018) entsprechend der Verpflichtung zur Einhaltung der Verschwiegenheit und des Datengeheimnisses nicht vorgelegt werden könne.
BEFRAGUNG VON AUSKUNFTSPERSONEN
Der Antragsteller schilderte ergänzend zu seinem beruflichen Werdegang bei der Antragsgegnerin, dass er sich wiederholt um Führungspositionen im ärztlichen Dienst, insgesamt viermal, beworben habe und bisher nie zum Zug gekommen sei.
Die antragsgegenständliche Stelle sei erstmals … ausgeschrieben worden, er habe sich damals beworben, es habe auch eine Besprechung mit Dr.in D gegeben, die Ausschreibung sei damals zurückgezogen worden mit der Begründung, dass sich der Aufgabenbereich geändert habe. Damals habe es keine Hinweise auf sein Alter gegeben.
Danach habe es eine Besprechung hinsichtlich seines Arbeitsplatzes gegeben, im Zuge derer auch die Aufgaben der Vertretung thematisiert worden sei. Damals habe Frau Dr.in D gemeint, dass die Stelle für ihn doch auch schon nicht in Frage käme, weil er rein rechnerisch beim Auslaufen der fünfjährigen Funktionsperiode nach der neuerlichen Ausschreibung schon über 65 Jahre sein würde, er müsste schon vor dem Ende der Funktionsperiode „vorzeitig“ in Pension gehen. Sie habe damals gemeint, dass es eine Richtlinie für Führungskräfte gebe, dass man nicht länger als bis zum Ende des Jahres, in dem man 65 Jahre alt werde, die Funktion ausüben könnte. So sei es damals geschildert worden.
Er habe damals erwidert, dass er sich nicht vorstellen könne, dass es eine derartige Richtlinie gebe, zumal die Bundesregierung damals eine Förderung einer längeren Berufstätigkeit über 65 Jahre hinaus durch eine Gutschrift aufs Pensionskonto gefördert habe. In weiterer Folge habe die Antragsgegnerin richtiggestellt, dass es eine derartige Richtlinie gar nicht gebe. Damals sei ihm der Verdacht aufgekommen, dass das Alter bei der Stellenvergabe eine Rolle spiele.
Bei der neuerlichen Bewerbung habe es dann kein Hearing mehr gegeben, die Stelle sei einfach vergeben worden. Auf Nachfrage, ob das Gespräch mit Dr.in D ein „Hearing“ gewesen sei, gab er an, dass es ein persönliches Gespräch, ein Bewerbungsgespräch, mit ihm gewesen sei.
Auf Frage nach seiner Wahrnehmung der interimistischen Leiterin, die die Stelle letztlich bekomme habe, führte er aus, dass dies eine „Bevorteilung“ von Dr.in E gewesen sei. Diese sei eine Kollegin gewesen, die 10 Jahre nach ihm angestellt worden sei und ca. 12 Jahre jünger als er sei. Ab Ende Oktober habe sie die Funktion vorübergehend ausgeübt.
Warum er selbst nicht dafür bestellt worden sei, entziehe sich seiner Kenntnis. Die interimistische Leitung sei mit einem offiziellen Schreiben kundgetan worden, über den Bestellungsvorgang wisse er jedoch nichts.
Im März sei der Ausschreibungstext geändert gewesen, in der ersten Ausschreibung sei der Schwerpunkt mehr im Bereich … gelegen gewesen. In der zweiten Ausschreibung sei es mehr in Richtung Beratung, Direktion, Krankenstandsbegutachtung gegangen.
Auf Frage, warum er der Ansicht sei, der bestqualifizierte Bewerber gewesen zu sein, gab er an, dass er in seinem Antrag Punkt für Punkt darauf eingegangen sei und referierte diese Angaben vor dem Senat. Er sei der einzige Ärztliche Berater der Abt. Vertragspartner I (= Ärzte und Ärztinnen) gewesen. Er sei im Bereich der Krankenstandbegutachtung in den letzten Jahren doppelt so häufig wie jene Kollegin, die den Zuschlag erhalten habe, eingesetzt gewesen.
Die Absage sei mittels Schreiben, dass er nicht berücksichtigt werden könne, erfolgt. Er habe danach schriftlich um Erklärung ersucht, damals sei ihm noch nicht der Datenschutz erklärt worden. Er habe sich damals für ein Führungskräfteseminar beworben und eine Absage erhalten. Frau Dr.in E sei mittlerweile nicht mehr bei der Antragsgegnerin beschäftigt, sondern praktiziere als Ärztin - die Stellvertretung sei nicht mehr besetzt worden.
