TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/19 G304 2225397-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G304 2225397-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde der XXXX (geboren: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Ungarn, vertreten durch Migrantenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 03.05.2019, wurde gegen die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, "die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht abzuerkennen" (damit offenbar gemeint: der Beschwerde die vom BFA aberkannte aufschiebende Wirkung zuzuerkennen), und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 14.11.2019 vorgelegt.

4. Am 23.12.2019 langte beim BVwG eine Stellungnahme des BFA zur Beschwerde ein. Diese Nachreichung ist am 07.01.2020 bei der Gerichtsabteilung G304 in der Außenstelle Graz eingelangt. Das BFA teilte mit:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilt zur anhängigen Beschwerde folgendes mit: Im Zuge der versuchten Abschiebung erlangte das BFA davon Kenntnis, dass es sich sowohl bei der Meldeadresse um eine Scheinmeldung handelt als auch um die Arbeitsadresse laut AJ-WEB. Die Person benutzt somit nicht nur eine Scheinmeldung im ZMR, sondern auch eine Scheinanmeldung in der Sozialversicherung, um eine Erwerbstätigkeit vorzutäuschen. Es werden in der Beilage die entsprechenden Berichte der LPD (...) übermittelt. Das BFA beantragt daher neuerlich die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung der BFA-Entscheidung." (letzter Satz fettgedruckt und unterstrichen).

Dieser Mitteilung des BFA wurden LPD-Berichte vom 17.12.2019 und 18.12.2019 beigefügt, wobei laut LPD-Bericht vom 17.12.2019 nach durchgeführter polizeilicher Nachschau an der vermeintlichen Arbeitsplatzadresse der BF bezüglich der angeblich von der BF zuletzt im Bundesgebiet ausgeübten Erwerbstätigkeit eine Scheinanmeldung zur Sozialversicherung bzw. die Vortäuschung einer Erwerbstätigkeit und laut LPD-Bericht vom 19.12.2019 nach durchgeführter polizeilicher Hauserhebung an der bekannten Meldeadresse der BF eine Scheinmeldung festgestellt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist ungarische Staatsangehörige.

1.2. Sie hat in Österreich einen nigerianischen Staatsbürger geheiratet, um ihm zu einem Aufenthaltsrecht in Österreich zu verhelfen.

1.3. Die BF hält sich seit Februar 2017 im Bundesgebiet auf und ist seit 04.09.2015 im Besitz einer Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer). Der nigerianische Staatsbürger, dem die BF in Österreich durch Heirat ein Aufenthaltsrecht verschafft hat, stellte am 14.08.2017, dem Tag ihrer gemeinsamen Wohnsitznahme, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers)". Das diesbezügliche NAG-Verfahren ist noch offen.

1.4. Die BF wurde im Bundesgebiet einmal strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

* Urteil von Jänner 2019, rechtskräftig mit August 2019, wegen Eingehens und Vermittlung einer Aufenthaltsehe zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je EUR 4,00, im Nichteinbringungsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

1.4.1. Dem Strafrechtsurteil von Jänner 2019 lagen folgende strafbare Handlungen des BF zugrunde:

Die BF hat am 27.06.2017 im Bundesgebiet als ungarische Staatsbürgerin, mithin als eine zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigte Fremde, eine Ehe mit einem Fremden, nämlich dem nigerianischen Staatsangehörigen (...), geschlossen, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen, obwohl sie wusste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels bzw. für die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf diese Ehe berufen wollte.

1.4.2. Bei der Strafbemessung dieses Urteils wurde der bisherige ordentliche Lebenswandel "mildernd", demgegenüber kein Umstand "erschwerend" gewertet.

1.5. Die BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, im Gegensatz dazu jedoch in Ungarn zwei Kinder, gegenüber denen dem Strafrechtsurteil von Jänner 2019 folgend keine Sorgepflichten bestehen - einen Sohn und eine Tochter.

1.6. Laut AJ-WEB - Auskunftsverfahren war die BF im Bundesgebiet von Juni 2017 bis September 2017, von Dezember 2017 bis März 2018 und von Dezember 2018 bis März 2019 und ist sie nunmehr seit Oktober 2019 zur Sozialversicherung angemeldet.

Bezüglich der von der BF vermeintlich im Bundesgebiet zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit wurde nach Nachschau an der vermeintlichen Arbeitsplatzadresse der BF im Dezember 2019 von der Polizei eine Scheinanmeldung zur Sozialversicherung festgestellt. Dies wurde dem BVwG mit Schreiben des BFA vom 18.12.2019 ebenso mitgeteilt wie das polizeiliche Erhebungsergebnis einer Scheinmeldung bezüglich der bekannten Meldeadresse der BF.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang beruht auf dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsaktes.

