Entscheidungsdatum
08.08.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs9Spruch
W128 2221785-1/2Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch NOWOTNY & WOHLMACHER Rechtsanwälte OG, Obere Donaustraße 4, 4040 Linz, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Oberösterreich vom 12.07.2019, Zl. A3-44/1-2019, beschlossen:
A)
Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG iVm. Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, in § 45 Abs. 5 erster Satz des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz - SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 (WV) idF BGBl. I Nr. 35/2018,
die Wortfolge "oder 30 Unterrichtsstunden"
in eventu
die Wortfolge "oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr"
als verfassungswidrig aufzuheben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.
Text
Begründung
I. Sachverhalt
1. Die Beschwerdeführerin war im Schuljahr 2018/2019 Schülerin der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe XXXX(Schule).
2. Am 18.06.2019 übermittelte die Schulleitung der Beschwerdeführerin ein Schreiben in welchem ihr mitgeteilt wurde, dass sie bis zum 08.04.2019 28 Stunden und 3 Minuten an unentschuldigten Fehlstunden aufweise. Am 06.05.2019 sei sie 10 Minuten verspätet zum Unterricht erschienen, am 15. und 22.05.2019 jeweils 5 Minuten. In der Folge seien am 13. und 14.06.2019 weitere Fehlzeiten aufgetreten. Die Beschwerdeführerin werde daher aufgefordert, diese Fehlzeiten durch Vorlage einer ärztlichen Bestätigung binnen einer Woche zu rechtfertigen. Erfolge eine solche Rechtfertigung nicht, so gelte sie als von der Schule abgemeldet.
3. Am 18.06.2019 sandte die Beschwerdeführerin ein E-Mail an die Direktion, in welchem sie ihre Abwesenheiten am 13. und 14.06.2019 erklärte. Ihr sei es bereits am 13.04.2019 schlecht gegangen und sie habe nur an einer "Mathe-Prüfung" teilgenommen. Am 14.06.2019 wollte sie um 10:30 Uhr die Vertretung ihrer auf Urlaub befindlichen Hausärztin besuchen. Diese habe jedoch die Ordination an diesem Tag bereits um 10:00 Uhr geschlossen. Dazu legte die Beschwerdeführerin ärztliche Bestätigungen ihrer Hausärztin bei. Aus diesen geht hervor, dass sie am 18.06.2019 in der Ordination anwesend gewesen sei, sie am 17.06.2019 nicht am Unterricht teilnehmen habe können, und dass die Ordination von 11.06.2019 bis 14.06.2019 geschlossen gewesen sei.
4. Am 25.06.2019 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin ein Schreiben an die Direktion der Schule und führte aus, dass die Beschwerdeführerin der Aufforderung vom 18.06.2019 bereits nachgekommen sei und das entsprechende E-Mail erneut beigeschlossen sei. Die Angelegenheit sei damit für die Beschwerdeführerin erledigt.
5. Am 26.06.2019 wurde der Beschwerdeführerin eine Schulbesuchsbestätigung ausgestellt, wonach sie Beschwerdeführerin die Schule bis zum 25.06.2019 besucht habe.
6. Mit Schreiben vom 27.06.2019 teilte die Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit, dass diese Abmeldung rechtswidrig erfolgt sei, und sie Widerspruch im Sinne des § 70 Abs. 1 lit. j SchUG, eventualiter Beschwerde gegen das Schreiben vom 18.06.2019 erhebe. Unter einem beantragte sie die Wiederaufnahme in die Schule.
7. Im Rahmen des Parteiengehörs teilte die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 11.07.2019 mit, dass sie nicht nur Widerspruch (in eventu Beschwerde) gegen die Abmeldung von der Schule iS der §§ 45 iVm 33 SchUG erhoben habe, sondern auch einen Antrag auf Wiederaufnahme im Sinne des § 45 Abs. 5 SchUG gestellt habe, der ebenfalls einer Erledigung ausharre. Die von der Behörde beabsichtigte Zurückweisung sei rechtswidrig, da Entscheidungen in Angelegenheiten des § 45 SchuG gemäß §§ 70 iVm 71 leg.cit. einem Widerspruch zugängig seien.
8. Mit Bescheid vom 12.07.2019 wies die belangte Behörde den Widerspruch "gegen das Schreiben der Schulleitung [...] vom 18.06.2019" als unzulässig zurück. In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Widerspruch nur in den in § 70 Abs. 1 (iVm § 70 Abs. 1) bzw. Abs. 2 SchUG genannten Fällen zulässig sei. Da die Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 5 iVm § 33 Abs. 1 lit. c SchUG ex lege aufgehört habe, Schülerin der Schule zu sein, bestehe keine Widerspruchsmöglichkeit. Die Rechtsfolge ergebe sich daraus, dass es ihr nicht gelungen sei, die gesamten Fehlstunden und insbesondere jene vom 13. und 14.06.2019 zu entschuldigen.
