TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/18 W200 2223109-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.02.2020
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Entscheidungsdatum

18.02.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W200 2223109-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Meierschitz als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 06.08.2019, Zl. 25796562400052 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von sechzig (60) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei war im Besitz eines bis Mai 2019 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% und stellte am 14.02.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dem Antrag angeschlossen war ein Konvolut an medizinischen Unterlagen.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte orthopädische Gutachten vom 26.03.2018 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H.

Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 06.08.2019 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde, welcher abermals medizinische Unterlagen angeschlossen waren, holte das BVwG sowohl ein Gutachten eines Facharztes für Orthopädie als auch eines Arztes für Allgemeinmedizin ein, welche Folgendes ergaben:

Orthopädisches Gutachten vom 23.12.2019:

"Vorgelegte, neue orthopädisch/unfallchirurgisch relevante Befunde:

Keine;

Hüftröntgen 18.2.2019 wird als Farbdruck mitgebracht: Schraubpfanne Geradschaft zementfrei. Keine eindeutige Lockerung.

(nach Neuerungsstichtag: interner Befund Dr. XXXX 14.10.2019:

Hüftschmerzen rechts, Dyspnoe beim Bergaufgehen. De novo Vorhofflimmern, Hyperkaliämie bei akuter Niereninsuffizienz.

Ambulante Betreuung.

29.10.2019: mittelgradige höhergradige reduzierte systolische Funktion.

Relevante Anamnese:

2013 HTEP rechts, danach viele Eingriffe. Dann Infekt, Sanierung 1-2/2016. Nochmals Revision und Reinfekt 2017.

Jetzige Beschwerden: "Nach der letzten Untersuchung hatte ich starke Schmerzen in der Hüfte, habe die Untersuchende angezeigt. Vorher hatte ich 50%, jetzt nur mehr 30%. Ich lass mich heute nicht untersuchen. Ich habe Schmerzen in der rechten Hüfte/' Pat. wirkt eher aggressiv in seinen Aussagen.

Medikation: Liste Dr. XXXX 29.10.2019:

Pantoloc, Lixia na, Digimerck, Lasix, Bisoprolol, Candesartan, Metagelan, Mexalen. Zusätzlich Seractil und Deflamat-handschriftlich ergänzt.

Sozialanamnese: verwitwet, zwei Kinder; in Pension.

Allgemeiner Status:

188 cm große und 95 kg schwerer Mann in gutem Allgemein-und Ernährungszustand. Thorax symmetrisch.

Relevanter Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 50-0-50, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. Normale Brustkyphose, BWS-Drehung, Schober Zeichen, FKBA, Seitneigung nicht prüfbar.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 40-0-170, F 170-0-50, R 70-0-70, Ellbogen 0-0-130, Handgelenke 50-0-50, Faustschluß beidseits möglich. Prüfung im Sitzen auf Wunsch.

Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke auf Wunsch nicht geprüft. 25 cm Narbe, eingezogen, wird angezeigt, Kniegelenke im Sitzen in S 0-0-120, bandfest, reizfrei.

Sprunggelenke 10-0-40.

Muskelausdünnung rechter Oberschenkel.

Beinverlängerung rechts 2-3 cm, Ausgleich links.

Gangbild/Mobilität: Gang in Straßenschuhen mit zwei Krücken möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand nicht gezeigt.

BEURTEILUNG

Adl) 1) Hüftendoprothese rechts, Zustand nach Mehrfachrevisionen wegen bakterieller Infektion 02.05.09 30%

Fixer Rahmensatz berücksichtigt die Beinlängendifferenz und das Muskeldefizit.

Wahl der Position, da keine Lockerungszeichen und kein Hinweis auf Reinfekt.

2) Knieabnützung links 02.05.18 20%

Oberer Rahmensatz, da X-Beinstellung und Belastungs-schmerzen.

Wahl der Position, da guter Bewegungsumfang.

3) degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.01 20%

Oberer Rahmensatz, da Ausgleichsskoliose

Wahl der Position, da belastungsabhängige Schmerzen

Vorhofflimmern wird nicht korrektiv eingeschätzt, da kein orthopädisch-unfallchirurgisches Leiden. Empfehle diesbezüglich ein AG Interne/Allgemeinmedizin bzgl. Abl.40., 10% erscheinen mir eventuell zu gering eingestuft zu sein.

Ad2) Der GdB beträgt 40%, weil die Leiden 2 und 3 in Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 wegen wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht wird.