Frau Mag.a F gab als Vertreterin der Antragsgegnerin an, dass sie als Juristin im Direktionsbüro und auch als Gleichbehandlungsbeauftragte tätig sei. Bei der zweiten Ausschreibung hätten sich vier Personen beworben, davor habe es nach der ersten Ausschreibung keine offizielle interimistische Bestellung gegeben. Auf Grund des Führungswechsels von Dr.in D sei die erste Ausschreibung zurückgezogen worden, die damals Chefärztin geworden war.
Die Kriterien der ersten Ausschreibung hätten nicht ihrem Anforderungsprofil entsprochen, weshalb diese zurückgezogen worden sei. Dr.in E sei im Mai … bestellt worden, bis dahin habe es keine Stellvertretung in der Abteilung gegeben. Dr.in E sei mit Aufgaben in der Abwesenheit der Leiterin Dr.in D von dieser offenbar intern betraut worden, eine offizielle Betrauung habe es nicht gegeben, da diese einer Ausschreibung bedurft hätte.
Am Entscheidungsprozess über die Auswahl der Stellvertretung sei Dr.in D gar nicht beteiligt gewesen. Üblicherweise erfolge die Vorauswahl in der Direktion, beschlossen werde es im Vorstand. Dr.in D habe Stellungnahmen zu den BewerberInnen abgegeben, an der Entscheidung sei sie nicht beteiligt gewesen.
Zum Kriterienkatalog für die Vorauswahl befragt meinte sie, dass sie nur wisse, dass die maßgeblichen Kriterien gemäß § .. – höhere Befähigung, bessere Verwendbarkeit und gegebenfalls Leitungseignung – seien, wonach die Stellvertretung ausgewählt worden sei.
Auf Frage, warum Dr.in E besser als der Antragsteller sei, gab sie an, dass diese einstimmig die beste Kandidatin gewesen sei. Auf Frage nach einer objektivierbaren Entscheidungsfindung verwies sie auf die Stellungnahmen von Dr.in D, auf Grund derer die Direktion die Vorauswahl getroffen habe, genaueres könne sie dazu nicht sagen. Entscheidend sei die höhere Befähigung und die bessere Verwendbarkeit – erforderlichenfalls die Leitungseignung. Sie selbst sei am Entscheidungsprozess nicht beteiligt gewesen.
Auf Frage gab sie an, dass eine Richtlinie betreffend die Ausübung von Leitungsfunktion über das Alter von 65 Jahren hinaus nicht existiere, auch eine Praxis, dass man mit 65 Jahren „gehen“ müsse, sei ihr nicht bekannt. Es gebe bei der Antragsgegnerin auch einen Mitarbeiter, der über das Regelpensionsalter hinaus tätig sei, man könne auch neben dem Pensionsbezug weiterarbeiten. Rücksprache mit dem Hauptverband hätte ergeben, dass es eine Altersbegrenzung auch früher nie gegeben hätte.
Die Frage nach dem Kriterienkatalog, der i.S.d. DSGVO nicht vorgelegt werden könne, dahingehend, welche Kriterien der Auswahl im konkreten Bewerbungsverfahren zu Grunde gelegt worden seien, wurde nicht beantwortet. Sie wurde darauf hingewiesen, dass die Offenlegung der Bewertung des Antragstellers in dem von ihm selbst angestrengten GBK-Verfahren nicht dem Datenschutz unterliegen könne.
Mag.a F gab an, dass keine Reihung erfolgt sei - sie wisse, dass Dr.in E einstimmig als die beste Auswahl gesehen worden sei, was auch in einem Rundschreiben kommuniziert worden sei. Sie selbst habe damals als Gleichbehandlungsbeauftragte auch keinen Grund gesehen sich einzumischen, sie sei auch von keinem der BewerberInnen diesbezüglich kontaktiert worden. Auf Frage, wie die Besteignung einer Person ohne Vornahme einer Reihung festgestellt werden hätte können, erwiderte Mag.a F, dass es zumindest keine Abstufung gebe.
