TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/8 96/19/1803

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Veröffentlicht am 08.05.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §23 Abs1;
ZustG §23 Abs2;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1967 geborenen SA, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. April 1996, Zl. 116.457/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. April 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 6. Juli 1994 erfolgte und ihre Berufung erst am 23. November 1994 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Die §§ 8 und 23 Zustellgesetz (ZustG) lauten (auszugsweise):

"§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

§ 23. (1) Hat die Behörde aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß eine Sendung ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese sofort beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

(2) Die Hinterlegung ist vom Postamt oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

(3) ...

(4) Die so hinterlegte Sendung gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt."

Der Beschwerdeführer stellt die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, welche gemäß § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes erfolgt sein solle, in Abrede und gelangt, ausgehend von der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides zu Handen seines Vertreters (erst) am 15. Dezember 1994 zur Ansicht, die am 29. Dezember 1994 zur Post gegebene Berufung sei rechtzeitig, weshalb sich die Behörde mit dem Berufungsvorbringen inhaltlich hätte auseinandersetzen müssen.

Nach Ausweis der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens versuchte die Behörde erster Instanz den erstinstanzlichen Bescheid vom 30. April 1994 dem Beschwerdeführer an seine der Behörde gegenüber bekanntgegebene Abgabestelle zuzustellen. Das Schriftstück kam am 19. Mai 1994 mit dem Vermerk "verzogen" an die Behörde erster Instanz zurück. Diese führte daraufhin eine Anfrage beim Zentralmeldeamt der Bundespolizeidirektion Wien durch; aus der erteilten Auskunft ging hervor, daß der Beschwerdeführer nach wie vor an der der Behörde bekannten Adresse gemeldet war. Daraufhin wurde der Bescheid erster Instanz neuerlich, diesmal "gemäß § 8 Abs. 2 ZustG" zugestellt. Dabei wurde auf dem Rückschein neben der Angabe der Geschäftszahl des Bescheides der Vermerk "Zustellung § 8 Abs. 2" angebracht. Ohne daß auf dem Rückschein eine Hinterlegung des Schriftstückes dokumentiert wurde, wurde dieses am darauffolgenden Tag, dem 6. Juli 1994, mit dem neuerlichen Vermerk "verzogen" wieder an die Behörde erster Instanz retourniert. In weiterer Folge vertrat die Berufungsbehörde die Ansicht, es liege eine Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 ZustG vor und sei der Bescheid erster Instanz in Rechtskraft erwachsen.

Dazu ist zu bemerken, daß die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 ZustG nach durchgeführter, aber ergebnisloser Anfrage beim Zentralmeldeamt gegeben waren, weil die belangte Behörde davon ausgehen konnte, der Beschwerdeführer habe seine Abgabestelle geändert, ohne dies der Behörde mitgeteilt zu haben. Allerdings liegt im gegenständlichen Fall keine dem § 23 ZustG entsprechende Hinterlegung ohne Zustellversuch vor. Eine Hinterlegung ohne Zustellversuch bedeutet, daß eine Hinterlegung durchzuführen ist, ohne daß vorerst versucht werden müßte, den Empfänger an einer Abgabestelle anzutreffen. Keinesfalls kann aber auch auf die Hinterlegung selbst verzichtet werden. § 23 Abs. 1 ZustG spricht ausdrücklich davon, daß die hinterlegte Sendung beim Postamt zur Abholung bereitzuhalten ist; gemäß Abs. 2 ist die Hinterlegung vom Postamt auf dem Zustellnachweis zu beurkunden. Dem vorliegenden Rückschein des betreffenden Schriftstückes (erliegt bei Aktenseite 23) ist aber nicht zu entnehmen, daß es überhaupt zu einer Hinterlegung des Schriftstückes (samt der Möglichkeit der Behebung der Sendung) gekommen wäre. Das Schriftstück wurde vielmehr umgehend an die Behörde retourniert. Dadurch wurden die Bestimmungen des § 23 ZustG bei der Durchführung der gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. verfügten Zustellung durch Hinterlegung ohne Zustellversuch nicht eingehalten. Dieser Zustellvorgang konnte daher keine rechtmäßige Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Grunde des § 23 Abs. 4 ZustellG bewirken (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 93/18/0379).

Damit erweist sich aber die Ansicht des Beschwerdeführers, erst mit der Übermittlung des Bescheides an seinen Rechtsvertreter am 15. Dezember 1994 sei der erstinstanzliche Bescheid zugestellt worden und hätte die Berufungsfrist erst an diesem Tag zu laufen begonnen, als zutreffend. Die belangte Behörde hätte die Berufung, die im übrigen entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht am 23. November 1994, sondern am 29. Dezember 1994 eingebracht wurde, nicht wegen Verspätung zurückweisen dürfen, sondern eine Sachentscheidung über das Rechtsmittel treffen müssen. Sie belastete dadurch, daß sie in Verkennung der Rechtslage von einer den Vorschriften des Zustellgesetzes entsprechenden Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 6. Juli 1994 und in weiterer Folge von der Verspätung der Berufung ausging, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in der Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach) zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191803.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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