Entscheidungsdatum
16.10.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W256 2222862-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Caroline Kimm als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Dr. Claudia Rosenmayr-Klemenz und dem fachkundigen Laienrichter Mag. Matthias Schachner als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Johannes Kröppel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen das Straferkenntnis der Datenschutzbehörde vom 28. Juni 2019, GZ: DSB-XXXX zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben
und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Am 29. November 2018 erhob der Beschwerdeführer bei der Landespolizeidirektion XXXX (im Folgenden: LPD) Anzeige gegen den Zulassungsbesitzer eines bestimmten Fahrzeuges wegen § 4 Abs. 1 lit. a StVO. Darin führte dieser - laut dem am 2. Dezember 2018 aufgenommenen Protokoll der LPD - aus, dass es am 29. November 2018 um 10:48 Uhr zu einer Kollision seines KFZs mit diesem Fahrzeug gekommen sei und im Zuge dessen der Außenspiegel seines KFZs beschädigt worden sei. Der Fahrer des angezeigten Fahrzeugs habe sein Fahrzeug jedoch nicht angehalten, sondern sei weitergefahren. Der Beschwerdeführer habe den Vorfall mittels einer Dash-Cam Anlage aufgezeichnet. Unter einem wurde ein ausgedrucktes Lichtbild durch den Beschwerdeführer vorgelegt, welches das in Rede stehende Fahrzeug nach der Kollision sowie weitere Fahrzeuge zeigt, wobei zumindest bei einem dieser Fahrzeuge (auch auf dem Ausdruck) das Kennzeichen erkennbar ist. Bilddaten von Personen finden sich (zumindest) auf diesem Ausdruck nicht.
Am 28. Jänner 2019 wurde der Beschwerdeführer durch ein Organ der LPD zu dem gegenständlichen Vorfall als Zeuge befragt. Dabei legte er ein weiteres ausgedrucktes Foto betreffend den gegenständlichen Vorfall vor. Darauf ist das an dem Vorfall beteiligte Fahrzeug erkennbar, wobei (zumindest) auf dem im Akt erliegenden Ausdruck das Kennzeichen nur schwer und die fahrende Person gar nicht erkennbar sind.
Mit E-Mail vom 28. Jänner 2019 brachte die LPD gegen den Beschwerdeführer wegen Missachtung des Datenschutzgesetzes bei der Datenschutzbehörde eine Anzeige ein. Darin wurde ausgeführt, dass im Fahrzeug des Beschwerdeführers zwei verbotene DASH-Kameras montiert gewesen seien. Unter einem wurde das Protokoll der Anzeige des Beschwerdeführers, die Einvernahme des Beschwerdeführers als Zeuge sowie die beiden im Zuge dessen vorgelegten ausgedruckten Lichtbilder der Datenschutzbehörde vorgelegt.
Daraufhin erließ die Datenschutzbehörde gegen den Beschwerdeführer am 21. Februar 2019 eine Strafverfügung. Darin wurde dem Beschwerdeführer folgendes (wortwörtlich auszugsweise wiedergegeben) zur Last gelegt:
"Sie haben als Verantwortlicher im Sinne des Art 4 Z 7 Datenschutz-Grundverordnung (DSGO) jedenfalls am 29. November 2018 um 10:48 Uhr ausgehend vom unten genannten Kraftfahrzeug und damit verbunden auf öffentlichen Verkehrsflächen, jedenfalls in XXXX , .... eine in dem von Ihnen gelenkten Fahrzeug der Marke Mazda mit
dem behördlichen Kennzeichen .... installierte Dash-Cam-Anlage
(Videoüberwachung) betrieben und verwendet. Dadurch wurden Bildaufnahmen von anderen Straßenverkehrsteilnehmern angefertigt. Die beiden Dash-Cams haben sowohl den vor, als auch den hinter ihrem Fahrzeug befindlichen öffentlichen Straßenverkehr erfasst und damit unzulässiger Weise öffentlichen Raum gefilmt und unzulässiger Weise in Rechte Dritter eingegriffen. Die gegenständlichen Bildaufnahmen wurden vorsätzlich zum Zweck der Dokumentation eines potentiellen Unfallgeschehens angefertigt und im konkreten Anlassfall (Kollision mit dem Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ...) ausgewertet."
