TE Bvwg Beschluss 2020/1/22 G303 2220559-2

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Veröffentlicht am 22.01.2020
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Entscheidungsdatum

22.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

G303 2220559-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (vormals: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kolumbien, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter XXXX, dieser wiederum vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 11.12.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 24.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, idgF.

2. Am 09.04.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt. Diese Amtshandlung wurde in der Justizanstalt Salzburg durchgeführt.

3. Mit Schreiben des BFA vom 09.04.2019 wurde beim Bezirksgericht

XXXX die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters angeregt, da sich der BF im Zuge seiner bisherigen Äußerungen bzw. Befragungen in den anhängigen Asyl- und Strafverfahren im höchsten Ausmaß wirr geäußert und ein absurdes Vorbringen erstattet habe.

4. Mit Aktenvermerk des verfahrensführenden Referenten des BFA vom 02.05.2019 wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG zur Klärung einer Vorfrage, nämlich bis zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters und zur Übermittlung des psychiatrischen Gutachtens, ausgesetzt.

5. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, vom 16.05.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 24.01.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Am 21.05.2019 wurde der oben angeführte Bescheid vom 16.05.2019 dem BF in der Justizanstalt Salzburg unmittelbar ausgefolgt und von diesem persönlich um 08:20 Uhr übernommen.

6. Mit dem am 18.06.2019 beim BFA, Regionaldirektion Salzburg, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2019 im vollem Umfang.

7. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), GZ: G301 2220559-1/2Z, vom 02.07.2019, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen und diese nicht von Amts wegen zuerkannt.

8. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2019 wurde XXXX zum einstweiligen Erwachsenenvertreter bestellt.

9. Mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2019, Zl. XXXX, wurde für die beschwerdeführende Partei XXXX, zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB bestellt. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung umfasst die Vertretung des BF im Asylverfahren vor dem BFA zur IFA-Zahl: XXXX und einem allfälligen Rechtsmittelverfahren.

Begründend führte das Bezirksgericht XXXX aus, dass der BF laut psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 19.08.2019 an einer psychotischen Erkrankung aus dem schizoaffektiven Störungskreis und gegenwärtig an einer manischen Episode leide. Dem Asylverfahren betreffend fehle dem BF das Verständnis für das Procedere, vor allem aufgrund der psychotischen Realitätsverkennung mit Größenideen und erheblichem Sendungsbewusstsein. Es bestehe die Gefahr, dass er sich durch seine Verfahrenshandlungen erheblich und ernstlich schade.

10. Am 25.10.2019 erfolgte die begleitete Abschiebung des BF von Wien nach Bogotá (Kolumbien) auf dem Luftweg.

11. Mit Beschluss des BVwG, GZ: G301 2220559-1/31E, vom 02.12.2019, wurde die Beschwerde vom 18.06.2019 wegen fehlender Erlassung des angefochtenen Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

12. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, vom XXXX.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF vom 24.01.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

13. Am 16.12.2019 wurde dieser Bescheid den gerichtlichen Erwachsenvertreter persönlich zugestellt.

14. Mit Schriftsatz vom 30.12.2019 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung, welche seitens des gerichtlichen Erwachsenenvertreters bevollmächtigt worden ist, gegen den im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 11.12.2019 fristgerecht Beschwerde.

15. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 16.01.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zu Spruchteil A):

2.1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 leg. cit. in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, für den Fall, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Veraltungsgericht in seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11). Der VwGH hat festgehalten, dass bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch die Bedeutung und Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen sei und die Einräumung eines Instanzenzuges nicht "zur bloßen Formsache degradiert" werden dürfe. Der Umstand dass es die Vorinstanz ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu erarbeiten, rechtfertige nicht, dass sich der Rechtsweg "einem erstinstanzlichen Verfahren (...) nähert", in dem eine ernsthafte Prüfung des Antrages erst bei der zweiten und letzten Instanz beginnt und auch endet. (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.