Ad3) Es hat sich eine Verbesserung der Belastbarkeit ergeben, da das GA vom 16.6.2017 einen Monat nach der letzten Revision gemacht wurde, also praktisch sehr kurz nach der Operation. Deshalb wurde damals 02.05.11 gegeben, was einer Versteifung in ungünstiger Stellung vorbehalten ist. Das liegt jetzt aber definitiv nicht vor!

Deshalb wurde vom Kollegen eine Nachuntersuchung vorgegeben, weil eine Besserung als sehr wahrscheinlich angesehen wurde.

Eine objektivierbare Änderung zum VGA Dris. XXXX und Stellungnahme ergibt sich nicht, komme zu den einzelnen Positionen in gleicher Höhe.

Ich würde aber die anderen orthopädischen Leiden schon als ausreichend wechselwirksam bezeichnen, das ist meine persönliche Meinung.

Ad4) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

Aktenmäßiges allgemeinmedizinisches Gutachten:

"Vorliegend ist ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 23.12.2019, welches vom BVwG eingeholt wurde

(...)

Weiters vorliegend ist ein orthopädisches/allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 7. Juli 2019 und eine Stellungnahme vom 06.08.2019.

Noch nicht berücksichtigt sei Leiden 4 des allgemeinmedizinischen Gutachtens vom 7. Juli 2019 samt Stellungnahme (AS 48-53, 60/61). Zur Einschätzung dieses Leidens werden die im Rahmen der orthopädischen Untersuchung am 9. Dezember 2019 vorgelegten Unterlagen herangezogen (AS 69/19-69/18).

Vorliegend ist ein internistischer Befundbericht von Herrn Dr. XXXX vom 29. Oktober 2019, in welchem eine Hyperkaliämie bei akuter Niereninsuffizienz und Spironolacton- Therapie, eine mittel-höhergradig reduzierte systolische Funktion, eine leicht-mittelgradige Mitralinsuffizienz, de novo tachykardes Vorhofflimmern 2/2019, ventrikuläre Arrhythmien und maximal 4 konsekutive Schläge bei kardialen Rhythmusstörungen angeführt sind. Der Patient kommt zur kardiologischen und EKG-Kontrolle. Eine Steigerung der Herzinsuffizienz-Therapie wurde durchgeführt. Auf die Einnahme nichtsteroidaler Schmerzmittel solle verzichtet werden. Im Status sind reine Herztöne bei arrhythmischer Herzaktion sowie eine unauffällige Lunge beschrieben. Ödeme lagen nicht vor. Anamnestisch angeführt an bestehenden Beschwerden sind Hüftschmerzen rechts sowie eine belastungsabhängige Kurzatmigkeit beim Bergaufgehen ohne ein Druckgefühl im Brustbereich. Zudem vorliegend ist ein internistischer Befundbericht vom 14. Oktober 2019, in welchem dieselben Diagnosen wie im Befund vom 29. Oktober 2019 angeführt sind. Ein Laborbefund vom 8. November 2019 beschreibt ein Kreatinin von 1,28 mg/dl und eine glomeruläre Filtrationsrate von 58 ml/min. Kalium befindet sich im Normbereich. Eine maßgebliche und behandlungsbedürftige Anämie ist nicht beschrieben.

Eine Medikamentenliste vom 29.10.2019 liegt ebenso vor. Angeführt sind: Pantoloc, Lixiana, Digimerck, Lasix, Bisoprolol, Candesartan, Metagelan sowie Mexalen bei Bedarf. Handschriftlich ergänzt sind Seractil und Deflamat.

Bereits bei Erstellung des Gutachtens am 07.07.2019 vorliegend war ein Bericht der I. Medizinischen Abteilung des Hanuschkrankenhauses vom 27.02:2019, in welchem ein neu aufgetretenes tachykardes Vorhofflimmern mit dem Gefühl des "Herzstolperns" bei belastungsabhängiger Kurzatmigkeit beschrieben ist. Nach entsprechender Medikation ist ein normfrequentes Vorhofflimmern bei laufender Medikation und eine Entlassung in gutem Allgemeinzustand beschrieben.