Als verletzte Rechtsvorschriften wurden Art. 5 Abs. 1 lit a und c sowie Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angeführt und über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Stunden) verhängt sowie wurde er zum Ersatz eines Verfahrenskostenbeitrages von 50 Euro verhalten.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20. März 2019 Einspruch, mit welchem er die Strafverfügung insgesamt bekämpfte. Es sei zwar richtig, dass der Beschwerdeführer in seinem Fahrzeug eine Kamera installiert habe. Damit überwache er jedoch keinen öffentlichen Raum, sondern ausschließlich den Fahrbereich der Straße. Insofern würden keine Aufnahmen von Personen, sondern allenfalls von Fahrzeugen gemacht. Personen seien darauf nicht erkennbar und werde in diesem Zusammenhang auf die minimale Qualität der Bilder hingewiesen. Es gehe dem Beschwerdeführer bei der Verwendung der Dash-Cam nur darum, im Falle eines Unfalles einen Beweis in Händen zu haben. Keinesfalls wolle er den Verkehr permanent überwachen. Die angefertigten Bilder würden sich alle 3 Minuten selbst überschreiben, außer der Beschwerdeführer ziehe im Falle eines Unfalles eine Karte heraus. Dies sei am 29. November 2018 nur deshalb geschehen, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer beim Überholen den Außenspiegel des Beschwerdeführers beschädigt habe und dabei Fahrerflucht begangen habe. Die Datenverarbeitung sei dementsprechend dem Zweck angemessen und auf das für die Zwecke notwendige Maß beschränkt. Im Falle einer Straftat sei es von Interesse, den Täter auszuforschen. Im Übrigen verwies der Beschwerdeführer auf die ihm fehlende Vorwerfbarkeit der Strafe und die unangemessene Strafzumessung.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde in dessen Spruch die als erwiesen angenommene Tat in derselben, oben dargestellten Weise wie in der Strafverfügung beschrieben, wobei ergänzend folgendes festgehalten wurde:
"Die Videoüberwachung war somit nicht auf Bereiche beschränkt, welche in der ausschließlichen Verfügungsbefugnis des Verantwortlichen stehen, sie war somit nicht dem Zweck angemessen und nicht auf das notwendige Maß beschränkt."
Als verletzte Rechtsvorschriften wurden - wie in der Strafverfügung - Art. 5 Abs. 1 lit a und c sowie Art. 6 Abs. 1 der DSGVO angeführt und über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Stunden) verhängt sowie wurde er zum Ersatz eines Verfahrenskostenbeitrages von 50 Euro verhalten.
In der Begründung stellte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - fest, dass "zumindest seit dem 29.11.2018" im Innenraum des gegenständlichen Kraftfahrzeuges eine Dash-Cam-Anlage mit zwei Kameras installiert sei, welche den öffentlichen Straßenverkehr erfasse. Diese Videoüberwachungsanlage sei - wie aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers hervorgehe - nach wie vor im Fahrzeug installiert und filme diesen den Fahrbahnbereich der Straße. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, es liege im vorliegenden Fall unbestritten eine Bildaufnahme im Sinne des § 12 Abs. 1 DSG vor. Die "aufgezeichneten" Bilddaten würden jedenfalls personenbezogene Daten im Sinne des Art 4 Z 1 DSGVO darstellen und sei "aufgrund des Erhebens und Speicherns derselben jedenfalls auch eine Verarbeitung im Sinne des Art 4 Z 2 DSGVO gegeben". Der Beschwerdeführer sei als Verantwortlicher für die vorliegende Datenverarbeitung zu qualifizieren. Art. 5 DSGVO lege die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten fest und bestimme insbesondere dessen Abs. 1, dass personenbezogene Daten rechtmäßig verarbeitet werden müssen. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO sei die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sei, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen würden. Bezogen auf den Erwägungsgrund 47 der DSGVO und die vorliegende Fallkonstellation bedeute dies im Ergebnis, dass insbesondere, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftiger Weise nicht mit einer Verarbeitung rechnen müsse, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen könnten. Insofern habe für die Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattzufinden. Personen, die am Straßenverkehr teilnehmen, müssten jedoch vernünftiger Weise nicht damit rechnen, dass ihre personenbezogenen Daten auf diese Weise verarbeitet würden. Es könne nämlich keinesfalls behauptet werden, dass eine Speicherung von Bilddaten mithilfe einer in einem Kfz angebrachten Videokamera heutzutage der gängigen Praxis im Straßenverkehr entspreche. Da die vom Aufnahmebereich der gegenständlichen Dash-Cam erfassten Verkehrsteilnehmer insbesondere dann, wenn kein Unfallgeschehen vorliege, vernünftiger Weise nicht damit rechnen müssten, aufgenommen zu werden, verstoße der Betrieb der Bildaufnahme gegen die in Art. 5 der DSGVO normierten Grundsätze. Eine die Rechtmäßigkeit dieser Datenverarbeitung tragende Rechtsgrundlage sei nicht ersichtlich. Die Verhängung einer Strafe sei im vorliegenden Fall aus spezialpräventiven Gründen erforderlich, weil der Beschwerdeführer die Kameras - wie festgestellt - weiterhin im Einsatz habe.
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde des Beschwerdeführers, mit welcher das vorliegende Straferkenntnis zur Gänze angefochten wird. Darin bringt der Beschwerdeführer im Wesentlich wie bereits in seinem Einspruch vor. Ergänzend führt er aus, er habe die Kamera - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - unmittelbar nach Erhalt der Strafverfügung außer Betrieb genommen. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mündlich einvernommen, hätte er dies der belangten Behörde auch mitteilen können. Schließlich stellt der Beschwerdeführer den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Straferkenntnis aufheben bzw. in eventu die verhängte Geldstrafe erheblich mildern.
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin verwies die belangte Behörde u.a. darauf, dass sich das vorliegende Straferkenntnis allein auf den Tatzeitpunkt 29. November 2018, 10:48 Uhr bezogen habe und lediglich im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt worden sei, dass die Kamera weiter im Betrieb sei.
II. Beweiswürdigung:
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
Mit dem vorliegenden Straferkenntnis wurden dem Beschwerdeführer - wie bereits in der davor erlassenen Strafverfügung - zwei Übertretungen nach der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, in der Folge kurz "DSGVO) von der belangten Behörde vorgeworfen. Zum einen wurde dem Beschwerdeführer darin eine unrechtmäßige Datenverarbeitung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit a und Art 6 Abs. 1 der DSGVO zur Last gelegt, weil er am 29. November 2018 um 10:48 Uhr Bildaufnahmen im öffentlichen Straßenbereich von anderen Straßenverkehrsteilnehmern zum Zweck der Dokumentation eines potentiellen und zu diesem Zeitpunkt auch konkret an einem bestimmten (näher dargestellten) Ort erfolgten Unfallgeschehens angefertigt und insofern unzulässig in die Rechte Dritter eingegriffen habe. Zum anderen wurde ihm aufgrund dieses Verhaltens auch eine unverhältnismäßige Datenverarbeitung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit c der DSGVO angelastet. Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Erkenntnis im Wesentlichen zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer habe zwei Kameras in seinem Fahrzeug ("Dash-Cams") montiert, welche den öffentlichen Straßenbereich zum Zweck der Dokumentation eines potentiellen Unfallgeschehens erfassen würden. Da die vom Aufnahmebereich der Kameras erfassten Verkehrsteilnehmer, insbesondere, wenn kein Unfallgeschehen vorliege, vernünftiger Weise nicht damit rechnen müssten, aufgenommen zu werden, liege im Vergleich zu einem allfälligen Interesse am Betrieb der gegenständlichen Bildaufnahme ein überwiegendes Interesse der erfassten Verkehrsteilnehmer, nicht gefilmt zu werden gemäß Art 6 Abs. 1 lit. f der DSGVO vor. Eine Rechtsgrundlage sei daher nicht ersichtlich.