Zur Frage betreffend Ausbildungsmaßnahmen und die Bewerbung des Antragstellers um das Führungskräftetraining sowie die erfolgte Ablehnung schilderte sie, dass das Training am… abgehalten werde, es werden nicht nur Führungskräfte ausgebildet, sondern es gebe modulartig aufgebaute Lehrgänge, an denen jede/r teilnehmen könne. Wenn es zu viele BewerberInnen für die jährlich abgehaltenen Trainings gebe, werde geschaut, dass diese im nächsten Jahr bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Zug kämen. Die Antragsgegnerin habe 800 MitabeiterInnen, die Entscheidung der Nichtteilnahme des Antragstellers sei vom Direktionsbüro getroffen worden, weil dort die Kontingente vergeben würden.
Die Frage, warum der Antragsteller nicht zum Zug gekommen sei, beantwortete sie mit Platzmangel. Das Führungskräftetraining sei ja nur aufgeschoben gewesen, bei anderen Personen sei der Aufschub möglicherweise bereits im Vorfeld erfolgt, weil Wartelisten üblich seien. Es wäre ihm zu einem späteren Zeitpunkt wieder angeboten worden, es sei ihm mittlerweile tatsächlich auch immer wieder angeboten worden. Auch andere Personen würden auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Es sei auch keine Voraussetzung für die damalige Jobvergabe gewesen.
Die Möglichkeit der Anmeldung sei dem Antragsteller beim Gespräch bei der GAW in … nochmals angeboten worden, obwohl die Anmeldefrist für den konkreten Lehrgang schon abgelaufen gewesen sei. Er habe in der Zwischenzeit auch andere Ausbildungen absolviert, es sei ihm kein Zugang verwehrt worden. Die Absage sei rein aus Kapazitätsgründen erfolgt – bei 800 MitarbeiterInnen könne nicht jede/r immer alles absolvieren.
Dr.in D gab an, dass die erste Ausschreibung gemeinsam mit ihr gemacht worden sei, die Antragsgegnerin habe diese dann in Absprache mit ihr zurückgezogen, weil sie erst nach der Einarbeitungszeit erkannt habe, was sie wirklich als Stellvertretung brauche.
In der ersten Phase habe sie mit BewerberInnen Gespräche geführt, allerdings wisse sie nicht mehr, in welchem Stadium sie mit dem Antragsteller gesprochen habe, weil dies bereits so lange her sei. Nach der ersten Ausschreibung sei nur klar gewesen, dass es nicht passe – wie es weitergehe, sei damals noch nicht klar gewesen. Zur Frage, ob sich die BewerberInnen der beiden Runden wesentlich unterschieden hätten, gab sie an, die zwei Runden durcheinander zu bringen. Dr.in E habe sich – glaube sie – nur bei der zweiten Runde beworben.
Zur Frage der Betrauung von Dr.in E mit „wesentlichen“ Agenden während ihrer Abwesenheit meinte sie, dass die Tätigkeiten nicht „wesentlich“ gewesen seien, sondern teilweise keinen Aufschub geduldet hätten. Sie sei damals relativ oft abwesend gewesen. Den Großteil habe sie versucht, per Telefon oder E-Mail zu regeln.
Auf Frage, warum nicht der Antragsteller mit diesen Agenden betraut worden sei, führte sie aus, dass – auf den Hinweis der langjährigen Tätigkeit und der Lehrbefugnis des Antragstellers – man dies auch über einige andere KollegInnen sagen könnte. Sie habe in Summe mehr als 20 ärztliche MitarbeiterInnen.
Auf Frage, warum ihre Auswahl auf Dr.in E gefallen sei, hielt sie fest, dass sie anfangs keine Stellvertretung gehabt habe und die Agenden der Stellvertretung ihres Vorgängers ihr als Führungstätigkeiten zugefallen seien, weil es keine Stellvertretung gegeben habe. Daher habe sie im Vorfeld eine Umverteilung auf KollegInnen versucht, auch bezogen darauf, dass diesfalls nicht „jemand den Chef machen müsse“. Einige dieser Aufgaben seien relativ kurzfristig zu erledigen gewesen, Dr.in E sei damals u.a. mit der Bearbeitung von Operationsansuchen betraut worden, auch andere Mitarbeiter hätten Heil- bzw Hilfsmittel bearbeitet.
Der Antragsteller sei teilweise auch direkt der Vertragspartnerabteilung zugeordnet gewesen, die „amikalen Gespräche“ habe er auch zuvor in Zusammenarbeit mit der Vertragspartnerabteilung erledigt.