Aus allgemeinmedizinischer Sicht ergibt sich hinsichtlich der internistischen Befundberichte und des Laborbefundes folgende Einschätzung:

• Herzinsuffizienz g.Z. 05.02.02 50 %

Wahl dieser Position, da mittel- bis höhergradige Herzfunktionseinschränkung bei Mitralinsuffizienz mit Herzrhythmusstörung bei Vorhofflimmern mit laufender oraler Antikoagulation sowie Entwässerungs- und blutdrucksenkender Medikation, mit dem unteren Rahmensatz, da medikamentös kompensierbar bei Fehlen maßgeblicher Dekompensationszeichen.

• Nierenfunktionseinschränkung 05.04.01 20 %

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da medikamentös behandelt bei Kreatinin von 1,28 mg/dl, ohne Hinweis auf behandlungsbedürftige Anämie.

Gesamtbeurteilung;

1) Einschätzung des Grades der Behinderung:

1. Herzinsuffizienz g.Z. 05.02.02 50 %

Wahl dieser Position, da mittel- bis höhergradige Herzfunktionseinschränkung bei Mitralinsuffizienz mit Herzrhythmusstörung bei Vorhofflimmern mit laufender oraler Antikoagulation sowie Entwässerungs- und blutdrucksenkender Medikation, mit dem unteren Rahmensatz, da medikamentös kompensierbar bei Fehlen maßgeblicher Dekompensationszeichen.

2. Hüftendoprothese rechts, Zustand nach Mehrfach- 02.05.09 30%

Revisionen wegen b;ikterieller Infektion

Fixer Rahmensatz berücksichtigt die Beinlängendifferenz und das Muskeldefizit. Wahl dieser Position, da keine Lockerungszeichen und kein Hinweis auf Reinfekt.

3. Knieabnützung links 02.05.18 20%

Oberer Rahmensatz, da X-Beinstellung und Belastungsschmerzen.

Wahl dieser Position, da guter Bewegungsumfang.

4. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.01 20%

Oberer Rahmensatz, da Ausgleichsskoliose.

Wahl dieser Position, da belastungsabhängige Schmerzen.

5. Nierenfunktionseinschränkung 05.04.01 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da medikamentös behandelt bei Kreatinin von 1,28 mg/dl, ohne Hinweis auf behandlungsbedürftige Anämie.

2) Gesamtgrad der Behinderung: 60 %

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die orthopädischen Leiden 2, 3 und 4 stellen maßgebliche zusätzliche Leiden dar und erhöhen das führende Leiden 1 gemeinsam um 1 weitere Stufe. Das dokumentierte Ausmaß von Leiden 5 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

3) Ist eine Veränderung zum Gutachten vom 7. Juli 2019 samt Stellungnahme (AS 48- 53, 60/61) objektivierbar? Wodurch wird die Veränderung dokumentiert bzw. wie äußert sie sich?

Die vorliegenden internistischen Befundberichte vom 29. Oktober 2019 sowie vom 14. Oktober 2019 dokumentieren eine mittel- bis höhergradig reduzierte Herzfunktion bei Mitralinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen unter oraler Antikoagulation. In Zusammenschau mit der Anamneseerhebung sowie dem vom Internisten Dr. XXXX objektivierten Untersuchungsbefind ergeben sich nach geltender Einschätzungsverordnung eine Neuaufnahme des Herzleidens Nr. 1, welches Leiden 4 des Gutachtens vom 07. Juli 2019 mitberücksichtigt und ersetzt. Unter Berücksichtigung des nun vorliegenden Laborbefundes erfolgt zudem eine Neuaufnahme der Position "chronische Niereninsuffizienz"., Durch die Neuaufnahme des nun führenden Leidens Nummer 1 erfolgt auch eine Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zum Gutachten vom 7. Juli 2019.

4) Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich. Es besteht ein Dauerzustand."

Im Zuge einer Stellungnahme im gewährten Parteiengehör ersuchte der Beschwerdeführer nunmehr neu hinzugekommene Leiden auch einer Berücksichtigung zu unterziehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.: Der Beschwerdeführer erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 von 100.

1.2.: Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Allgemeiner Status:

188 cm große und 95 kg schwerer Mann in gutem Allgemein-und Ernährungszustand. Thorax symmetrisch.

orthopädischer Status:

Wirbelsäule im Lot. HWS in R 50-0-50, F 10-0-10, KJA 1 cm, Reklination 14 cm. Normale Brustkyphose, BWS-Drehung, Schober Zeichen, FKBA, Seitneigung nicht prüfbar.

Obere Extremitäten:

Schultern in S 40-0-170, F 170-0-50, R 70-0-70, Ellbogen 0-0-130, Handgelenke 50-0-50, Faustschluß beidseits möglich. Prüfung im Sitzen auf Wunsch. Nacken- und Kreuzgriff durchführbar.