9. Dagegen richtete sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 22.07.2019. Begründend wird ausgeführt, dass die Abmeldung rechtwidrig erfolgt sei und, dass über den Antrag auf Wiederaufnahme nicht abgesprochen worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht möge die Unzulässigkeit der am 25.06.2019 verfügten Abmeldung erkennen, in eventu die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen.
10. Mit Schreiben vom 26.07.2019 legte die belangte Behörde die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Zu Spruchpunkt A)
1.1. Rechtslage
Gemäß § 33 Abs. 2 lit. c Schulunterrichtsgesetz (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, idgF lautet (auszugsweise):
"Beendigung des Schulbesuches
§ 33. (1) Ein Schüler hört auf, Schüler einer Schule zu sein, wenn er die lehrplanmäßig letzte Schulstufe abgeschlossen hat. Wenn ein Schüler zur Wiederholung der lehrplanmäßig letzten Schulstufe berechtigt ist (§ 27) und von diesem Recht Gebrauch macht, bleibt er bis zum Abschluß der Wiederholung weiterhin Schüler.
(2) Ein Schüler hört schon vor dem im Abs. 1 genannten Zeitpunkt auf, Schüler einer Schule zu sein
[...]
c) mit dem ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist seit der Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß § 45 Abs. 5;
[...]
(3) Der Zeitpunkt und der Grund der Beendigung des Schulbesuches sind auf dem Jahreszeugnis (§ 22 Abs. 1) oder dem Semesterzeugnis (§ 22a Abs. 1), wenn jedoch das Ende des Schulbesuches nicht mit dem Abschluß einer Schulstufe zusammenfällt, auf der Schulbesuchsbestätigung (§ 22 Abs. 10) ersichtlich zu machen."
§ 45 SchUG lautet (auszugsweise):
"Fernbleiben von der Schule
§ 45. (1) Das Fernbleiben vom Unterricht ist nur zulässig:
a) bei gerechtfertigter Verhinderung (Abs. 2 und 3),
b) bei Erlaubnis zum Fernbleiben (Abs. 4),
c) bei Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsgegenständen (§ 11 Abs. 6).
(2) Eine gerechtfertigte Verhinderung ist insbesondere: Krankheit des Schülers; mit der Gefahr der Übertragung verbundene Krankheit von Hausangehörigen des Schülers; Krankheit der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie vorübergehend der Hilfe des Schülers unbedingt bedürfen; außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers oder in der Familie des Schülers; Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist; Dauer der Beschäftigungsverbote im Sinne der Bestimmungen über den Mutterschutz.
(3) Der Schüler hat den Klassenvorstand oder den Schulleiter von jeder Verhinderung ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Grundes zu benachrichtigen. Auf Verlangen des Klassenvorstandes oder des Schulleiters hat die Benachrichtigung jedenfalls schriftlich zu erfolgen. Bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit oder bei häufigerem krankheitsbedingtem kürzerem Fernbleiben kann der Klassenvorstand oder der Schulleiter die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen, sofern Zweifel darüber bestehen, ob eine Krankheit oder Erholungsbedürftigkeit gegeben war.
[...]
(5) Wenn ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fernbleibt, ohne das Fernbleiben zu rechtfertigen (Abs. 3) und auch auf schriftliche Aufforderung hin eine Mitteilung binnen einer Woche nicht eintrifft, so gilt der Schüler als vom Schulbesuch abgemeldet (§ 33 Abs. 2 lit. c). Die Wiederaufnahme des Schülers ist nur mit Bewilligung des Schulleiters zulässig, die nur dann zu erteilen ist, wenn das Fernbleiben nachträglich gerechtfertigt wird und die Unterlassung der Mitteilung an die Schule aus rücksichtswürdigen Gründen unterblieben ist.
[...]"
Gemäß § 49 Abs. 1 SchUG ist der Schüler von der Schule auszuschließen, wenn er seine Pflichten (§ 43) in schwerwiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß § 47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt.
§ 70 SchUG lautet (auszugsweise):
"Verfahren
§ 70. (1) Soweit zur Durchführung von Verfahren andere Organe als die Schulbehörden des Bundes berufen sind, finden die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des AVG keine Anwendung und sind in den nachstehend angeführten Angelegenheiten die Absätze 2 bis 4 anzuwenden:
[...]
j) Fernbleiben von der Schule (§ 45),
[...]