Auf Frage nach dem Auswahlprozess bzw. welche Kriterien zur Auswahl von Dr.in E geführt hätten, meinte sie, dass sie sich nicht erinnern könne, irgendwo geschrieben zu haben, wer „der beste oder schlechteste Bewerber sei“, sondern dass sie die Qualifikation der einzelnen BewerberInnen aufgelistet habe und was sie als Stellvertretung brauche. Dies habe sie mit dem Tätigkeitsprofil der MitarbeiterInnen abgeglichen.
Ihre schriftlichen Stellungnahmen seien schlussendlich offenbar die Entscheidungsgrundlage für die Direktion gewesen. Sie selbst habe keine Empfehlung abgegeben, wer die Stellvertretung bekommen solle. Sie habe einfach die Qualifikationen, die sie als Stellvertretung brauche, aufgelistet.
Auf Frage, was Dr.in E gehabt hätte und der Antragsteller nicht, gab sie an, dass diese auch „chirurgische“ Sachen in ihrer Abwesenheit erledigt habe, was für sie ein sehr wichtiger Punkt gewesen sei, weil diese Agenden keinen Aufschub während ihrer Abwesenheit geduldet hätten. Damit wäre auch die Abnahme von täglichen Arbeiten gut möglich gewesen, damit sie selbst Zeit für ihre Führungsaufgaben gehabt hätte.
Dr.in E habe kein jus practicandi als Chirurgin, sondern sei Allgemeinmedizinerin, aber sei teilweise auch operativ auf der HNO tätig – wobei sie einen Teil der HNO-Ausbildung absolviert habe - gewesen, sie habe bereits davor in diesem Bereich chirurgische Beurteilungen gemacht, sie habe auch alle anderen chirurgischen Beurteilungen mitübernommen. Sie sei auch mit anderen Chirurgen sehr gut vernetzt gewesen. Wieviel der Facharztausbildung Dr.in E genau absolviert habe, wisse sie nicht.
Sie führte aus, dass der Antragsteller ein sehr fähiger Kollege sei, was sie auch nie bestritten habe, allerdings habe sie für ihre Vertretung beschreiben müssen, was sie für den täglichen Ablauf brauche. Der Antragsteller mache sehr lange und zeitlich sehr umfangreiche Arbeiten für die Vertragspartnerabteilung, somit habe er auch nicht die Möglichkeit gehabt, zu 100% in ihrem Bereich zu arbeiten. Er habe gewisse Spezialbereiche bearbeitet, andere nicht – sie brauche als Vertretung eine Person, die den Großteil der Arbeitsgebiete abdecke.
Dr.in E sei schon - bevor sie selbst gekommen sei - in allen Bereichen eingesetzt gewesen, wie viele Kollegen auch, sie habe alle Bereiche des ärztlichen Dienstes wirklich gekannt und täglich bearbeitet.
Die Verwendung des Antragstellers durch ihren Vorgänger sei auch eine andere gewesen. Als sie begonnen habe, habe der Antragsteller in der Krankenkontrolle gearbeitet, er habe Spezialaufgaben erledigt und auch für andere Abteilungen. In anderen Bereichen sei er nie eingesetzt gewesen. Als Stellvertretung brauche sie eine Person, die alle Bereiche abdecken könne. Insofern sei Dr.in E für sie „besser verwendbar“ gewesen.
Hinsichtlich der Frage nach der „besseren Befähigung“ warf sie die Frage auf, wie sie diese Begriffe auseinanderhalten könne. Eine andere Art der Ausbildung bedeute für sie nicht „mehr Befähigung“, sondern für sie gehe es vorwiegend um die Verwendbarkeit. Die Entscheidung habe letztlich nicht sie getroffen, sondern nur schriftlich dargelegt, was die bessere Verwendbarkeit sei, weil sie ja wisse, wofür sie eine Stellvertretung brauche. Sie habe auch nicht gereiht, sondern nur beschrieben. Die Entscheidung habe die Direktion getroffen.
Die Frage, ob es in ihren Augen eine Bestqualifizierte für den Job gegeben hätte und ob sie mit dem Antragsteller gleich gut in allen Bereichen gearbeitet hätte, verneinte sie.
