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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1961 geborenen MD in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juni 1997, Zl. 308.045/3-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 15. April 1996 die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin SD, welche er am 11. September 1995 geheiratet hatte. SD gebar am 25. März 1996 eine Tochter, AD.
Aufgrund einer anonymen Anzeige pflog die erstinstanzliche Behörde Erhebungen darüber, ob unter anderem die Ehe des Beschwerdeführers mit SD nur zum Schein eingegangen worden war.
Im Zuge einer zeugenschaftlichen Einvernahme gab Frau KP an, SD und der Beschwerdeführer seien "scheinverheiratet" gewesen.
Der Bruder der SD, ID, gab als Zeuge vernommen an, die Ehe seiner Schwester sei "ganz sicher keine Scheinehe" gewesen. Daß sein Schwager, der Beschwerdeführer, nach Geburt seiner Tochter hievon nichts gewußt habe, könne er sich nur damit erklären, daß dieser abwesend gewesen sei, weil er sich unlängst einen gewöhnlichen Sichtvermerk im Ausland geholt habe. Letzterer sei eine Zeit lang in Triest aufhältig gewesen. Genaueres wisse er darüber aber auch nicht.
Der Vater der SD, ND, gab an, die Ehe seiner Tochter mit dem Beschwerdeführer sei eine Scheinehe gewesen. Zweck dieser Eheschließung sei es gewesen, dem Beschwerdeführer den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, indem ihm ein Befreiungsschein ausgestellt werde. Andere fremdenrechtliche Bewilligungen hätten bei der Eheschließung keine Rolle gespielt. Geld sei für das Eingehen dieser Ehe nicht bezahlt worden. Die Gegenleistung des Beschwerdeführers sei gewesen, daß er beim Aufbau des Hauses der Familie des ND in Jugoslawien geholfen habe.
Schließlich gab die Ehegattin des Beschwerdeführers, SD, an, die Ehe sei eine "reine Gefälligkeitsehe" gewesen, welche nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, ein "Arbeitsvisum" zu erlangen. Eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft sei weder von SD noch vom Beschwerdeführer beabsichtigt gewesen und in der Folge auch nicht aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei auch nicht der Vater der am 25. März 1996 geborenen AD.
Am 1. März 1997 hielt der Landeshauptmann von Wien dem Beschwerdeführer das Ergebnis der diesbezüglichen Beweisaufnahme der erstinstanzlichen Behörde vor und räumte ihm ein, sich hiezu binnen zwei Wochen zu äußern.
Am 9. April 1997 brachte der Beschwerdeführer bei der erstinstanzlichen Behörde einen mit 1. April 1997 datierten Devolutionsantrag samt weiterer Stellungnahme ein. Diesem Devolutionsantrag war die Heiratsurkunde des Beschwerdeführers mit SD, sowie Geburtsurkunden der SD und der AD in Kopie angeschlossen. In dieser Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer vor, seiner Ehe mit SD entstamme ein Kind, AD. Er lebe mit SD und AD im gemeinsamen Haushalt.
Die erstinstanzliche Behörde wies mit Bescheid vom 5. April 1997, dem Beschwerdeführer zugestellt am 17. April 1997, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Beschwerdeführer habe den gegenständlichen Antrag am 15. April 1996 beim österreichischen Generalkonsulat in Triest persönlich abgegeben. Er habe es jedoch verabsäumt, die am 25. März 1996 geborene AD als sein Kind anzugeben. Daß der Beschwerdeführer von der Geburt seines Kindes keine Kenntnis hatte, lasse darauf schließen, er sei seine Ehe nur zum Schein eingegangen. Dieser Verdacht sei durch die zeugenschaftliche Einvernahme des ND und der SD bestätigt worden. Eine Stellungnahme hiezu habe der Beschwerdeführer nicht abgegeben.
Am 21. April 1997 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. April 1997 Berufung. Diese begründete er wie folgt:
"Gemäß § 138 Abs. 1 ABGB gilt ein nach Eheschließung geborenes Kind als ehelich. Diese Vermutung kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden und nicht durch verwaltungsbehördliche Beweiswürdigung. Eine gerichtliche Entscheidung existiert nicht, die Behörde ist daher an die gesetzliche Vermutung der Ehelichkeit gebunden.
Dies ganz abgesehen davon, daß auch tatsächlich keine Rede von einer Scheinehe war, und die Angaben der Verwandten, daß es sich um eine Scheinehe handelte, nur eine böswillige, in familiären Differenzen begründete Handlung der Verwandtschaft des Berufungswerbers darstellt, um die Ehe zu zerstören.
Gibt es ein eheliches Kind, so widerspricht die Annahme einer Scheinehe den Denkgesetzen."
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. April 1997 wurde der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 9. April 1997 mit der Begründung zurückgewiesen, die erstinstanzliche Behörde, bei der dieser Antrag eingebracht worden war, sei zu seiner Behandlung nicht zuständig gewesen.
In einer Eingabe vom 29. April 1997, welche am 2. Mai 1997 bei der Berufungsbehörde einlangte, beantragte der Beschwerdeführer zum Beweis dafür, daß "aus der Ehe der Einschreiterin mit ID zwei Kinder, nämlich KK und DK, hervorgegangen seien, die Einholung eines erbbiologischen Gutachtens zur Frage der Abstammung dieser beiden Kinder".
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Juni 1997 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ab.
