Entscheidungsdatum
15.11.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W189 2179120-1/8E
W189 2179128-1/8E
W189 2179125-1/6E
BESCHLUSS
I.
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen die Spruchpunkte I. und II. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, Zlen. 1.) 1026107105/14807303, 2.) 1026107410/14807281 und 3.) 1146519406/170359901, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2019:
A) Die Verfahren werden wegen Zurückziehung der Beschwerde
hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II.
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ukraine, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, Zlen. 1.) 1026107105/14807303, 2.) 1026107410/14807281 und 3.) 1146519406/170359901, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.06.2019, zu Recht erkannt:
A)
I. Den Beschwerden wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I. Nr. 100/2005, iVm § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, auf Dauer unzulässig ist.
II. Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, iVm § 9 und § 10 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017, wird XXXX und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung "jeweils in der Dauer von einem Jahr erteilt.
III. Die Spruchpunkte IV. werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Das Vorbringen der Beschwerdeführer steht in einem derartigen Zusammenhang bzw. ist soweit miteinander verknüpft, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller Beschwerdeführer abzuhandeln war. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) und sind beide die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin (BF3). Gemeinsam werden sie als die BF bezeichnet.
1. Die BF1 und BF2, Staatsangehörige der Ukraine, reisten gemeinsam legal mit dem Flugzeug am 20.07.2014 in das Bundesgebiet ein und stellten am nächsten Tag die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
2. Am XXXX kam die mj. BF3 im Bundesgebiet zur Welt und stellten ihre gesetzlichen Vertreter für Sie am 22.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
3. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Weiters wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 46 FPG die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Ukraine festgestellt. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).
Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
4. Am 25.06.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch statt, zu welcher BF und die belangte Behörde ordnungsgemäß geladen wurden. Im Rahmen ihrer jeweiligen Verhandlung wurde sowohl dem BF1, als auch der BF2 die Möglichkeit geboten ausführlich zu ihren Fluchtgründen und zu ihrer Situation in Österreich Stellung zu nehmen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zogen die Beschwerdeführer aus freien Stücken ihre Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. zurück.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird, dass die BF Staatsangehörige der Ukraine sind und aus XXXX stammen. Sie sind Zugehörige der Volksgruppe der Ukrainer und bekennen sich zum ukrainisch-orthodoxen Glauben. Der BF1 und die BF2 reisten gemeinsam in das Bundesgebiet ein. Die BF3 ist ein im Bundegebiet nachgeborenes minderjähriges Kind der BF.
Die BF haben außer der Schwester des BF1 und ihrer Familie keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich.
Die BF sind selbsterhaltungsfähig und konnte eine überdurchschnittliche Integration der BF im Bundesgebiet festgestellt werden.
Der BF1 hat mehrere Deutschkurse unter anderem einen C1-Kurs besucht und hat die Prüfung für das Deutsch-Niveau B1 bestanden. Der BF1 hat einen Erste-Hilfe-Grundkurs des Österreichischen Roten Kreuzes absolviert, hat die Rettungssanitäterausbildung abgeschlossen und ist regelmäßig ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig. Der BF1 hat seit 08.05.2016 eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe und ist Gesellschafter einer GmbH und kommt selbstständig für seinen Lebensunterhalt auf. Der BF1 ist Mitglied in einem Tischtennisverein und nimmt im Zuge dessen an Vereinsmeisterschaften teil.
Die BF2 hat mehrere Deutschkurse besucht und hat die Deutsch-Prüfung für das Niveau B1 absolviert. Die BF2 hat einen Erste-Hilfe-Grundkurs besucht und arbeitet regelmäßig ehrenamtlich bei "Essen auf Rädern". Die BF2 hat zudem zwei Empfehlungsschreiben vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass der BF2 im Falle einer arbeitsrechtlichen Genehmigung eine Stelle in einem Unternehmen angeboten wird. Die BF2 hat zudem in einem Turnverein vorgeturnt und hat im Kirchenchor mitgesungen.
Die BF sind Hauptmieter einer Mietwohnung mit einer Grundfläche von 60m² und bezahlen dafür einen monatlichen Mietzins von 240 EUR. Die BF beziehen seit 01.05.2016 keine Grundversorgung mehr und sind selbsterhaltungsfähig.
Die BF haben sich während ihres fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut sind als in ihrem Lebensumfeld sozial integriert anzusehen.
Die BF sind unbescholten und gesund.
Die BF zogen im Rahmen ihrer mündlichen Verhandlung die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides, mit welchen der Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen worden war (Spruchpunkt II.) zurück, womit diese Spruchpunkte in Rechtskraft erwuchsen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die Verwaltungsakten der belangten Behörde, durch Einvernahme der Beschwerdeführer im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.06.2019 sowie Einsichtnahme in die im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Beweismittel.