Zum Thema „Leitungseignung“ befragt meinte sie, dass sie sich schwertue, diese zu beurteilen, weil davor niemand geleitet habe. Auf den Hinweis, dass der Antragsteller ein … an der … geleitet habe, erwiderte sie, dass sie nicht denke, dass dies von der Art der Leitung vergleichbar sei. Hinsichtlich des Themas Leitungserfahrung seien alle vier BewerberInnen für sie gleichwertig gewesen.
Auf Frage nach einem Gespräch zwischen ihr und dem Antragsteller, in dem sie sinngemäß erwähnt haben soll, dass das im Hinblick auf sein Alter eh nichts mehr wäre, replizierte sie heftig, dass sie so etwas sicher nicht gesagt habe, da er nur unwesentlich älter als sie selbst sei. So etwas sage sie nicht, dass jemand zu alt sei. Woher seine Argumentation in Bezug auf das Alter von 65 Jahren käme, wisse sie nicht. Dass er zu alt sei, habe sie nicht gesagt. Sie kenne genug andere Beispiele, wo dies anders sei, so etwas könne sie nicht gesagt haben.
Auf Frage gab sie an, dass ihr nicht bekannt sei, dass es in der Sozialversicherung für etwas ein Höchstalter von 65 Jahren gebe. Das Alter wäre für sie bei einer Leitungsfunktion kein Problem gewesen.
Die Frage, ob sie einen Einfluss auf die Teilnahme am Führungskräfteseminar habe, verneinte sie „prinzipiell“. Das Einreichen von Fortbildungsmaßnahmen erfolge über sie.
Auf Frage nach den von ihr verfassten Stellungnahmen zu den BewerberInnen und allfälligen Vorgaben dazu seitens der Direktion meinte sie, dass sie eine Stellungahme zu den einzelnen BewerberInnen über die laufenden Tätigkeiten – soweit sie die Personen kennenlernen konnte - , deren Aufgabenerfüllung und ihre persönliche Einordnung verfasst habe.
Zur Frage nach der Beurteilung von externen BewerberInnen gab sie an, dass es zum Schluss eine externe Bewerberin gegeben habe - da habe es ein Gespräch mit dem Direktionsbüro gegeben, weil diese ja niemand im Haus gekannt habe.
Auf Frage gab sie an, dass sie generell nicht nach den Kriterien der DO bewerte, sondern von ihrer Seite beurteile, ob jemand die Fähigkeiten mitbringe, die in ihrem Bereich gebraucht würden. Alle anderen Dinge würden im Direktionsbüro abgehandelt. Sie beurteile nur eine direkte fachliche Eignung.
Auf Frage, warum das Stelleninserat in der zweiten Ausschreibung so allgemein gehalten gewesen sei, meinte sie, dass sie selbst von der Ausbildung Chirurgin sei - es stimme also nicht, dass sie keine chirurgische Kompetenz habe. Es handle sich aber um sehr zeitraubende Themen, mit denen sie sich neben ihrer normalen Beschäftigung nicht auch noch auseinandersetzen könne. Wahrscheinlich sei die Ausschreibung deshalb allgemein gehalten gewesen, weil einfach ganz viele Bereiche abzudecken seien. Ihrer Erinnerung nach sei die erste Ausschreibung nicht so allgemein gehalten gewesen. Vor der zweiten Ausschreibung sei sie dann draufgekommen, dass es besser wäre, jemanden zu haben, der alle Bereiche abdecke, damit sie gut vertreten werden könne.
Auf Frage, ob dies bei Dr.in E der Fall gewesen sei, meinte sie, dass diese sicher ein breiteres Spektrum abgedeckt hätte.
PRÜFUNGSGRUNDLAGEN
Der Senat II der Gleichbehandlungskommission (GBK) stu?tzt sein Prüfungsergebnis auf die schriftlichen Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie die Befragungen des Antragstellers, Frau Mag.a F und Frau Dr.in D.
Eingangs ist generell darauf hinzuweisen, dass das GlBG die GBK nicht zur Prüfung von jeglichen Vorwürfen auf Grund einer subjektiv empfundenen Ungerechtigkeit im Allgemeinen ermächtigt, sondern dass sich die Kognitionsbefugnis der GBK ausschließlich auf die Prüfung von Diskriminierungsvorwürfen im Zusammenhang mit den in § 17 GlBG genannten Gründen beschränkt, wobei dieser Zusammenhang vom/von der AntragstellerIn glaubhaft zu machen ist.