2.2. Zur Person der BF und seinen individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Dass die BF in Österreich einen nigerianischen Staatsbürger geheiratet hat, um ihm zu einem Aufenthaltsrecht zu verhelfen, beruht auf die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung der BF von August 2019 wegen Eingehens und Vermittlung einer Aufenthaltsehe zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 800,00), im Nichteinbringungsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe.

Die näheren Feststellungen zu den dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen beruhen auf dem Inhalt des dem Verwaltungsakt einliegenden Strafrechtsurteils.

2.2.3. Die Feststellung, dass die BF in Österreich keine Familienangehörigen hat, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Die Feststellung, dass die BF in Ungarn zwei Kinder - einen Sohn und eine Tochter - hat, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen in der schriftlichen Stellungnahme der Rechtsvertretung der BF von Oktober 2019. Dass sie gegenüber ihren in Ungarn aufhältigen Kindern keine Sorgepflichten hat, ergab sich aus Seite 2 des Strafrechtsurteils von Jänner 2019.

2.2.4. Die die BF und ihren Mitbewohner betreffenden aktuellen Zentralmelderegister-Meldungen stellten sich nach polizeilicher Hauserhebung an der vermeintlichen gemeinsamen Meldeadresse als Scheinmeldungen heraus. Dies wurde dem BVwG mit einem am 23.12.2019 beim BVwG und am 07.01.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung G304 eingelangten Schreiben vom 18.12.2019 mitgeteilt und mit einem dieser Mitteilung beigelegten dies bescheinigenden Polizeibericht vom 18.12.2019, in welchem auch auf die folglich beabsichtigte amtliche Abmeldung hingewiesen wurde, nachgewiesen.

2.2.5. Die Feststellungen zu den Anmeldungen der BF zur österreichischen Sozialversicherung beruhen auf einem AJ-WEB-Auskunftsverfahrensauszug. Dass bezüglich der angeblich von der BF in Österreich zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit eine Scheinanmeldung der BF zur Sozialversicherung vorliegt, ergibt sich aus der am 23.12.2019 beim BVwG und am 07.01.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung G304 eingelangten diesbezüglichen Mitteilung des BFA vom 18.12.2019 samt beiliegendem dies bescheinigenden Polizeibericht vom 17.12.2019.

2.2.6. Dass die BF seit 04.09.2017 im Besitz einer gültigen "Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)" ist, beruht auf einem aktuellen Fremdenregisterauszug. Dass der nigerianische Staatsbürger, mit dem die BF in Österreich eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, am Tag der mit der BF gemeinsamen Wohnsitznahme am 14.08.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels als "Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers)" gestellt hat, beruht auf einer diesbezüglichen Eintragung im seine Person betreffenden Fremdenregisterauszug.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(...)."

3.1.2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich Folgendes:

Die BF hält sich nunmehr seit Februar 2017, in welchem Monat sich die BF erstmals mit Wohnsitz im Bundesgebiet gemeldet hat, demnach somit seit mehr als zweieinhalb Jahre lang, im Bundesgebiet auf, weshalb nur der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG und nicht der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG zur Anwendung gelangt.

Das vom BFA gegen die BF erlassene Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen auf die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung von August 2019 gestützt.

Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung des BF weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Fest steht, dass die BF im Jänner 2019, rechtskräftig mit August 2019, wegen Eingehens und Vermittlung einer Aufenthaltsehe zu einer Geldstrafe von 200 Tagsätzen zu je EUR 4,00 (EUR 800,00), im Nichteinbringungsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, strafrechtlich verurteilt wurde.

Bei der Strafbemessung dieses Urteils wurde der bisher ordentliche Lebenswandel der BF "mildernd" und demgegenüber kein Umstand "erschwerend" gewertet.

Dieser strafrechtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass die BF am 27.06.2017 im Bundesgebiet als ungarische Staatsbürgerin, mithin als eine zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigte Fremde, eine Ehe mit einem nigerianischen Staatsangehörigen geschlossen hat, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen, obwohl sie wusste, dass sich der nigerianische Staatsbürger für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels bzw. für die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf diese Ehe berufen wollte.

Der nigerianische Staatsbürger hat nach Eingehen dieser Aufenthaltsehe am 14.08.2017 bei einer NAG-Behörde im Bundesgebiet tatsächlich um Ausstellung eines Aufenthaltstitels als Angehöriger eines EWR-Bürgers angesucht.

Nach Antrag der BF von September 2017 auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)" wurde der BF am 04.09.2017 tatsächlich ein derartiger Aufenthaltstitel erteilt.

