TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/8 95/19/0832

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Veröffentlicht am 08.05.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1;
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs2;
AufG 1992 §10 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1 idF 1995/351;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/19/0834

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1.) der 1984 geborenen S K und 2.) der 1977 geborenen B K, beide in Wien, beide vertreten durch den Kindesvater D K, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 19. Juli 1995, 1.) zu Zl. 302.133/4-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 2.) zu

Zl. 302.133/5-III/11/95 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerinnen stellten am 2. Dezember 1993, vertreten durch ihre Mutter, Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen, in denen als Aufenthaltszweck einerseits "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit ihrer Mutter, andererseits auch "SCHULE GEHEN" angegeben wurde.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 20. März 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen vom Landeshauptmann von Wien gemäß § 4 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.

Die dagegen erhobenen Berufungen wurden vom Bundesminister für Inneres mit Bescheiden vom 19. Juli 1995 gemäß § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, es stehe fest, daß weder die Mutter noch der Vater der Beschwerdeführerinnen, also jene Personen, zu denen die engsten Familienbindungen bestünden, über eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfügten, weshalb die Anträge gemäß § 4 Abs. 3 AufG abzuweisen gewesen seien. Darüberhinaus erscheine der Unterhalt der Beschwerdeführerinnen für die Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung nicht gesichert, zumal ihre Eltern über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügten.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich in ihrem Recht auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die aufgrund ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (die Zustellung erfolgte jeweils am 27. Juli 1995) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 4 Abs. 1 und 3 sowie § 6 Abs. 1 AufG lauteten in der Fassung dieser Novelle:

"§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnissen in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.

...

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

...

§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.

..."

Die belangte Behörde stützt ihre abweisenden Bescheide zunächst auf den Umstand, daß die Eltern der Beschwerdeführerinnen im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide über keine gültige Aufenthaltsberechtigung verfügten. Dabei hat sie allerdings außer Acht gelassen, daß nach der Aktenlage die Beschwerdeführerinnen als Aufenthaltszweck nicht nur "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit ihren Eltern, sondern auch unter Punkt 4 lit. d des Antragsformulares "SCHULE GEHEN", somit Schulbesuch, angegeben hatten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2134, mit näherer Begründung dargetan hat, war sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 bzw. der Verordnung BGBl. Nr. 395/1995 die Geltendmachung mehrerer Aufenthaltszwecke zulässig. Damit hätten sich aber die Beschwerdeführerinnen auch wirksam auf den Aufenthaltszweck des Schulbesuches gestützt. Hätte die belangte Behörde entsprechende Feststellungen getroffen, so wäre es hier bei Zugrundelegung des Aufenthaltszwecks "Schulausbildung" (vgl. § 1 Abs. 1 Z. 6 der Verordnung BGBl. Nr. 395/1995) nicht verwehrt gewesen, im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG den Beschwerdeführerinnen eine Bewilligung zu erteilen.

Indem die belangte Behörde keine ausreichenden Feststellungen über die von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten Aufenthaltszwecke getroffen hat, hat sie den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht hinlänglich erhoben. Bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels wäre es im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Ermessensentscheidung jedoch nicht ausgeschlossen gewesen, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die belangte Behörde stützt ihre abweisenden Bescheide jedoch auch darauf, daß der Unterhalt der Beschwerdeführerinnen für die Geltungsdauer der angestrebten Aufenthaltsbewilligung nicht gesichert sei, zumal deren Eltern über keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügten. Auch hinsichtlich dieses Versagungsgrundes hat es die belangte Behörde jedoch verabsäumt, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen.

Der Lebensunterhalt eines Fremden im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG kann durch hinreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen für die Aufenthaltsdauer gesichert erscheinen; ebenso sichert das Bestehen eines Unterhaltsanspruches gegen eine Person, die diesen infolge ausreichenden eigenen Einkommens oder Vermögens in zureichendem Umfang erfüllen kann, den Lebensunterhalt für die Geltungsdauer der Aufenthaltsbewilligung. Aber auch die freiwillig übernommene Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt kann geeignet sein, den Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG als gesichert erscheinen zu lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612, und vom 28. Februar 1997, Zl. 95/19/1544).

Die Beschwerdeführerinnen haben im Verwaltungsverfahren jeweils Verpflichtungserklärungen von Angehörigen vorgelegt, wonach sich diese verpflichteten, für den Unterhalt der Beschwerdeführerinnen aufzukommen (vgl. OZl. 11 und 14 des zu Zl. 95/19/0832 und OZl. 10 und 15 des zu Zl. 95/19/0834 vorgelegten Verwaltungsaktes). Auf diese Verpflichtungserklärungen ist die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden nicht eingegangen. Sie hat auch nicht dargelegt, weshalb sie etwa im konkreten Fall davon ausgegangen sei, daß die Verpflichtungserklärungen nicht glaubwürdig seien oder die sich verpflichtenden Personen ihrerseits nicht in der Lage seien, aufgrund der für sie selbst zur Verfügung stehenden Mittel auch für den Lebensunterhalt der Antragsteller aufzukommen. Hätte die belangte Behörde entsprechende Feststellungen über das Vorliegen der erwähnten Verpflichtungserklärungen getroffen, so wäre angesichts der ebenfalls vorgelegten Gehaltsbestätigungen der sich verpflichtenden Personen, die ein Nettoeinkommen von über S 24.000,-- bzw. ein Bruttoeinkommen von über S 15.000,-- angeben (vgl. OZl. 12 bzw. 17 des zu Zl. 95/19/0832 vorgelegten Verwaltungsaktes) nicht ausgeschlossen, daß die belangte Behörde zu anderen Bescheiden hätte gelangen können.

Aus diesen Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995190832.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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