Dabei nahm sie als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer die Ehe mit SD ausschließlich geschlossen habe, um eine ausländerbeschäftigungsrechtliche Bewilligung zu erlangen. Eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft sei weder beabsichtigt gewesen, noch aufgenommen worden.
Offenbar in Erwiderung des oben wiedergegebenen Berufungsvorbringens hielt die belangte Behörde fest, daß sie ihre diesbezüglichen Feststellungen insbesondere im Hinblick auf die von ihr als glaubwürdig erachteten Angaben der SD getroffen habe. Ausgehend von diesen Feststellungen liege der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor. Ungeachtet des § 27 des Ehegesetzes sei die Aufenthaltsbehörde berechtigt gewesen, die Frage des Vorliegens dieses Versagungsgrundes durch Eingehen einer Ehe ausschließlich zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen selbständig zu beurteilen. Im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zur Last liegende rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe sei der Eingriff in sein Privat- und Familienleben durch die Versagung der Aufenthaltsbewilligung im Interesse der öffentlichen Ordnung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Der Beschwerdeführer rügt als Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, über seinen diesbezüglichen Antrag ein erbbiologisches Gutachten zum Beweis dafür einzuholen, daß AD aus der Ehe des Beschwerdeführers mit SD stamme. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil der Beschwerdeführer - wie aus der obigen Wiedergabe seiner Eingabe vom 29. April 1997 ersichtlich ist - keinen Antrag auf Einholung eines erbbiologischen Gutachtens betreffend seine Vaterschaft zu AD gestellt hat. Wenn der Beschwerdeführer weiters rügt, die belangte Behörde habe seinen Beweisantrag vom 1. April 1997 unbeachtet gelassen, ist ihm zu entgegnen, daß sich dieser Beweisantrag in der Vorlage von Urkunden in Kopie erschöpfte. Aus dem Hinweis auf diese Urkunden war für den Standpunkt des Beschwerdeführers jedoch nichts zu gewinnen, standen doch die Feststellungen der Aufenthaltsbehörden durchaus im Einklang mit diesen Urkunden, was die Eheschließung des Beschwerdeführers, die Staatsangehörigkeit seiner Ehegattin und die Geburt der Tochter seiner Ehegattin betrifft.
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers ist auch aus der Ehelichkeitsvermutung des § 138 Abs. 1 ABGB für die von ihm gerügte Beweiswürdigung der belangten Behörde nichts abzuleiten, weil diese Vermutung bloß voraussetzt, daß das Kind nach der Eheschließung und vor Ablauf des 302. Tages nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren wurde, ihr Eintritt also von der Frage unabhängig ist, ob der Ehemann der Mutter das Kind tatsächlich zeugte. Die bloß vermutete eheliche Abstammung des Kindes kann aber nicht etwa einer real bestehenden Tatsache gleich als Ausgangspunkt für logische Schlußfolgerungen auf andere reale Tatsachen im Rahmen der Beweiswürdigung benutzt werden.
Insoweit der Beschwerdeführer schließlich rügt, die belangte Behörde habe sich über § 27 des Ehegesetzes hinweggesetzt, ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht etwa davon ausgegangen ist, daß die Ehe des Beschwerdeführers nichtig sei, sondern ihre Entscheidung vielmehr auf die Annahme gestützt hat, die Eingehung der Ehe sei aus Motiven erfolgt, die die Nichtigerklärung der Ehe begründen. Weiters vertrat sie die Auffassung, daß (schon) das Eingehen einer Eheverbindung aus den erwähnten Gründen die Annahme rechtfertigen würde, der Aufenthalt eines eine solche Ehe aus derartigen Motiven eingehenden Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG. Dieser Beurteilung stand auch die Bestimmung des § 27 Ehegesetz nicht entgegen, weil die belangte Behörde ungeachtet dieser Bestimmung berechtigt war, die Frage des Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes selbständig zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0192).
Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht (unter anderem) Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3 VwGG), den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen. Dies bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung jedoch nicht, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde gänzlich der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen wäre. Letzterer hat Mängel der Beweiswürdigung als Verfahrensfehler wahrzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof muß sohin überprüfen, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Denkprozesse, die mit den Denkgesetzen nicht im Einklang stehen, können dem Begriff der Beweiswürdigung daher nicht unterstellt werden. Unschlüssige, nur dem Scheine nach Akte der Beweiswürdigung darstellende Denkakte vermögen den Verwaltungsgerichtshof daher nicht zu binden. Sofern umgekehrt die behördliche Beweiswürdigung schlüssig und in sich widerspruchsfrei ist, die Beweiswürdigung der Behörde daher nicht gegen das allgemeine Gebot der Schlüssigkeit verstößt, insbesondere keine Verstöße gegen die Logik enthält, kann der Verwaltungsgerichtshof die Richtigkeit der Beweiswürdigung jedoch nicht weiter nachprüfen (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 137, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im Rahmen der ihm nach dem Vorgesagten obliegenden Schlüssigkeitsprüfung vermag der Verwaltungsgerichtshof aber der belangten Behörde keineswegs entgegenzutreten, wenn sie insbesondere den Angaben der SD entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 1. April 1997 Glauben schenkte.
Auf Basis der sohin unbedenklichen Bescheidfeststellungen erweist sich aber auch die Annahme der belangten Behörde, der Sichtvermerksversagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei gegeben, nicht als rechtswidrig (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996).
Der zutreffenden Beurteilung der belangten Behörde gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191354.X00Im RIS seit
02.05.2001