Untere Extremitäten:

Hüftgelenke auf Wunsch nicht geprüft. 25 cm Narbe, eingezogen, wird angezeigt, Kniegelenke im Sitzen in S 0-0-120, bandfest, reizfrei.

Sprunggelenke 10-0-40.

Muskelausdünnung rechter Oberschenkel. Beinverlängerung rechts 2-3 cm, Ausgleich links.

Gangbild/Mobilität: Gang in Straßenschuhen mit zwei Krücken möglich. Zehenspitzen- und Fersenstand nicht gezeigt.

1.3.: Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Herzinsuffizienz Wahl dieser Position, da mittel- bis höhergradige Herzfunktionseinschränkung bei Mitralinsuffizienz mit Herzrhythmusstörung bei Vorhofflimmern mit laufender oraler Antikoagulation sowie Entwässerungs- und blutdrucksenkender Medikation, mit dem unteren Rahmensatz, da medikamentös kompensierbar bei Fehlen maßgeblicher Dekompensationszeichen.

g.Z. 05.02.02

50

2

Hüftendoprothese rechts, Zustand nach Mehrfachrevisionen wegen bakterieller Infektion Fixer Rahmensatz berücksichtigt die Beinlängendifferenz und das Muskeldefizit. Wahl dieser Position, da keine Lockerungszeichen und kein Hinweis auf Reinfekt.

02.05.09

30

3

Knieabnützung links Oberer Rahmensatz, da X-Beinstellung und Belastungsschmerzen. Wahl dieser Position, da guter Bewegungsumfang.

02.05.18

20

4

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule Oberer Rahmensatz, da Ausgleichsskoliose. Wahl dieser Position, da belastungsabhängige Schmerzen.

02.01.01

20

5

Nierenfunktionseinschränkung 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da medikamentös behandelt bei Kreatinin von 1,28 mg/dl, ohne Hinweis auf behandlungsbedürftige Anämie.

05.04.01

20

Der Gesamtgrad

der Behinderung beträgt 60 %.

Die orthopädischen Leiden 2, 3 und 4 stellen maßgebliche zusätzliche Leiden dar und erhöhen das führende Leiden 1 gemeinsam um 1 weitere Stufe. Das dokumentierte Ausmaß von Leiden 5 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Sowohl das vom BVwG eingeholte orthopädische als auch das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten ist jeweils schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Das orthopädische Gutachten vom 23.12.2019 entspricht hinsichtlich der einzelnen Positionen dem vom SMS eingeholten orthopädischen Gutachten. Allerdings kommt der vom BVwG bestellte Sachverständige zum Schluss, dass sich die orthopädischen Leiden durch das Zusammenwirken auf 40% erhöhen würden und empfiehlt die Einholung eines allgemeinmedizinischen Gutachtens.

Das eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten kommt befundbelegt nachvollziehbar zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer nunmehr eine Herzinsuffizienz vorliegt, die alleine bereits mit 50% einzustufen ist.

Die Zusammenfassung beider Gutachten führt laut Allgemeinmediziner schlüssig zu einem Gesamtgrad der Behinderung vom 60%, da die orthopädischen Leiden 2, 3 und 4 maßgebliche zusätzliche Leiden darstellen und das führende Leiden 1 gemeinsam um 1 weitere Stufe erhöhen. Das dokumentierte Ausmaß von vom Allgemeinmediziner eingestuften Leiden 5 (Nierenfunktionseinschränkung) wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

Der Inhalt des Gutachtens wurde im Rahmen des Parteiengehörs von den Parteien unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

In den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 % festgestellt. Festgehalten wurde, dass sich in der Gesamtbeurteilung somit eine Erhöhung des Behinderungsgrades der beschwerdeführenden Partei ergibt. Die angeführten Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Die vom Beschwerdeführer im Schreiben vom 16.02.2020 im Parteiengehör zum eingeholten Gutachten vorgebrachten Verschlechterungen konnte vom Bundesverwaltungsgericht nicht mehr berücksichtigt werden. Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 dritter Satz BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Die neuen behaupteten Tatsachen dürfen somit in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht berücksichtigt werden.

Da ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt wurde und dieser Feststellung im Rahmen des Parteiengehörs nicht widersprochen wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes war vom BVwG ein orthopädisches und ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. In diesen Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2223109.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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