Aufgrund der im Verfahren vorliegenden Identitätsdokumente konnte die Identität der BF festgestellt werden.
Die Feststellungen zu den Lebensumständen im Herkunftsstaat, sowie die Feststellungen zu den Lebensumständen in Österreich, den Sprachkenntnissen der BF, dass diese besonderen Integrationsmerkmale vorweisen können, die eine überdurchschnittliche Integration im Bundesgebiet indizieren, sowie zu ihrem Gesundheitszustand, ergeben sich insbesondere aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 25.06.2019 und den vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung, dass die BF keine Leistungen aus der Grundversorgung beziehen beruhen auf einem aktuellen Auszug aus dem Grundversorgungsystem.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF1 und der BF2 ergibt sich aus dem österreichischen Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu I.)
3.1.1. § 7 Abs. 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018 (im Folgenden: VwGVG), normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheids ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Eine Zurückziehung der Beschwerde durch die beschwerdeführende Partei ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Mit der Zurückziehung ist das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei weggefallen, womit einer Sachentscheidung die Grundlage entzogen und die Einstellung des betreffenden Verfahrens - in dem von der Zurückziehung betroffenen Umfang - auszusprechen ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2015, § 7 VwGVG, Rz 20; Eder/Martschin/Schmid,
Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, § 7 VwGVG, K 5 ff.).
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zu Berufungen Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63, Rz 75 mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
3.1.2. Eine solche Erklärung liegt im vorliegenden Fall vor, weil die Beschwerdeführer die Zurückziehung der Beschwerden im Rahmen der Beschwerdeverhandlung klar zum Ausdruck gebracht haben; einer Sachentscheidung durch das Gericht ist damit die Grundlage entzogen.
Die Beschwerdeverfahren sind daher mit Beschluss einzustellen (vgl. dazu VwGH 29.04.2015, 2014/20/0047, wonach aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervorgeht, dass eine bloß formlose Beendigung [etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes] eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt).
3.2. Zu II.)
3.2.1. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 leg.cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.
§ 55 AsylG 2005 lautet:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ,Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
§ 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet auszugsweise:
"Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
[...]"
Die BF befinden sich seit Juli 2014 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die BF sind als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigten Drittstaatsangehörige und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidungen endet.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Die Tatsache, dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, mindert das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des/der Asylwerbers/Asylwerberin hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.
Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. 4. 2006, 2005/18/0560, dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11. 10. 2005, 2002/21/0124; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.).
Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutsch-Kenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des/der Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse, ausreichender Wohnraum und die Teilnahme am sozialen Leben sein. In Anbetracht der meistens nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des "abgeschwächten" Aufenthaltsrechts werden strafgerichtliche Verurteilungen die Interessenabwägung erheblich zuungunsten der privaten Interessen verschieben. Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).
Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).
Die BF verfügen über Familienangehörigen im Bundesgebiet, da die Schwester des BF1 mit ihrer Familie in Österreich lebt. Da der BF1 jedoch nach eigenen Angaben kein besonders enges Verhältnis bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Schwester aufweist, stellt die Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF auf Schutz des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK dar.
Unzweifelhaft besteht jedoch ein Privatleben der BF, denn sie halten sich bereits seit Juli 2014 im Bundesgebiet auf.
Die Aufenthaltsdauer der BF ist somit nicht mehr als "eher kürzer" zu bewerten und verstärkt daher grundsätzlich ihr Interesse am Verbleib. Von der in diesem Zusammenhang vom Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Judikatur, die bei einem über zehnjährigen Aufenthalt (sofern diese Dauer nicht durch gewisse Umstände relativiert wird) regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich ausgeht, ist die Länge des Aufenthalts der BF noch nicht als solche zu bewerten, dass diese das Interesse des Verbleibs zum Überwiegen bringen würde oder die Aufenthaltsdauer in ihrer Gesamtheit nicht hinreichende Privatinteressen am Verbleib maßgeblich aufwerten könnten. Der bisherige Aufenthalt der BF war aufgrund des laufenden Verfahrens betreffend ihres Antrages auf internationalen Schutz seit zumindest Juli 2014 rechtmäßig.
Die BF reisten im Juli 2014 legal in Österreich ein und stellten einen Antrag auf internationalen Schutz. Die BF sind seitdem aufgrund von Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz durchgehend legal im Bundesgebiet aufhältig.
Am XXXX wurde die BF3 in Österreich geboren. Die BF3 ist das gemeinsame Kind des BF1 und der BF2.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vermochte sich das Bundesverwaltungsgericht davon zu überzeugen, dass der BF1 und die BF2 über gute Deutschkenntnisse verfügen und sie infolge der Dauer des Asylverfahrens Bindungen zum Bundesgebiet aufgebaut haben. Weiters vermochte der BF1 glaubhaft zu machen, dass er aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Gesellschafter eines Unternehmens selbsterhaltungsfähig ist. Auch die BF2 konnte glaubhaft machen, dass sie gewillt ist zu versuchen, aus eigenen Kräften für ihren Lebensunterhalt aufzukommen und dies auch künftig tun und sich so weiterhin in die österreichische Gesellschaft und insbesondere auch am österreichischen Arbeitsmarkt integrieren wird. Für den Fall, dass die BF2 in Österreich ein Aufenthaltsrecht erhält, hat sie schon Einstellungszusagen von zwei Unternehmen, was auch ihr Bestreben nach Selbsterhaltungsfähigkeit belegt.
Der BF1 und die BF2 erlernten die deutsche Sprache, die sie mittlerweile auf dem Niveau B1 beherrschen. Die BF bemühten sich im Zuge ihres bisherigen Aufenthaltes sichtlich um die Erlernung der deutschen Sprache. So haben Sie nach erfolgreichem Abschluss der B1 Prüfung auch einen C1-Kurs besucht. Die Beschwerdeführer beziehen auch keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr, sondern sind selbsterhaltungsfähig.
Für eine außergewöhnliche Integration der BF spricht außerdem, dass die BF in ihrer Wohnsitzgemeinde gemeinnützige Tätigkeiten verrichtet haben. Sowohl der BF1 als auch die BF2 sind ehrenamtlich beim Roten Kreuz engagiert und der BF1 ist nebenbei noch in einem Tischtennisverein tätig. Die BF2 hat in einem Turnverein vorgeturnt und hat zudem in einem Kirchenchor gesungen. Die fortgeschrittene Integration der BFzeigt sich außerdem anhand der zahlreichen Unterstützungsschreiben, die darauf schließen lassen, dass die BF bereits einen großen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich haben.
Insgesamt kann im Falle der BF von einer außergewöhnlichen Integration ausgegangen werden. Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Da somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt, war in Erledigung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid eine die BF betreffende Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären.
Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in diesem vorliegenden Beschwerdefall die privaten Interessen der BF angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen die BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privatlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die BF auf Dauer unzulässig ist.
3.2.3. § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idgF, mit der Überschrift "Modul 1 Integrationsvereinbarung" lautet:
"(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1."
§ 10 Abs. 2 IntG mit der Überschrift "Modul 2 der Integrationsvereinbarung" lautet:
"Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 12 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,
6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,
7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder
8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt."
§ 12 Abs. 2 und Abs. 3 IntG mit der Überschrift "Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2" lauten:
(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte Kenntnisse der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung auf dem Sprachniveau B1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über vertiefte Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.
(3) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 2 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen."
§ 11 IntG lautet:
Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1
§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab durchgeführt.
(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.
(3) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.
(4) Über die Gleichwertigkeit eines Nachweises gemäß § 9 Abs. 4 Z 2 entscheidet der Österreichische Integrationsfonds mit Bescheid auf schriftlichen Antrag einer Einrichtung, die beabsichtigt die Integrationsprüfung durchzuführen, nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß Abs. 5.
(5) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 sowie die Kriterien für die Prüfung der Gleichwertigkeit werden durch Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.
(6) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit mit Bescheid entziehen, wenn die Integrationsprüfung nicht der Verordnung gemäß Abs. 5 entspricht. Nach einem Entzug der Zertifizierung ist eine neuerliche Antragstellung zur Zertifizierung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten zulässig.
Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:
Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl. I Nr. 68/2017) lauten:
Gemäß § 14a Abs. 1 erster Satz NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1, Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt,
[...]
Nähere Bestimmungen über die Durchführung von Deutsch-Integrationskursen und den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 sowie über Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen (§ 14a Abs. 6 NAG). Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl II Nr. 449/2005 bestimmt Folgendes: § 7 (1) Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben.
(2) Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Nivau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF.
Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.
In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.
Im gegenständlichen Fall verfügen der BF1 und die BF2 über ein Zeugnis des ÖIF hinsichtlich der Absolvierung der Prüfung B1 vom 04.12.2015, weshalb sie das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14b NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben und ihnen eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen ist.
Der minderjährigen, im Kleinkindalter befindlichen BF3, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
Da die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG im Falle der BF in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzuständigkeit von sie betreffenden Rückkehrentscheidungen gegeben sind war den BF eine "Aufenthaltsberechtigung plus" bzw. eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen. Die faktische Ausstellung der entsprechenden Karten fällt unter die Kompetenz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Da mit der Zuerkennung der Aufenthaltsberechtigung die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides wegfallen, ist dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Asylantragstellung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W189.2179125.1.00Zuletzt aktualisiert am
14.04.2020