2.1.2. Im gegenständlichen Fall hat sich ergeben, dass die belangte Behörde erforderliche Ermittlungen zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts unterlassen bzw. bloß ansatzweise und nur grob mangelhaft ermittelt hat. Dies aus folgenden Erwägungen:

In der vorliegenden Beschwerde wurde unter anderem eingewandt, dass der Inhalt der Einvernahme des BF am 09.04.2019 aufgrund der psychischen Erkrankung des BF nicht als Grundlage für den angefochtenen Bescheid herangezogen werden könne und es keine weitere Einvernahme im Beisein des (einstweiligen) Erwachsenenvertreters des BF gegeben habe. Somit könne das BFA nicht von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgehen.

Dieses Beschwerdevorbringen erfolgte zu Recht:

Im gegenständlichen Fall wurde der BF am 09.04.2019 von der belangten Behörde persönlich einvernommen. Am selben Tag regte das BFA beim zuständigen Bezirksgericht die Bestellung eines gesetzlichen Erwachsenenvertreters an und setzte in weiterer Folge am 02.05.2019 das Verfahren aus. Daraus ergibt sich, dass das BFA bereits zu diesem Zeitpunkt massive Zweifel an der Prozess- und Handlungsfähigkeit des BF gehabt hat und daher nicht den Inhalt dieser Einvernahme ohne weiteres als wesentliches Beweismittel für das Asylverfahren verwenden konnte; auch wenn der Erwachsenenvertreter des BF erst mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2019 einstweilig bzw. mit weiterem Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX.2019 bestellt wurde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1996, Zl. 95/11/0365, und vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/08/0192) wirkt die Sachwalterbestellung insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist. Für die Zeit davor ist zu prüfen, ob der BF schon damals nicht mehr prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. VwGH 19.09.2000, Zl. 2000/05/0012).

Am XXXX.2019 wurde für den BF zunächst ein einstweiliger und am XXXX.2019 ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter für die Vertretung des BF im Asylverfahren bestellt. Das zuständige Bezirksgericht stellte fest, dass der BF an einer psychotischen Erkrankung leidet und die Gefahr besteht, dass sich der BF durch seine Verfahrenshandlungen erheblich und ernstlich schadet, da seine Entscheidungsfähigkeit deutlich beeinträchtigt ist.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich nicht, dass die belangte Behörde nach Bestellung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters in der Sache weitere Ermittlungsschritte, insbesondere eine weitere persönliche Einvernahme des BF im Beisein des Erwachsenenvertreters unternommen bzw. diesem zumindest ein schriftliches Parteiengehör gewährt hätte. Lediglich erfolgte die Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheids rechtswirksam an den Erwachsenenvertreter. Dieser wurde jedoch vor Erlassung des Bescheides in keiner Weise vom BFA im Verfahren eingebunden.

Daraus ergibt sich, ein grob mangelhaftes durchgeführtes Ermittlungsverfahren, insbesondere wurde § 37 AVG verletzt, wonach die Parteien das Recht haben, im Ermittlungsverfahren ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen. Dieses Recht kommt jedenfalls ab Bestellung des Erwachsenenvertreters diesem zu. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Daher sind ihnen alle im Rahmen des Beweisverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellungen von Amts wegen zur Kenntnis zu bringen (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 334). Dieses Parteiengehör wäre vor Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides den Erwachsenenvertreter des BF zu gewähren gewesen.

Ohne Gewährung von Parteiengehör (wenn etwa bei der Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen nur behördliche Organe allein tätig sind) kann nach VwSlg 206 A/1947 nicht von einem Ermittlungsverfahren iSd AVG gesprochen werden. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs bildet sohin einen "Kardinalgrundsatz" jedes behördlichen Verfahrens, der zum einen nicht bloß subsidiär Geltung beansprucht (VwSlg 4557 A/1958) und zum anderen auch außerhalb des Anwendungsbereichs des AVG zu beachten ist (VwGH 30. 9. 1969, 289/69; VwGH 8. 7. 1991, 91/19/0096; VfSlg 2038/1950; vgl auch VwSlg 15.035 A/1998 verst Sen). (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG Rz 11)

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren dem gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter des BF die Möglichkeit einräumen müssen, sich zum Asylverfahren zu äußern, um anschließend auf dieser erweiterten Grundlage eine mangelfrei begründete Sachentscheidung zu treffen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das BVwG kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Ebenso läge eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das BVwG - angesichts des gegenständlichen gravierend mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens - nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, zumal der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter in keiner Weise in das Verfahren vor dem BFA eingebunden war.

Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

2.1.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2220559.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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