Für eine solche Glaubhaftmachung genügt nach der Rsp zwar eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei der zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist. Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers sprechen als dagegen (OGH 9 ObA 144/14p, ARD 6455/14/2015 = Arb 13.203; 9 ObA 177/07f, ZAS 2009/29, 186 [Klicka] = DRdA 2010/11, 137 [Eichinger]; vgl auch Windisch-Graetz, in ZellKomm3 [2018] § 12 GlBG Rz 16). Wird zB eine Bewerbung mit dem Hinweis abgelehnt, man verfüge über keine Sanitäreinrichtungen für männliche Mitarbeiter, liegt ein starkes Indiz für eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts vor (OGH 9 ObA 46/04m, ecolex 2004, 420 = ASoK 2005, 26).
Wesentlich ist dabei, dass das GlBG von einem gestuften Beweislastmodell ausgeht (dazu eingehend Weberndorfer, Glaubhaftmachung von Diskriminierung am Arbeitsplatz, in Ulrich/Rippatha, Glaubhaftmachung von Diskriminierung – Hilfe oder Hemmnis beim Rechtszugang [2018] 35 [72]). Der/die Antragstellerin ist aufgefordert, das verpönte Merkmal sowie die darauf basierende Benachteiligung zu benennen und mittels ausführlicher Darstellung des Geschehens zu konkretisieren.
Der Senat der GBK ist dabei von der Richtigkeit und vom Vorliegen der entscheidungsrelevanten Tatsachen zu überzeugen mit dem Ziel, die Kausalität einer besonderen Eigenschaft mit einer Benachteiligung so zu verknüpfen, dass der damit befasste Senat der GBK vom Vorliegen einer Diskriminierung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit überzeugt ist.
Erst wenn dies gelungen ist, obliegt es dem/der Antragsgegnerin in einem weiteren Schritt zu beweisen, dass ein anderer als der glaubhaft gemachte Grund für die Ungleichbehandlung maßgeblich war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der §§ 19 Abs. 2 oder 20 GlBG vorliegt.
BEGRÜNDUNG
Der Senat II der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:
"§17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf in Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht
…
4. bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung
5. beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen
…
"§ 19. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 17 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, oder Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.“
Aus Sicht des Senates hat sich nach Befragung der oben genannten Auskunftspersonen folgendes Bild ergeben:
Der als Kontrollarzt tätige und damals 59 Jahre alte Antragsteller hat sich um die … erstmals ausgeschriebene Position eines/r „Stellvertreterin/Stellvertreter der leitenden Ärztin" im Ärztlichen Dienst, der mit fünf Jahren, laufend ab …, befristet gewesen sei, beworben. Am … ist es zu einem Gespräch zwischen ihm und der leitenden Ärztin, Frau Dr.in D, gekommen, was unbestritten ist.
Am … ist, auch das ist unstrittig, seitens der Antragsgegnerin die Rückziehung der Ausschreibung kommuniziert worden, da sich die Rahmenbedingungen auf Grund von Führungswechseln im Ärztlichen Dienst und den sich daraus ergebenden Schwerpunktsetzungen geändert hätten.
Hinsichtlich eines weiteren Gesprächs mit Frau Dr.in D weichen deren Angaben von der Schilderung des Gesprächsinhalts durch den Antragsteller insofern ab, als dass sie vor dem Senat bestritten hat, dass ihrerseits sinngemäß eine Äußerung erfolgt sei in die Richtung, dass bei einer neuerlichen Ausschreibung des Dienstpostens im folgenden Jahr eine sozialversicherungsinterne Richtlinie betreffend eine Altersbegrenzung von 65 Jahren für Führungskräfte im Falle einer weiteren Bewerbung des Antragstellers zum Tragen käme, da dieser mit Ende der für diese Position vorgesehenen fünfjährigen Funktionsperiode das 65. Lebensjahr rein rechnerisch dann bereits überschritten hätte.
Der Senat hat in diesem Punkt die Darstellung des Antragstellers, dass eine solche Äußerung gefallen ist, als glaubwürdiger erachtet als die Darstellung von Dr.in D, dass überhaupt keine Bezugnahme ihrerseits auf das Thema des Alters des Antragstellers in diesem Gespräch gefallen sei, zumal für den Senat auch nicht ersichtlich war, warum der Antragsteller seiner Vorgesetzten eine derartige Äußerung fälschlich hätte unterstellen sollen bzw von sich aus eine – ihm zuvor nicht bekannte und nach Angaben der Antragsgegnerin auch nicht existierende – Richtlinie der Antragsgegnerin hätte erfinden sollen.