Die BF war im Bundesgebiet von Dezember 2017 bis März 2018 und von Dezember 2018 bis März 2019 - bei verschiedenen Dienstgebern - zur österreichischen Sozialversicherung angemeldet und ist dies auch derzeit noch seit 07.10.2019,

Ihre Meldungen von Dezember 2017 bis März 2018 und von Dezember 2018 bis März 2019 haben geringfügige Beschäftigungen betroffen. Am 17.12.2019 wurde nach polizeilicher Nachschau an der vermeintlich aktuellen Arbeitsplatzadresse der BF von der Polizei festgestellt, dass eine Scheinanmeldung zur österreichischen Sozialversicherung vorliegt.

Mit Schreiben des BFA vom 18.12.2019 wurde dem BVwG dies mitgeteilt, ebenso, dass es sich bei der bekannten Meldeadresse der BF, an welcher sie gemeinsam mit dem nigerianischen Staatsbürger, den sie zwecks Verschaffung eines Aufenthaltstitels in Österreich geheiratet hat, um eine Scheinmeldung der BF handelt.

Unabhängig davon, dass die BF in Österreich durch Scheinanmeldung zur österreichischen Sozialversicherung eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nur vortäuschte, war eine nachhaltige berufliche Integration der BF in Österreich durch ihre kurzzeitigen, von Juni 2017 bis September 2017, von Dezember 2017 bis März 2018 und von Dezember 2018 bis März 2019 nur geringfügigen Beschäftigungen ohnehin nicht möglich.

Etwaigen sozialen Integrationsbemühungen der BF steht das stark zu ihren Lasten wiegende kriminelle Verhalten der BF, die in Österreich im Juni 2017 einen nigerianischen Staatsbürger nur deshalb geheiratet hat, um ihm ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu verschaffen, und deswegen im August 2019 rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, gegenüber.

Bezüglich der in Österreich eingegangenen und vermittelten Aufenthaltsehe ist darauf hinzuweisen, dass ein starkes öffentliches Schutzbedürfnis besteht, illegale Migration durch Scheinehen hintanzuhalten, um einer Ausuferung illegaler Einwanderung vorzubeugen.

Hervorzuheben ist, dass bereits das Eingehen einer Aufenthaltsehe die Annahme nach § 67 FPG rechtfertigt (vgl. VwG 22.01.2013, Zl. 2011/18/0003; 12.03.2013, 2012/18/0228).

Dem Beschwerdevorbringen der BF, es liege im gegenständlichen Fall keine Aufenthaltsehe vor, war nicht zu folgen. Die Bestreitung des von einem inländischen Strafgericht im August 2019 rechtskräftig strafrechtlich verurteilten Vergehens des Eingehens und der Vermittlung einer Aufenthaltsehe zeugt vom Unrechtsbewusstsein der BF bzw. davon, dass die BF grundsätzlich bereit dazu ist, Fremden auf illegale Weise zu einem Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu verhelfen.

Von einer positiven Zukunftsprognose im gegenständlichen Fall war daher nicht auszugehen.

Es liegt daher eine aktuell von der BF ausgehende erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG vor.

Es konnten keine berücksichtigungswürdigen privaten Interessen bzw. Bindungen der BF im Bundesgebiet erkannt werden, leben ihre (mangels bestehender Sorgepflichten der BF ihnen gegenüber als volljährig anzunehmenden) beiden Kinder doch in Ungarn und ist davon auszugehen, dass die erst seit Februar 2017 im Bundesgebiet aufhältige BF maßgebliche Bindungen in Ungarn hat, und konnte die BF während ihrer nicht einmal dreieinhalbjährigen Aufenthaltsdauer weder in sozialer noch in wirtschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet berücksichtigungswürdige Integrationsschritte setzen.

Das vom BFA ausgesprochene Aufenthaltsverbot wird somit sowohl dem Grunde als auch der dreijährigen Dauer nach für gerechtfertigt gehalten, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Da dem BFA folgend zur Verhinderung illegaler Migration ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Bekämpfung von Schein- und Aufenthaltsehen besteht, war wegen der von der BF, die mit einem nigerianischen Staatsbürger eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet ausgehenden erheblichen Gefahr die sofortige Ausreise der BF geboten. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher ebenso abzuweisen.

3.3. Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Da die BF im Bundesgebiet mit einem nigerianischen Staatsbürger eine Aufenthaltsehe eingegangen ist und die Unrechtmäßigkeit dieser Tat nicht zugibt, sondern diese vielmehr noch nach rechtskräftiger strafrechtlicher Verurteilung im Beschwerdeverfahren noch bestreitet und demzufolge offenbar weiteren illegalen Handlungen, um Fremden zu einem Aufenthalts- bzw. Bleiberecht zu verhelfen, nicht abgeneigt ist, war ihre sofortige Ausreise geboten und deswegen die vom BFA mit Spruchpunkt III. ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde unbedingt notwendig.

Die Beschwerde war daher auch gegen Spruchpunkt III. abzuweisen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2225397.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten