TE Bvwg Beschluss 2020/2/24 W156 2227268-1

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Veröffentlicht am 24.02.2020
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Entscheidungsdatum

24.02.2020

Norm

AuslBG §12b
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W156 2227266-1/3E

W156 2227268-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Kurt Zangerle als Beisitzer über die Beschwerden des 1. XXXX und des 2. XXXX S XXXX M XXXX , beide vertreten durch Dorda Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, gegen die Bescheide des AMS, Wien Esteplatz, vom 12.08.2019, Zl. XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidungen vom 21.11.2019, Zl. XXXX , betreffend Zulassung als Schlüsselkraft nach § 12b AuslBG beschlossen:

A) Die Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben

und die Angelegenheit nach Durchführung eines Ersatzkraftverfahrens zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Herr S XXXX M XXXX J XXXX T XXXX (in Folge- BF 2) beantragte am 13.06.2019 bei der Niederlassungs-und Aufenthaltsbehörde den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte" für eine sonstige Schlüsselkraft nach § 12b AuslBG (unter Vorlage von Unterlagen). Es sei eine Beschäftigung als "Leiter Einkauf Ausland (Naher und Mittlerer Osten)", beim Arbeitgeber A XXXX A XXXX (in Folge BF1) in 1220 Wien mit einer Entlohnung von Euro 3.500 brutto im Monat geplant.

2. Mit Parteiengehör vom 30.07.2019 wurde BF1 darüber informiert, dass lediglich 20 von den geforderten Punkten erreicht würden und die im Antrag angegebene Tätigkeit nicht dem Ausbildungsniveau entspreche. Er habe Gelegenheit bis zu 08.08.2019 hiezu Stellung zu nehmen.

3. Mit Schreiben vom 06.08.2019 wurde ein Nachweis über die 8-jährigen ausbildungsadäquate Berufserfahrung des BF2 übermittelt.

4. Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 12.08.2019 den Antrag abgewiesen. Zur Begründung wird angeführt, dass lediglich 20 von den geforderten Punkten erreicht würden und die im Antrag angegebene Tätigkeit nicht dem Ausbildungsniveau entspreche. Punkterelevante Nachreichungen seien in der gesetzten Frist nicht erfolgt.

5. Gegen diesen Bescheid erhoben BF1 und BF2 unter Vorlage diverser Unterlagen Beschwerde. Begründend wird zusammengefasst vorgebracht, dass § 12b Z1 AuslBG keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsniveau und der beabsichtigten Tätigkeit erfordere. Der BF2 bringe spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet der Edelsteine mit und in diesem Zusammenhang auch eine mehrjährige Berufstätigkeit. Aufgrund dieser Tatsachen wurde der BF2 zumindest 56 Punkte der Anlage C erfüllen.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.11.2019 wurden die Beschwerden abgewiesen. Begründen wurde vorgebrachte, dass aufgrund des abgeschlossenen Studiums der Psychologie 30 Punkte vergeben werden könnten. In der Kategorie Alter und Sprachkenntnisse könnte jeweils weitere 10 Punkte vergeben werden. Punkte für eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung könnten nicht vergeben werden.

7. Mit Schreiben vom 09.12.2019 wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF2, geboren am 15.06.1979, ist iranischer Staatsangehörige und beantragte am 13.06.2019 bei der Niederlassungs-und Aufenthaltsbehörde den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte" für eine sonstige Schlüsselkraft nach § 12b AuslBG (unter Vorlage von Unterlagen) als Leiter des Einkaufes (Mittlerer und Naher Osten) beim BF1 als Arbeitgeber mit einem monatlichen Bruttogehalt von €

3.500,00.

Die BF1 ist seit 01.09.2015 Inhaber der Gewerbeberechtigung "Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent" und hat drei Betriebsstätten in Wien inne. Die Unternehmenstätigkeit der BF1 umfasst den Handel mit Uhren und Schmuck sowie Juwelierstätigkeit.

Der BF2 weist einen Bachelorabschluss der Islamischen XXXX Universität im Studiengang Psychologie aus dem Jahr 2019 auf.

Der BF2 hat 2009 ein 4-monatiges Training im Bereich Edelsteinkunde bei A XXXX Company im Iran sowie ein berufsbegleitendes Training betreffend Handel und Bewertung von Edelsteinen im Ausmaß von knapp 7 Monaten vom Juni 2009 bis Februar 2010 bei N XXXX Jewelery im Iran absolviert. Weiters absolvierte der BF2 ein Training im Bereich Handel und Bewertung von Edelsteinen und Perlen von März 2010 bis Oktober 2010 bei J XXXX im Iran.

Eine Berufsausbildung in Edelsteinkunde ist in Österreich nicht vorhanden.

Der BF2 legte einen IELTS Test vom 09.08.2018 in der Sprache Englisch auf dem Niveau B1.

Der BF 2 gehört seit 2010 der Geschäftsführung des Unternehmers ARGO an, welches mit Sitz in Teheran auf den Handel und die Verarbeitung von Edelsteinen spezialisiert ist. Zu seinen Tätigkeiten gehören die Bewertung, den Einkauf und der Import von Edelsteinen aus Afghanistan und Pakistan, die Herkunftsdokumentation nach international anerkannten Standards, die Vermarktung der Schmuckkollektionen und die Betreuung internationaler Vertriebspartner.

