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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der S M in Wien, geboren 1960, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1995, Zl. 302.663/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin heiratete am 28. Oktober 1993 vor dem Standesamt Wien-Währing einen österreichischen Staatsbürger. Davor und in der Folge wurden der Beschwerdeführerin Touristensichtvermerke ausgestellt, so vom 24. November 1993 mit Gültigkeit bis zum 24. Dezember 1993 und vom 24. Februar 1994 mit Gültigkeit bis 18. März 1994. Am 4. Mai 1994 stellte die Beschwerdeführerin einen "Erstantrag" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, welcher am 11. Mai 1994 bei der Erstbehörde einlangte. Dieser Antrag wurde mit (rechtskräftigem) Bescheid der Erstbehörde vom 26. August 1994 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
In der Folge stellte die Beschwerdeführerin über die österreichische Botschaft in Budapest den vorliegenden "Erstantrag" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG, welcher am 27. März 1995 bei der Erstbehörde einlangte. Diese wies mit Bescheid vom 4. April 1995 den Antrag gestützt auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) ab.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde wies diese im Instanzenzug den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. (richtig wohl) 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab. Die erwähnte Ehe der Beschwerdeführerin mit dem österreichischen Staatsbürger sei mit (rechtskräftigem) Urteil vom 19. April 1995 für nichtig erklärt worden. Die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zur Beschaffung von fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen stelle ein Verhalten dar, das dazu führe, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß nur "die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich" bestünden. Auch in ihrer Berufung habe sie keine Gründe vorbringen können, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeigeführt hätten. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen im Sinne des Art. 8 MRK, sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin bekämpft nicht die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, daß die von ihr mit einem österreichischen Staatsbürger am 28. Oktober 1993 geschlossene Ehe mit dem erwähnten Urteil vom 19. April 1995 rechtskräftig für nichtig erklärt wurde.
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung nach dem genannten Gesetz Fremden unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn bei ihnen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Eheschließung ausschließlich oder überwiegend zur Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Rechtsmißbrauch und damit ein Verhalten, das auch ohne zusätzliche Anhaltspunkte den Schluß rechtfertigt, daß der (weitere) Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung (nicht die öffentliche Ruhe oder die öffentliche Sicherheit) gefährden würde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1995, Zl. 95/21/0191, vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0671, vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1425 und vom 19. April 1996, Zl. 96/19/0645, mwN).
Aus den in den Entscheidungsgründen des Urteiles im Ehenichtigkeitsprozeß vom 19. April 1995 getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß das Gericht davon ausging, daß die gegenständliche Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, der Beschwerdeführerin eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen, wobei die Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft nie geplant war und auch nicht erfolgt ist.
Der belangten Behörde kann somit kein Rechtsirrtum mit Erfolg vorgehalten werden, wenn sie das Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG bejahte.
Die Beschwerdeführerin bringt vor dem Gerichtshof vor, das Ehenichtigkeitsurteil sei nur infolge eines Rechtsirrtums der Beklagten (Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte) rechtskräftig geworden. Dies folge schon daraus, daß die Beschwerdeführerin und der österreichische Staatsbürger am 26. Juni 1995 bereits wieder geheiratet hätten. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf die im Akt erliegende (offenbar im Juli 1995 der Erstbehörde vorgelegte) diesbezügliche Heiratsurkunde.
Wenn auch die Verwaltungsbehörden das Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes selbständig zu beurteilen haben, so sind sie doch an den rechtskräftigen Urteilsspruch über das Bestehen einer "Scheinehe" in dessen Umfang gebunden. Die Rechtskraft des Ehenichtigkeitsurteiles steht einer anderen Beurteilung durch die Verwaltungsbehörden entgegen. Diese haben daher bei der Beurteilung der Vorfrage, ob eine "Scheinehe" vorliegt, vom Spruch und den tragenden Gründen der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung auszugehen. Im Beschwerdefall bedeutet dies, daß - solange das gerichtliche Urteil vom 19. April 1995 nicht beseitigt ist - die belangte Behörde davon auszugehen hatte, daß der Eheabschluß der Beschwerdeführerin am 28. Oktober 1993 aus den im Urteil dargelegten Gründen erfolgte und daher nichtig war.
Die Beschwerdeführerin hat die erwähnte Urkunde über ihre Eheschließung am 26. Juni 1995 nach dem Akteninhalt ohne weiteres Vorbringen vorgelegt. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, weitere Überlegungen im Rahmen der von ihr anzustellenden Prognose vorzunehmen, ob der (weitere) Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich geeignet sei, die öffentliche Ordnung zu stören. Sie durfte im Sinne der ständigen Rechtsprechung davon ausgehen, daß die Eheschließung am 28. Oktober 1993 mit der Absicht, sich fremdenrechtlich bedeutsame Vorteile zu verschaffen, als Anhaltspunkt dafür genüge, daß ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung bedeute und zwar auch dann, wenn sie neuerlich eine Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger (im Beschwerdefall mit ihrem ehemaligen Gatten) schloß.
Schon das erst kurze Zurückliegen der Scheinehe würde auch im Hinblick auf das (aktenkundige) erst kurz bestehende neue Eheband würden den Eingriff in ein allenfalls bestehendes Recht der Beschwerdeführerin auf Familiennachzug zu ihrem Ehegatten nach Art. 8 MRK rechtfertigen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im übrigen nicht näher dargelegten Beziehung zu ihren beiden Söhnen (nach der Aktenlage: aus einer früheren im Ausland geschlossenen und geschiedenen Ehe - vgl. Blatt 48 des Verwaltungsaktes).
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995191242.X00Im RIS seit
02.05.2001