Festzuhalten ist, dass anhand der in Rede stehenden Kameras - wie den im Akt einliegenden ausgedruckten Lichtbildern zum Unfallgeschehen zu entnehmen ist - (zumindest) KFZ Kennzeichen Dritter erkennbar verarbeitet wurden und damit jedenfalls in den Anwendungsbereich der DSGVO fallende identifizierbare personenbezogene Daten im Sinne des Art 4 Z 1 der DSGVO vorliegen.
zum Vorwurf der unrechtmäßigen Datenverarbeitung:
Art. 5 DSGVO legt die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Demnach müssen nach Abs. 1 lit. a personenbezogene Daten u.a. auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden, wobei die notwendigen Voraussetzungen einer rechtmäßigen Verarbeitung in Art. 6 Abs. 1 lit. a bis f DSGVO explizit festgehalten sind.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz der rechtmäßigen Verarbeitung setzt demnach voraus, dass eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten entgegen der Bestimmung des Art 6 Abs. 1 lit.a bis f DSGVO vorliegt.
Im vorliegenden Fall stützte die belangte Behörde ihren Vorwurf der unrechtmäßigen Datenverarbeitung lediglich allgemein auf Art 6 Abs. 1 DSGVO. Die weitere im Spruch erfolgte Tatumschreibung, wonach durch die Verarbeitung unzulässig in Rechte Dritte eingegriffen werde, lässt jedoch (im Übrigen auch im Einklang mit der Begründung) den Schluss zu, dass damit eine Verarbeitung entgegen Art 6 Abs. 1 lit. f der DSGVO gemeint ist (siehe zur Zulässigkeit einer Präzisierung der rechtlichen Grundlage durch das Verwaltungsgericht u. a. VwGH, 17.02.2016, Ra 2016/04/0006 m.w.H.).
Nach dieser Bestimmung ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Art 6 Abs. 1 lit f DSGVO sieht dementsprechend - wie auch bereits Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 - zwei kumulative Voraussetzungen vor, damit eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, und zwar zum einen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses überhaupt erforderlich ist, und zum anderen, dass nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person(en) überwiegen.
Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde ohne auf ein Interesse an der Bildverarbeitung im konkreten Einzelfall überhaupt einzugehen, von einem überwiegenden Interesse sämtlicher Verkehrsteilnehmer, nicht gefilmt zu werden und damit von einer generellen Unzulässigkeit von Bildverarbeitung im öffentlichen Straßenbereich durch Private aus.
Zur Frage der Zulässigkeit von Bildverarbeitung im öffentlichen Raum durch Private hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. September 2016, Ro 2015/04/0011 und zwar in Zusammenhang mit einem Registrierungsverfahren zur alten Rechtslage vor der DSGVO bereits auseinandergesetzt. Darin führte er aus, dass allein aus dem Umstand, dass öffentlicher Raum gefilmt werde, für sich genommen nicht auf das Fehlen einer (in § 7 Abs. 1 DSG alt geforderten) entsprechenden rechtlichen Befugnis geschlossen werden könne. Dabei stützte sich der Verwaltungsgerichtshof u.a. maßgeblich auf den Schlussantrag von Generalanwalt Jääskinen in der Rs C-212/13, Rynes, Rn. 63ff, in dem betreffend eine fixe Überwachungskamera, mit der auch der öffentliche Straßenraum und das gegenüberliegende Haus aufgenommen wurde, anerkannt wurde, dass eine Videoüberwachung zum Schutz eines Hauses bzw. des Familienlebens der dort lebenden Personen einem berechtigten Interesse im Sinne des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46 dienen könne; die konkrete Zulässigkeit jedoch nach einer Interessenabwägung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen sei.
In diesem Sinne führte auch der Europäische Gerichtshof in seinem darauffolgenden Urteil vom 11. Dezember 2014 in der Rs C-212/13, Rynes aus, dass der Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens des für die Verarbeitung Verantwortlichen und seiner Familie ein berechtigtes Interesse für eine Videoüberwachung des öffentlichen Bereichs durch Private darstellen könne.
