TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/8 95/19/1155

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Veröffentlicht am 08.05.1998
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E2A Assoziierung Türkei;
E2A E02401013;
E2A E11401020;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

21964A1229(01) AssAbk Türkei ;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §1 Z2;
B-VG Art7 Abs1;
EURallg;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des S Ö in Wien, geboren 1949, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juni 1995, Zl. 101.045/7-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, verfügte nach der Aktenlage über einen am 22. September 1992 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerk mit der Gültigkeitsdauer bis zum 30. Jänner 1993. Nach seinen eigenen Angaben (vgl. das Schreiben vom 12. Jänner 1994 sowie die niederschriftliche Einvernahme vom 1. Dezember 1994) befand sich der Beschwerdeführer in der Folge ohne gültigen Aufenthaltstitel im Inland. Hier heiratete er am 20. Dezember 1993 eine österreichische Staatsbürgerin.

Mit seinem am 25. Jänner 1994 bei der Erstbehörde eingelangten "Erstantrag" begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG). In diesem gab er als seinen Wohnsitz eine Anschrift in Wien an. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Erstbehörde vom 30. Jänner 1994 abgewiesen. In seiner dagegen erhobenen Berufung vom 11. Februar 1994 führte der Beschwerdeführer u.a. aus, daß er sich bereits seit 30. Oktober 1991 in Österreich aufhalte. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Oktober 1994 gab diese der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und wies den Antrag vom 25. Jänner 1994 gemäß § 4 Abs. 1 und § 9 Abs. 3 AufG ab. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer stellte nunmehr die vorliegenden "Erstanträge" auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG, welche am 30. November 1994 bzw. am 12. Dezember 1994 bei der Erstbehörde einlangten. Beide Anträge wurden nach dem Ausweis der Verwaltungsakten in der Slowakei zur Post gegeben, der zweite nach dem (lesbaren) Poststempel am 26. November 1994. In beiden Anträgen führte er als seinen Wohnsitz eine Anschrift in Wien an.

Beide Anträge wurden mit Bescheid der Erstbehörde vom 13. April 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen. Die Behörde erster Instanz ging dabei von einer sichtvermerksfreien Einreise des Beschwerdeführers aus.

In seiner Berufung vom 9. Mai 1995 führte der Beschwerdeführer aus, daß eine sichtvermerksfreie Einreise nicht vorliege; für ihn als türkischen Staatsbürger bestehe "diese formlose Form eines Touristenvisums" nicht. Er habe auch keinen Touristensichtvermerk "besessen". Der Berufung ist weiters zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer von seinem Aufenthalt im Inland ausgeht. Er beruft sich überdies auf das "Assoziierungsabkommen zwischen EU und Türkei" und leitet aus diesem das Recht ab, eine Aufenthaltsberechtigung zu erhalten, wenn er im Bundesgebiet länger als ein Jahr legal gearbeitet habe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der ersten Instanz vom 13. April 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Obwohl in der Begründung des bekämpften Bescheides nur der Antrag vom 30. November 1994 erwähnt ist, geht der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf den Spruch des Bescheides davon aus, daß damit auch über den Antrag vom 12. Dezember 1994 entschieden werden sollte und dieser Antrag offenbar versehentlich nicht erwähnt wurde.

Der Beschwerdeführer bestreitet auch vor dem Gerichtshof nicht, daß er sich nach dem Ablauf seines letzten Sichtvermerkes mit 30. Jänner 1993 illegal in Österreich aufgehalten hat. Er führt aber weiters - zusammengefaßt - aus, daß er weder auf Grund eines Touristensichtvermerkes noch sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist sei; eine Umgehung der Grenzkontrolle im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 7 FrG liege tatsächlich nicht vor. Der "bloß illegale Aufenthalt in Österreich" bilde keinen Versagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG.

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (11. Juli 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

Nach § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden u.a. dann nicht erteilt werden, wenn bei ihnen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll.

In dem vom Beschwerdeführer angegebenen Zeitpunkt seiner (ersten) Einreise in das Bundesgebiet (30. Oktober 1991) - vgl. seine Berufung vom 11. Februar 1994 - galt grundsätzlich bereits die mit 17. Jänner 1990 wiedereingeführte Sichtvermerkspflicht für türkische Staatsangehörige (vgl. die Erklärung des Bundespräsidenten über die teilweise Aussetzung des Europäischen Abkommens über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates, BGBl. Nr. 67/1990, und die Kundmachung des Bundeskanzlers vom 23. Jänner 1990 betreffend die teilweise Aufhebung des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der türkischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 66/1990).

Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 10. Jänner 1995 hat er zumindest einen der hier vorliegenden Anträge von der Slowakei aus gestellt und ist anschließend wieder nach Österreich eingereist. Die belangte Behörde konnte daher davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe seinen (unrechtmäßigen) Aufenthalt im Inland zunächst beendet, sei aber - nach Ansicht der belangten Behörde sichtvermerksfrei (ein Fall des § 14 Abs. 3 FrG liegt nicht vor) - (wieder) in das Bundesgebiet eingereist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG bereits dann verwirklicht, wenn sich der Fremde in dem für die Entscheidung der Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit Touristensichtvermerk oder sichtsvermerksfrei erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. die hg. Erkenntnisse je vom 3. April 1998, Zl. 96/19/0034, und Zl. 96/19/1637, mwN).

Der Beschwerdeführer hielt sich unbestritten zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides (illegal) im Inland auf. Ist diese Einreise ausnahmsweise sichtvermerksfrei (vgl. etwa den dem hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/0034, zugrundeliegenden Sachverhalt und die darin erwähnte Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1990, BGBl. Nr. 95a/1990) oder aber auf Grund eines Touristensichtvermerkes erfolgt, so hat der Beschwerdeführer den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht. Daran ändert auch nichts der Umstand der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Daß nämlich Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern, die nach Ablauf ihres Aufenthaltstitels wieder ausgereist sind, die Entscheidung über ihren nicht quotenabhängigen Erstantrag (vgl. § 1 Z. 2 der im Beschwerdefall anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 408/1995) im Ausland abzuwarten haben, erscheint nicht unsachlich. Die Anwendung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG wird daher durch die Ausnahmebestimmungen des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 (vgl. insbesondere deren § 3 Z. 4) jedenfalls im vorliegenden Fall nicht berührt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/1910).

Sollte der Beschwerdeführer aber nicht sichtvermerksfrei eingereist sein, so ist - in Ermangelung einer Behauptung eines (sonstigen) Einreisetitels - davon auszugehen, daß er unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist ist. Eine unrechtmäßige (Wieder)einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt verwirklichen aber jedenfalls den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/1637, mwN). An der Unrechtmäßigkeit der Einreise vermochte auch ein allenfalls rechtmäßiger späterer Aufenthalt nach dem Assoziierungsabkommen nichts zu ändern.

Die belangte Behörde hätte dann zwar allenfalls zu Unrecht den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen, doch kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, daß die Behörde ihre Entscheidung betreffend die Versagung eines Sichtvermerkes nicht auf die richtigerweise anzuwendende Z. 4 (anstatt 6) des § 10 Abs. 1 FrG stützt, den Fremden nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/1637, mwN).

Insoferne der Beschwerdeführer eine mangelhafte Bedachtnahme auf das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben durch die belangte Behörde rügt, ist ihm zu entgegnen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen von Fremden sowohl bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG als auch bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (bei unrechtmäßiger Einreise) gestützten Entscheidung nicht vorgesehen ist (vgl. wiederum das zitierte Erkenntnis vom 3. April 1998, Zl. 96/19/1637, m.w.N.).

Aus diesem Grunde ist auch auf das unter dem Gesichtspunkt von Verletzung von Verfahrensvorschriften erstattete Vorbringen vor allem betreffend die aufrechte eheliche Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers, nicht weiter einzugehen.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf ein ihm als türkischen Staatsbürger behauptetermaßen zustehendes Recht auf Grund des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates und somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 98/19/0009, mit weiteren Nachweisen) beruft, ist dies für den Beschwerdefall nicht von Bedeutung. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß ein illegaler Aufenthalt in Österreich beginnend mit Ablauf seines Wiedereinreisesichtvermerkes mit 30. Jänner 1993 und vor allem die Einreise nach Antragstellung in der Slowakei vor Inkrafttreten des Gemeinschaftsrechts in Österreich (1. Jänner 1995) lagen. Gemeinschaftsrecht konnte daher eine davor gelegene unrechtmäßige Einreise und einen daran anschließenden (illegalen) Aufenthalt mangels behaupteter oder ersichtlicher Rückwirkung nicht rechtmäßig machen. Dies gilt jedenfalls auch für eine sichtvermerksfreie oder auf einen Touristensichtvermerk beruhende Einreise vor Antragstellung und vor Inkrafttreten des Gemeinschaftsrechtes.

Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191155.X00

Im RIS seit

02.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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