(2) Der Erlassung einer Entscheidung hat die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, durch Beweise voranzugehen. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dem Schüler (Aufnahmsbewerber, Prüfungskandidaten) ist, sofern der Sachverhalt nicht von vornherein klar gegeben ist oder seinem Standpunkt nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werden soll, Gelegenheit zu geben, zu den Sachverhaltsfeststellungen Stellung zu nehmen.
(2a) Das verfahrensleitende Organ hat von den Verfahrensbestimmungen nach Maßgabe der technischen Gegebenheiten abzuweichen, wenn dies für Körper- oder Sinnesbehinderte, die am Verfahren beteiligt sind, erforderlich ist.
(3) Entscheidungen können sowohl mündlich als auch schriftlich erlassen werden. Sofern einem Ansuchen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird, kann innerhalb einer Woche eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung verlangt werden.
(4) Die schriftliche Ausfertigung einer Entscheidung hat zu enthalten:
a) Bezeichnung und Standort der Schule, Bezeichnung des entscheidenden Organes;
b) den Inhalt der Entscheidung unter Anführung der angewendeten Gesetzesstellen;
c) die Begründung, wenn dem Standpunkt des Schülers (Aufnahmsbewerbers, Prüfungskandidaten) nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird;
d) Datum der Entscheidung;
e) die Unterschrift des entscheidenden Organes, bei Kollegialorganen des Vorsitzenden;
f) die Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit, wenn dem Ansuchen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird."
Gemäß § 71 Abs. 1 SchuG ist gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.
Gemäß § 71 Abs. 9 ist gegen andere als in Abs. 1 und 2 dieser Gesetzesstelle genannte Entscheidungen von schulischen Organen ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde nicht zulässig.
1.2. Präjudizialität und Anfechtungsumfang
Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG berechtigt, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegt.
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichts in der Hauptsache vorgreifen würde (vgl. VfGH 8.10.2015, V 78/2015). Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Antrag im Sinne des Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003)
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Widerspruch der Beschwerdeführerin gegen ihre Abmeldung vom Schulbesuch mit 25.06.2019 zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Handelns zu überprüfen. Aus diesem Grund hat auch das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene gesetzliche Bestimmung anzuwenden, die daher präjudiziell im Sinne des Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG ist.
Letztlich ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Gesetzesbestimmung derart abzugrenzen, dass die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg. 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003). Ein untrennbarer Zusammenhang ist anzunehmen, wenn sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der vom Verfassungsgerichtshof anzuwendenden Bestimmungen nicht ohne Mitberücksichtigung weiterer Bestimmungen beantworten lässt, insbesondere deshalb, weil sich ihr (gegebenenfalls verfassungsrechtlich bedenklicher) Inhalt erst mit Blick auf diese weiteren Bestimmungen erschließt. Ein solcher Zusammenhang kann sich aber auch daraus ergeben, dass diese weiteren Bestimmungen durch die Aufhebung der verfassungsrechtlich bedenklichen Normen einen völlig veränderten Inhalt erhielten (vgl. VfSlg. 8155/1977, 8461/1978 uva).
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Bereinigung der - wie folgend unter Punkt 1.3. dargelegt wird - verfassungswidrigen Rechtslage die Aufhebung der Wortfolge "oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr" in § 45 Abs. 5 erster Satz des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz - SchUG), BGBl. Nr. 472/1986 (WV) idF BGBl. I Nr. 35/2018, notwendig. Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen, dass durch die Aufhebung "mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall bildet", so wird auf die jüngste Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach eine zu weite Fassung eines Antrags diesen nicht in jedem Fall unzulässig macht. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen erfasst, führt dies - ist der Antrag in der Sache begründet - im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfGH 8.10.2014, G 83/2014 u.a.; 9.12.2014, G 136/2014 u.a.; 10.3.2015, G 203/2014 u.a.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies - wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind - im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrags und nicht mehr zur Zurückweisung des gesamten Antrags (VfGH 9.12.2014, G 136/2014 u.a.; 10.3.2015, G 203/2014 u.a.).
§ 45 Abs. 5 SchUG idgF sieht drei Tatbestände vor, die zur ex lege Beendigung des Schulbesuchs führen.
1. Das nicht gerechtfertigte Fernbleiben länger als eine Woche,
2. das nicht gerechtfertigte Fernbleiben an fünf nicht zusammenhängenden Tagen im Unterrichtsjahr und
3. das nicht gerechtfertigte Fernbleiben von 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr.
Gegenständlich wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 5 SchUG ex lege von Schulbesuch abgemeldet, da die Schule der Ansicht war, dass sie 30 nicht gerechtfertigte Unterrichtsstunden überschritten habe. Der dritte Tatbestand ist daher jedenfalls für das gegenständliche Verfahren präjudiziell. Da der weitere Tatbestand des Fehlens von fünf nicht zusammenhängenden Schultagen offensichtlich das tageweise berechnete Äquivalent zu den sich beliebig zusammensetzenden 30 Unterrichtsstunden des dritten Tatbestandes darstellen, stehen diese Tatbestände in einem untrennbaren Zusammenhang zueinander. Nicht zuletzt wird im Sinne des zu prüfenden Gesetzes ein Schultag auch dann als ganzer zu zählen sein, wenn an diesem nur eine einzige stundenplanmäßige Stunde vorgesehen ist und ein Schüler ungerechtfertigt fernbleibt. Somit handelt es sich gegebenenfalls um deckungsgleiche Tatbestände. Aus diesem Grund wird der Eventualantrag auf Aufhebung der Wortfolge "oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr" in § 45 Abs. 5 erster Satz SchUG gestellt.
1.3. Verfassungsrechtliche Bedenken
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10. 413/1985, 14. 842/1997, 15. 326/1998 und 16. 488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erfassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg. 13. 327/1993, 16. 407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB. VfSlg. 14. 039/1995, 16.407/2001). Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts sind diese Schranken im vorliegenden Fall überschritten.
Darüber hinaus hegt das Bundesverwaltungsgericht auch Bedenken hinsichtlich des in Art. 18 Abs. 1 B-VG verankerten Rechtsstaatsprinzips. Dieses gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde oder des Gerichts vorherbestimmt ist. Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelung sein können, ist dabei ganz allgemein davon auszugehen, dass Art. 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (zB VfSlg 19.700/2012 mwN). Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Determinierungsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl. VfSlg 8209/1977, 9883/1983, 12.947/1991). Bei der Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung sind daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz ermächtigt, verletzt die Regelung die in Art18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 16.137/2001 mwN, 20.130/2016).
Im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG bedarf es der Vorherbestimmung konkreter Rechtswirkungen (siehe VfSlg 19.934/2014; vgl. auch VfSlg 15.059/1997, 19.509/2011, sowie jüngst VfSlg. 20.235/2018).
§ 45 Abs. 5 SchUG idF BGBl. I Nr. 35/2018 erscheint in Zusammenhalt mit § 49 Abs. 1 SchUG unsachlich, da für ein und denselben Tatbestand (Verletzung von Schülerpflichten durch nicht gerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht), je nachdem, wie die Schule weiter vorgeht, eine unterschiedliche Rechtsfolge im Ergebnis bewirkt wird. Denn der Gesetzgeber des § 45 Abs. 5 SchUG und des § 49 Abs. 1 SchUG sieht nicht zwingend vor, ob in einem Fall wie dem Anlassfall, dass ein Schüler mehr als 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleibt, das Verfahren gemäß § 49 Abs. 1 SchUG einzuleiten ist oder ob die Schule auf Grund von § 45 Abs. 5 SchUG von der ex lege Abmeldung des Schülers auszugehen hat. Die jeweilige Vorgehensweise der Schule bewirkt letztlich unterschiedliche Rechtsfolgen mit unsachlich unterschiedlich ausgeprägtem Rechtschutz, wobei aus den Bestimmungen des SchUG nicht erkennbar ist, nach welchen Kriterien eine Anwendung von § 49 Abs. 1 leg. cit. bzw. von § 45 Abs. 5 geboten scheint. Darüber hinaus steht § 45 Abs. 5 SchUG, der de facto ex lege eine Verletzung von Schülerpflichtet ahndet, in keiner sachlichen Relation zu den sonstigen Schulausschlussgründen, die gemäß § 49 SchUG einem ordentlichen Verfahren unterliegen.
Ein Verstoß des Schülers gegen die ihm in § 45 Abs. 3 SchUG auferlegte Benachrichtigungspflicht kann in Extremfällen als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten qualifiziert werden und solcherart - vorausgesetzt, die Anwendung von Erziehungsmitteln ist erfolglos geblieben - zum Ausschluss des Schülers führen (siehe VwGH vom 24.11.1986, 86/10/0133). Dazu ist das gemäß § 49 SchUG vorgesehene Verfahren vorgesehen, welches ein förmliches Anhörungsrecht des Schülers vorsieht und unter Einbeziehung der Schulpartner nur auf Antrag der Schulkonferenz von der Behörde zu führen ist.
Dagegen erfolgt die Abmeldung § 45 Abs. 5 SchUG idF BGBl. I Nr. 35/2018 ex lege eine Woche nach fruchtlosem Ablauf der Aufforderung zur Rechtfertigung ohne, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf. Dies wiegt umso schwerer, als oft schon zum Zeitpunkt der Aufforderung bereits feststeht, dass das Fernbleiben nicht gerechtfertigt war, bzw. da sich die 5 Tage bzw. 30 Unterrichtsstunden über das gesamte Schuljahr verteilen können, eine Rechtfertigung in Folge Zeitablauf (etwa die Einholung eines ärztlichen Attestes nach mehreren Monaten) nicht mehr möglich ist.
In ihrem ursprünglichen Wortlaut diente die Bestimmung des § 45 Abs. 5 SchUG, idF BGBl. Nr. 472/1986, dazu, Schüler, die länger als eine Woche dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleiben, wenn zusätzlich auf Aufforderung nach einer weiteren Woche keine Mitteilung eintrifft, ex lege aus dem Schülerstand auszuscheiden. Dies scheint aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht bedenklich, zumal nach der mehr als zweiwöchigen Abwesenheit ohne Nachricht gemäß § 45 Abs. 5 letzter Satz SchUG, die Wiederaufnahme ermöglicht wird, wenn das Fernbleiben gerechtfertigt wird und rücksichtswürdige Gründe für das Unterbleiben der Mitteilung vorliegen.
Mit BGBl. I Nr. 35/2018 wurde der Tatbestand der ex lege Beendigung des Schulbesuches auch auf jene Fälle ausgeweitet, in denen ein Schüler innerhalb eines Unterrichtsjahres 5 nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden dem Unterricht fernbleibt.
Den parlamentarischen Materialien (siehe AA-18 26. GP 78) ist dazu zu entnehmen, dass die "Regelungen betreffend das Fernbleiben von der Schule auch für Schülerinnen und Schüler, die die Schulpflicht bereits beendet haben, nachgeschärft werden. Künftig soll an diese Schülerinnen und Schüler von mittleren und höheren Schulen ab dem sechsten Schultag - oder ab der 31. Unterrichtsstunde, dem bzw. der eine Schülerin oder ein Schüler in einem Unterrichtsjahr ferngeblieben ist, eine schriftliche Aufforderung ergehen, das Fernbleiben zu rechtfertigen. Dafür bleibt eine Woche Zeit ab Zustellung der schriftlichen Mitteilung. Sollte es keinen Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben geben oder diese Rechtfertigung nicht rechtzeitig erfolgen, gilt die betroffene Schülerin oder der betroffene Schüler wie bisher als vom Schulbesuch abgemeldet. Um eine Rechtfertigung zu überprüfen, kann auch ein ärztliches Attest verlangt werden (§ 45 Abs. 3)."
Aus dem Gesetzeswortlaut ist erkennbar, dass eine bloße Mitteilung über das Fernbleiben nicht ausreichend ist, um dieses zu rechtfertigen, sondern, dass ein gerechtfertigtes Fernbleiben zu belegen ist. Dazu kann gemäß § 45 Abs. 3 SchUG auch die Beibringung eines ärztlichen Attestes verlangt werden.
Unklar aus dem Gesetzeswortlaut bleibt, ob für den Eintritt der ex lege Abmeldung sämtliche 5 Tage bzw. 30 Unterrichtsstunden zu rechtfertigen sind, oder ob die Rechtsfolge nur dann Eintritt, wenn nach der Rechtfertigung noch 5 Tage bzw. 30 Unterrichtsstunden als ungerechtfertigt übrigbleiben. Neben einer ausreichenden Determinierung fehlt überhaupt eine Bestimmung, mit der der Schule die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Entscheidung zu erlassen. Zwar ist das Fernbleiben von der Schule (§ 45 SchUG) in § 70 Abs. 1 lit. j aufgezählt, jedoch tritt die im § 45 Abs. 5 iVm § 33 Abs. 1 lit. c SchUG vorgesehene Rechtsfolge (anders als zB. in Abs. 4 leg.cit.) ex lege ein, ohne dass eine diesbezügliche Entscheidung vorgesehen wäre. Dabei ist zu beachten, dass für Verfahren der Schule gemäß § 70 Abs. 1 SchUG die Bestimmungen des AVG keine Anwendung finden und nur in § 71 iVm § 70 SchUG aufgezählte Entscheidungen einem Widerspruch zugänglich sind.
Aus diesen Gründen erscheint nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes die beantragte Aufhebung der angefochtenen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof geboten.
2. Zu Spruchpunkt B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm. § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.
Schlagworte
ärztliche Bestätigung, Bestimmtheitsgebot, Fernbleiben vomEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W128.2221785.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.04.2020