Der im angefochtenen Straferkenntnis zum Ausdruck gebrachten Auffassung der belangten Behörde, Videoüberwachung durch Private im öffentlichen Bereich sei schon allein deshalb unrechtmäßig, weil Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr eine solche vernünftiger Weise nicht erwarten würden und dementsprechend generell ein überwiegendes Interesse an der Nichterfassung ihrer Daten hätten, kann mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang gebracht werden.
Dass ein dem Betroffenen allfällig fehlendes Bewusstsein einer ihn betreffenden Datenverarbeitung jegliche Abwägung mit möglichen berechtigten Interessen eines Verantwortlichen an der Verarbeitung von vornherein überflüssig mache, kann auch dem von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang maßgeblich herangezogenen Erwägungsgrund 47 der DSGVO nicht entnommen werden. Vielmehr wird darin eben gerade angeführt, dass in einem solchen Fall sehr wohl eine Interessensabwägung vorzunehmen sei, die vernünftigen Erwartungen eines Betroffenen in Bezug auf eine seine Daten betreffende Verarbeitung dabei jedoch entsprechend zu berücksichtigen seien ("Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung kann durch die berechtigten Interessen eines Verantwortlichen .. begründet sein, sofern die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen; dabei sind
die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, ... zu
berücksichtigen.").
Im Übrigen darf auch nicht übersehen werden, dass selbst der österreichische Gesetzgeber in § 12 DSG, insbesondere in dessen Abs. 2 Z 4 eine (verhältnismäßige) Bildverarbeitung zu privaten Zwecken im öffentlichen Raum - ähnlich Art 6 Abs. 1 lit f der DSGVO - bei (überwiegenden) berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht nur für zulässig erklärt, sondern in Abs. 3 Z 1 und Z 2 vorbeugenden Schutz des Eigentums und des Lebens unter näher dargestellten Voraussetzungen sogar ausdrücklich als ein solches (überwiegend) berechtigtes Interesse bei Bildverarbeitung im öffentlichen Raum qualifiziert.
Bei der insofern gebotenen Interessenabwägung ist von Seiten des erkennenden Gerichts auf die Sache des vorliegenden Verfahrens Bedacht zu nehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf das Verwaltungsgericht nämlich nur über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens entscheiden, über die auch der Strafbescheid ergangen ist (siehe dazu VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226 u.v.m. sowie auch Kolonovits/MuzakStöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rn 1217).
"Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. etwa VwGH vom 24. Februar 2014, 2012/17/0462 m. w.N.). Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (siehe VwGH vom 28. Mai 2014, 2012/07/0033).
Dabei hat die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass keine Zweifel daran bestehen dürfen, wofür der Täter bestraft wird. Damit wird sichergestellt, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren und im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und er andererseits nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (siehe dazu Lewisch/Fister/Weilgung, VStG² § 44a (Stand 1.5.2017, rdb.at).
Ein Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt nicht in Betracht (vgl. dazu VwGH, 20.05.2019, Ra 2018/02/0043; siehe dazu auch Kolonovits/MuzakStöger, a.a.O., Rn 1216 ff).
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer (allein) angelastet, dass er zum Zeitpunkt eines bestimmten Unfallgeschehens (generell und damit nicht näher konkretisierte) Bilddaten von Straßenverkehrsteilnehmern zum Zweck der Dokumentation dieses Unfallgeschehens "angefertigt" (ermittelt) und "ausgewertet" (gespeichert) und insofern unrechtmäßig in die Rechte Dritter eingegriffen habe.
Eine über diesen Anlassfall hinausgehende Verarbeitung von Bilddaten wurde angesichts des explizit auf den Unfallzeitpunkt abgestellten Tatzeitpunktes (29. November 2019, 10:48 Uhr) und der weiteren - auf die Bildverarbeitung im "konkreten Anlassfall" beschränkten - Tatumschreibung ("Dadurch wurden Bildaufnahmen von anderen
Straßenverkehrsteilnehmern angefertigt. ... Die gegenständlichen
Bildaufnahmen wurden vorsätzlich zum Zweck der Dokumentation eines potentiellen Unfallgeschehens angefertigt und im konkreten Anlassfall (Kollision mit dem Fahrzeug ..) ausgewertet") vom vorliegenden Tatvorwurf und damit auch von der - bereits oben dargelegten - Prüfbefugnis des erkennenden Gerichts nicht umfasst (siehe zur Auswechslung der Tatzeit VwGH, 16.12.2015, Ro 2015/10/0013 sowie VwGH, 08.03.2017, Ra 2016/02/0226 m.w.H., wonach eine Ausdehnung des Tatzeitraumes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht keine Präzisierung, sondern eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG darstellt; siehe zur Auswechslung der Tat auch VwGH, 10.12.2008, 2004/17/0228).