Es ist also davon auszugehen, dass eine – wenn auch im exakten Wortlaut für den Senat nicht mehr rekonstruierbare – Aussage gefallen ist und somit das Thema „Alter des Antragstellers“ im laufenden Auswahlverfahren seitens einer der Antragsgegnerin zurechenbaren, in den Auswahlprozess involvierten Person releviert wurde.
In weiterer Folge ist es zur Neuausschreibung der Stelle mit geändertem Anforderungsprofil gekommen, wobei die zweite Ausschreibung dem Senat weniger spezifisch formuliert erschienen ist, was einem/r ArbeitgeberIn grundsätzlich einen breiteren „Gestaltungsspielraum“ bei der konkreten Personalauswahl einräumt.
Laut Angaben der Antragsgegnerin hat sich die zum Zug gekommene Bewerberin Dr.in E erst auf die zweite – allgemeiner formulierte – Ausschreibung hin beworben und ist schließlich mit der Begründung, dass sie „die beste Bewerberin“ gewesen sei, als Stellvertreterin von Dr.in D bestellt worden.
Eine inhaltlich detailliertere Darlegung außer dieser Behauptung, wie und nach welchen objektiv nachvollziehbaren Kriterien die Ermittlung der „besten Bewerberin“ erfolgt ist, ist seitens der Antragsgegnerin – auch auf explizite Nachfrage durch den Senat - nicht erfolgt.
Ein derartig intransparentes Vorgehen bei einer Personalauswahl ist nicht geeignet, den vom Antragsteller dem Senat im Sinne der Beweismaßregelungen des GlBG hinreichend glaubhaft gemachten Verdacht eines diskriminierenden Vorgehens bei der Bestellung der in Rede stehenden Position zu entkräften. Daher ist die Antragsgegnerin den vom Gesetz geforderten Beweis, dass nicht das Lebensalter des Antragstellers ein für dessen Ablehnung (mit)ausschlaggebendes Motiv gewesen ist, schuldig geblieben.
Die Darstellung von Dr.in D, dass sie die ihr vorgelegten BewerberInnen nur beschrieben, aber nicht bewertet habe, erschien dem Senat nicht nachvollziehbar, da einer „Beschreibung“ von BewerberInnen hinsichtlich ihrer konkreten Verwendbarkeit eine „Bewertung“ nach Meinung des Senates ebenfalls immanent ist, auch wenn sich die beschreibende Person über diesen Umstand möglicherweise damals nicht hinreichend klar gewesen sein mag.
Die behauptete Bestqualifikation von Dr.in E war für den Senat im Hinblick auf den beruflichen Werdegang des Antragstellers nicht nachvollziehbar, zumal auch nicht offengelegt wurde, ob Dr.in E vor ihrer – offenbar informellen - „Betrauung“ mit der Stellvertretung von Dr.in D überhaupt jemals – im Gegensatz zum Antragsteller – eine Führungsposition ausgeübt hatte.
Auch wenn der Senat im konkreten Fall nicht abschließend beurteilen kann, ob der Antragsteller der bestgeeigneste Bewerber gewesen wäre – und somit das Frauenförderungsgebot der DO.B. außer Kraft gesetzt hätte-, haben sich die im Auswahlverfahren zu Tage getretenen, der Antragsgegnerin zuzurechnenden Intransparenzen des Auswahlverfahrens jedenfalls nachteilig auf die Beurteilung der konkreten Eignung des Antragstellers ausgewirkt.
Obwohl in einem Verfahren vor der GBK nicht das konkrete Auswahlverfahren zu wiederholen ist, ist gegenüber dem erkennenden Senat bei Ansatzpunkten für eine Diskriminierung dennoch hinreichend transparent darzulegen, auf Grund welcher konkreten und objektiv nachvollziehbaren Kriterien ein/e ArbeitgeberIn eine Personalentscheidung getroffen hat, da in einem Verfahren zu Tage getretenen Intransparenzen sich zu Lasten der ArbeitgeberIn auswirken.
