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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/1963Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerden 1.) der 1992 geborenen NU, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Wien, sowie 2.) der 1989 geborenen NU, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in Wien, beide in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1995, 1.) Zl. 304.451/3-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), sowie
2.) Zl. 304.451/4-III/11/95 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Schwestern und beantragten am 17. September 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihren Eltern. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheiden je vom 19. Oktober 1995 die Anträge der Beschwerdeführerinnen gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland ab. Die Beschwerdeführerinnen beriefen.
Mit den nunmehr angefochtenen, im wesentlichen gleichlautenden Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 11. Dezember 1995 wurden die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte jeweils fest, daß nach der Aktenlage das Formular für einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG im Inland unterzeichnet und eingereicht worden sei. Die Beschwerdeführerinnen hätten sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten und dies auch bei der Antragstellung angegeben. Außerdem seien sie seit 22. Juni 1991 aufrecht polizeilich gemeldet; der Aufenthalt im Bundesgebiet würde auch nicht bestritten, weshalb das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt sei. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerinnen sei zu sagen, daß nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Auch in den Berufungen hätten sie keine Gründe vorbringen können, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeigeführt hätte. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden und hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 6 Abs. 2 AufG lautete:
§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Falle des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide am 20. Dezember 1995 ist für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für das Jahr 1995, BGBl. Nr. 408/1995, maßgeblich. § 3 Z. 1 und 3 dieser Verordnung lauteten:
"Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
1. In Österreich geborenen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten;"
Da die Beschwerdeführerinnen weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, wertete die belangte Behörde ihre Anträge zu Recht als Erstanträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für deren Beurteilung § 6 Abs. 2 erster Satz AufG heranzuziehen war.
Das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, den Antrag vom Ausland aus zu stellen, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, sowie Zl. 95/19/0895).
Die Beschwerdeführerinnen bestreiten nicht, sich im Zeitpunkt der Antragstellung und während des Verfahrens im Inland aufgehalten zu haben. Zu einer Antragstellung vom Inland aus wären sie aber nur dann berechtigt gewesen, wenn sie zu jenem Personenkreis zählten, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Die Erstbeschwerdeführerin verweist diesbezüglich zwar auf § 3 Z. 1 der Verordnung
BGBl. Nr. 408/1995, übersieht jedoch, daß nach dieser Bestimmung lediglich in Österreich geborene Kinder zur ausnahmsweisen Inlandsantragstellung berechtigt sind. Die Beschwerdeführerinnen, die nach der unbestrittenen Aktenlage mit ihrer Familie nach Österreich einreisten, wurden nicht in Österreich geboren und können sich daher auf die obzitierte Bestimmung nicht berufen. Ebenso liegt in ihrem Fall die Ausnahmebestimmung des § 3 Z. 3 der zitierten Verordnung nicht vor, weil die Beschwerdeführerinnen noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten. Die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Anträge somit vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten gehabt. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zur Auffassung gelangte, die Beschwerdeführerinnen hätten diese Vorschrift durch die Antragstellung vom Inland aus nicht erfüllt und ihre Anträge abwies.
Dieses Verfahrensergebnis erweist sich auch im Hinblick auf Art. 8 MRK als gerechtfertigt. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG hat mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genutzten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von Fremden bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde kommt nicht Betracht, weil der Fall der Beschwerdeführerinnen auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen ist, in denen nach der Judikatur des Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. 14.148, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).
Die Erstbeschwerdeführerin vertritt weiters die Ansicht, die belangte Behörde habe mehrfach Verfahrensvorschriften verletzt, so sei ihr kein Parteiengehör gewährt worden und liege ein Feststellungsmangel (hinsichtlich des Geburtsdatums der Beschwerdeführerin) vor. Die Erstbeschwerdeführerin verabsäumt es aber, die Relevanz dieser Verfahrensmängel darzulegen, weil sie weder angibt, was sie bei ausdrücklicher Gewährung des Parteiengehörs vorgebracht hätte, noch inwiefern dieses Vorbringen geeignet gewesen wäre, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu führen. Darüberhinaus spielt die Frage des korrekten Geburtsdatums der Erstbeschwerdeführerin angesichts des unbestritten feststehenden Sachverhaltes keine entscheidende Rolle.
Wenn die Zweitbeschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften schließlich rügt, die erstinstanzliche Behörde hätte den gegenständlichen Antrag nicht entgegennehmen dürfen, sondern sie darüber belehren müssen, daß sie den Antrag vom Ausland aus zu stellen habe, ist sie zunächst auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach das Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus und des Zuwartens bis zur Entscheidung im Ausland eine materiell-rechtliche Erfolgsvoraussetzung darstellt. Eine Beratung von Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht ist aber von der Manuduktionspflicht des § 13a AVG nicht umfaßt (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 13. März 1998, Zl. 96/19/3582).
Da sich die Beschwerden somit als unbegründet erweisen,
waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenrsatz stützt sich jeweils auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996191962.X00Im RIS seit
02.05.2001