Selbst die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift an das Bundesverwaltungsgericht aus, dass sich das gegenständliche Straferkenntnis ausschließlich auf den Tatzeitpunkt 29. November 2019, 10:48 Uhr und damit nicht auf einen weiteren Betrieb der in Rede stehenden Kameras bezogen habe.
Im Übrigen wäre ein anderer Tatvorwurf mit der (auf § 47 VStG gestützten) verfahrensrechtlichen Durchführung eines abgekürzten Verfahrens infolge einer (lediglich) auf den Unfall beschränkten Anzeige der LPD durch die belangte Behörde auch nicht vereinbar (siehe dazu insbesondere Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 47 (Stand 1.5.2017, rdb.at), wonach die Verwaltungsübertretung von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses angezeigt worden sein. Das bedeutet, dass das Organ die Verwaltungsübertretung in Ausübung seines Dienstes selbst unmittelbar mit all ihren Tatbestandsmerkmalen wahrgenommen haben muss).
Dass an der (Bild)Dokumentation eines konkreten Unfallgeschehens schon allein zum Zweck der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen ein erhebliches Interesse eines Unfallbeteiligten besteht, kann nicht in Zweifel gezogen werden.
Zwar kann demgegenüber nicht geleugnet werden, dass einem solchen auf eine effektive Rechtsdurchsetzung mittels Bildverarbeitung gerichtetem Interesse, das - bereits von der belangten Behörde aufgezeigte - Interesse eines von der Bildverarbeitung erfassten Verkehrsteilnehmers auf Datenschutz, nämlich selbst entscheiden zu können, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, gegenüberstehen kann. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass das Grundrecht des Einzelnen auf Schutz seiner Daten nicht absolut gilt, sondern - wie aus § 1 Ab. 2 DSG hervorgeht - eben durch bestimmte zulässige Eingriffe, wie z.B. bei (überwiegenden) berechtigten Interessen eines anderen beschränkt werden darf.
Das Bestehen eines solchen berechtigten Interesses hat - wie dem bereits von der belangten Behörde herangezogenen Erwägungsgrund 47 zu entnehmen ist - sorgfältig zu erfolgen, wobei auch zu prüfen ist, ob eine betroffene Person zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftiger Weise absehen kann, dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird.
Gerade Personen im Straßenverkehr setzen sich aber bewusst einer Öffentlichkeit und insofern einer ständigen Wahrnehmung durch Dritte aus. Spätestens im Fall eines Unfallgeschehens müssen diese vernünftiger Weise auch mit der Dokumentation ihres (Fahr)Verhaltens rechnen. Es kann daher - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht davon ausgegangen werden, dass Personen im Straßenverkehr vernünftiger Weise nicht mit einer Verarbeitung ihrer Daten rechnen würden.
Ein generelles überwiegendes Interesse von Personen im Straßenverkehr, nicht gefilmt zu werden, kann im Falle eines konkreten Unfallgeschehens und damit in einer Konstellation wie der vorliegenden daher nicht angenommen werden (siehe damit in Einklang nochmals § 12 Abs. 2 Z 4 DSG).
Der von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Straferkenntnis angelastete Verstoß gegen den Grundsatz einer rechtmäßigen Verarbeitung kann daher im vorliegenden Fall nicht aufrechterhalten werden.
Dabei ist der Ordnung halber nochmals ausdrücklich auf den vorliegenden auf einen konkreten Anlassfall bezogenen Prüfumfang des erkennenden Gerichts und insofern auf den Umstand, dass im vorliegenden Fall keine Aussage über die Zulässigkeit von anlassloser Bildverarbeitung im Straßenverkehr zum Zweck der Dokumentation eines lediglich allfälligen Unfallgeschehens getroffen werden konnte, hinzuweisen.
zum Vorwurf der unverhältnismäßigen Datenverarbeitung
Art 5 Abs. 1 lit. c DSGVO legt fest, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein muss.
Ein Verstoß gegen diese Bestimmung setzt demnach eine für den eigentlichen Zweck der Verarbeitung nicht erforderliche und damit unverhältnismäßige Datenverarbeitung voraus.
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer aufgrund der oben bereits dargestellten Bildverarbeitung auch ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit.c. DSGVO angelastet, weil damit Bilddaten von Straßenverkehrsteilnehmern generell unrechtmäßig und damit (wohl) auch unverhältnismäßig verarbeitet worden seien.
Allein der Umstand, dass allfällig Bilddaten anderer Straßenverkehrsteilnehmer im Zuge einer Datenverarbeitung zum Zweck der Dokumentation eines konkreten Unfalles verarbeitet werden, kann - wie bereits oben dargelegt - nicht ohne weiteres eine Unrechtmäßigkeit einer solchen Datenverarbeitung begründen. Ebenso wenig kann in einer solchen Datenverarbeitung daher per se eine Unverhältnismäßigkeit erblickt werden.
Sonstige Sachverhaltselemente, die die Beurteilung der belangten Behörde, es liege eine unverhältnismäßige Datenverarbeitung im konkreten Einzelfall vor, tragen könnten, finden sich im Tatvorwurf nicht.
Dabei wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer - laut seinen eigenen Angaben im Verwaltungsstrafverfahren - im Unfallzeitpunkt und damit im vorliegenden Tatzeitpunkt zumindest Bildmaterial von immerhin drei Minuten vor dem Unfallgeschehen ("mittels Herausziehen einer Karte") zum Zweck der Dokumentation des gegenständlichen Unfalles aufgezeichnet haben soll. Mit diesem Sachverhalt wurde der Beschwerdeführer aber zu keinem Zeitpunkt von der belangten Behörde konfrontiert.
Gerade der Vorwurf einer unverhältnismäßigen Datenverarbeitung setzt aber notwendig voraus, dass die Daten und auch das Ausmaß ihrer Verarbeitung im Tatvorwurf ausreichend dargestellt und dem Beschuldigten zur Kenntnis gebracht werden. Eine Beurteilung, ob eine Datenverarbeitung und ihr Ausmaß für einen bestimmten festgelegten Zweck überhaupt erforderlich und damit verhältnismäßig ist, kann ohne Kenntnis der Daten und des Ausmaßes ihrer Verarbeitung jedenfalls nicht erfolgen.
Die Aufnahme weiterer Sachverhaltselemente in Bezug auf das Ausmaß einer Datenverarbeitung wäre daher nicht als Präzisierung des Tatvorwurfs, sondern vielmehr als Austausch der eigentlichen Tathandlung zu qualifizieren.
Es ist dem erkennenden Gericht daher verwehrt, über den - von der belangten Behörde auf die generelle Unrechtmäßigkeit und damit in weiterer Folge auch Unverhältnismäßigkeit einer Bildverarbeitung im Straßenverkehr abzielenden - Tatvorwurf hinaus, eine Entscheidung zu treffen.
Das Straferkenntnis war daher spruchgemäß durch Senat aufzuheben und das vorliegende Verfahren, da die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013 einzustellen. Auf das sonstige Beschwerdevorbringen war daher nicht näher einzugehen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG waren keine Kosten aufzuerlegen, weil der Beschwerde Folge gegeben worden ist.
zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So fehlt es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob die konkrete Bezeichnung der Daten und des Ausmaßes ihrer Verarbeitung notwendiges und damit nicht auswechselbares Tatbestandsmerkmal des Vorwurfs einer Verwaltungsübertretung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO ist.
Schlagworte
abgekürztes Verfahren, berechtigtes Interesse, Bildverarbeitung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W256.2222862.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.04.2020