Die Berufung auf den Datenschutz kann die Nichtoffenlegung personenbezogener Daten in einem Auswahlverfahren nach Meinung des Senates keinesfalls rechtfertigen, da die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, wenn die Verarbeitung zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung – die sich im vorliegenden Verfahren aus § 10 Abs. 2 GBK/GAW-Gesetz ergibt – erforderlich ist.
Es ist daher davon auszugehen, dass bei der dem Senat nicht näher offengelegten Reihung der BewerberInnen sich das – bereits im Gespräch zwischen Dr.in D und dem Antragsteller – relevierte Lebensalter von rund 60 Jahren in Kombination mit der fälschlichen Annahme einer – im Ergebnis nicht existenten - „Richtlinie“ bei der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Altersgrenze von 65 Jahren – negativ ausgewirkt hat. Daraus folgt, dass das Alter des Antragstellers nach Meinung des Senates zumindest mitausschlaggebend für die zu dessen Ungunsten ausgefallene Personalentscheidung gewesen ist.
Hinsichtlich der im zeitlichen Naheverhältnis zur Bewerbung des Antragstellers um die in Rede stehende Führungsposition erfolgten Nicht-Zulassung des Antragstellers zu der von ihm gewünschten Fortbildungsmaßnahme „Lehrgang …“ und im Hinblick auf den Umstand, dass der Antragsteller dem Senat glaubwürdig schilderte, sich davor bereits mehrmals erfolglos um eine Zulassung zu derartigen Fortbildungsmaßnahmen bemüht zu haben, ist davon auszugehen, dass das Lebensalter des Antragstellers bei der Entscheidung der Nichtzulassung ebenfalls ein mitausschlaggebender Faktor gewesen ist, da dem Senat die – aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachtet - fehlende Bereitschaft eines/r ArbeitgeberIn zur „Investition“ in ältere ArbeitnehmerInnen als ein bereits aus der Lebenserfahrung resultierendes Motiv bekannt ist. Dies insbesondere dann, wenn man die Vorgeschichte im Zusammenhang mit der Bewerbung des Antragstellers um die Stelle des Stellvertreters der leitenden Ärztin mit einbezieht und den Umstand, dass die Ablehnung seitens der Antragsgegnerin auch nicht weiter dargelegt wurde.
RECHTLICHE BEURTEILUNG
Da aus Sicht des Senates im Gespräch zwischen Dr.in D und dem Antragsteller dessen Lebensalter von rund 60 Jahren in Kombination mit der fälschlichen Annahme einer – nicht existenten - „Richtlinie“ bei der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Altersgrenze von 65 Jahren – releviert wurde und in weiterer Folge die ausgeschriebene Position mit einer um rund 10 Jahre jüngeren und nach Meinung des Senates nicht besser oder zumindest gleich gut qualifizierten Person besetzt wurde, hat der Antragsteller auf Grund seines Alters eine schlechtere Behandlung in einer vergleichbaren Situation erfahren. Deshalb ist das Alter des Antragstellers nach Meinung des Senates zumindest mitausschlaggebend für die zu dessen Ungunsten ausgefallene Personalentscheidung gewesen.
Damit war das Vorliegen einer Diskriminierung des Antragstellers auf Grund des Alters beim beruflichen Aufstieg durch die Antragsgegnerin zu bejahen.
Hinsichtlich der vom Antragsteller behaupteten Diskriminierung bei der Gewährung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ist der Senat zur Auffassung gelangt, dass die mehrmalige Nichtgewährung von gewünschten Fortbildungsmaßnahmen jedenfalls auch in Zusammenhang mit dem Lebensalter des Antragstellers gestanden ist und er auch in diesem Punkt eine weniger günstige Behandlung als jüngere KollegInnen durch die Antragsgegnerin erfahren hat.
Damit war auch das Vorliegen einer Diskriminierung des Antragstellers auf Grund des Alters beim beruflichen Aufstieg sowie bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung zu bejahen.
Vorschlag:
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat II der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und werden folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
1. Leistung eines angemessenen Schadenersatzes,
2. Ausarbeitung von Richtlinien zur nachvollziehbaren, transparenten und diskriminierungsfreien Entscheidungsfindung bei der Besetzung von Führungspositionen.
Binnen zwei Monaten ist dem Senat über die Umsetzung dieses Vorschlags zu berichten.
Zuletzt aktualisiert am
14.04.2020