Der BF2 erfüllt die im Vermittlungsauftrag genannten Voraussetzungen.

Die Vermittlung von Ersatzarbeitskräften wurde gewünscht.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörden und dem Vorbringen der BF und der AG.

Feststellungen zur BF1 wurden anhand des Gewerberegisters, Firmenauskunft im Internet (https://www.firmenabc.at/ XXXX _Ntog; https://www. XXXX .eu) getroffen.

Dass in Österreich keine Ausbildung in der Edelsteinkunde vorhanden ist, ergibt sich aus der Nachschau im Berufsinformationssystem des AMS.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Verfahrensrechtliche Bestimmungen:

3.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20f AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

§ 28 VwGVG bestimmt Folgendes:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht

3.2 Zu A) In der Sache:

§ 4b. (1) Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

§ 12b in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen

§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie

1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder

2. ein Diplomstudium zumindest ab dem zweiten Studienabschnitt bzw. ein Bachelorstudium, ein Masterstudium oder ein (PhD-)Doktoratsstudium an einer inländischen Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität absolviert und erfolgreich abgeschlossen haben und für die beabsichtigte Beschäftigung, die ihrem Ausbildungsniveau zu entsprechen hat, ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens dem ortsüblichen Entgelt inländischer Studienabsolventen mit einer vergleichbaren Tätigkeit und Berufserfahrung entspricht, jedenfalls aber mindestens 45 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG zuzüglich Sonderzahlungen beträgt,

und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Bei Studienabsolventen gemäß Z 2 entfällt die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall.

Anlage C in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

Anlage C

Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2 4

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1) Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2) Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5 10 15

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2) Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5 10

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre bis 40 Jahre

15 10

Summe der maximal anrechenbaren Punkte Zusatzpunkte für Profisportler/innen und Profisporttrainer/innen

90 20

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

§ 20d in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d.

(1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine "Blaue Karte EU" und ausländische Künstler den Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

1.-als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12

2.-als Fachkraft gemäß § 12a,

3.-als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,

4.-als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),

5.-als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine "Blaue Karte EU") oder

6.-als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) -(4) [...]

3.3 Im konkreten Fall:

Im ggst. Verfahren verfügt der BF1 sowohl über den Abschluss eines Bachelorstudiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer, welches bereits von der belangten Behörde in ihrem Bescheid anerkannt wurde, als auch über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, die für die angestrebte Tätigkeit Voraussetzung sind.

§ 12b AuslBG wurde im Rahmen der mit BGBl. I Nr. 25/2011 durchgeführten Neuregelung des Arbeitsmarktzuganges von besonders Hochqualifizierten, von Fachkräften in Mangelberufen und von sonstigen Schlüsselkräften aus Drittstaaten nach einem kriteriengeleiteten Punktesystem geschaffen.

Wie aus den Erläuterungen (GP XXIV RV 1077) zu dieser Bestimmung hervorgeht, sollte an Stelle der bis dahin geltenden über Quoten und allgemeine Kriterien gesteuerten Zulassung von Schlüsselkräften eine flexiblere, mit personenbezogenen und arbeitsmarktpolitischen Kriterien kombinierte Zulassung der Neuzuwanderung geschaffen werden, um jenen qualifizierten Arbeitskräften die Neuzuwanderung zu ermöglichen, die bei einer längerfristigen Beobachtung der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung sowie unter Berücksichtigung der schulischen und betrieblichen Ausbildungsmaßnahmen nicht aus dem vorhandenen Arbeitskräftepotential rekrutiert werden könnten und zur Sicherung bestehender und Schaffung neuer Arbeitsplätze notwendig sind. Die Zulassung der "sonstigen Schlüsselkräfte" (§§ 12b und 12c) wurde den jeweiligen arbeitsplatzbezogenen und arbeitsmarktpolitischen Anforderungen entsprechend unterschiedlich geregelt.

Daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung (unter anderem) des § 12b Z 1 AuslBG die bis dahin geltende allgemeine Definition einer Schlüsselkraft ablösen und einen Raster von konkreten Kriterien schaffen wollte. Daraus folgt, dass mit Erfüllung der in der Anlage C dargelegten Kriterien durch einen Antragstellern diesem Erfordernis rechtlich Rechnung getragen wird und für eine gesonderte, darüber hinausgehende Prüfung der Qualität der Arbeit oder der Auswirkungen auf eine allfällige Strukturverbesserung des inländischen Arbeitsmarktes kein Raum gegeben ist.

Den Erläuterungen der Regierungsvorlage 1077 BlgNR 24. GP (S, 13 "Sonstige Schlüsselkräfte") zufolge soll das zusätzliche Kriterium "spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten" in der Anlage C alternativ zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung gelten und sicherstellen, dass Profisportler, aber auch sonstige Spezialisten zugelassen werden können, die über keine formelle (Berufs)-Ausbildung verfügen.

Das Vorliegen derartiger spezieller Kenntnisse oder Fertigkeiten in der beabsichtigten Beschäftigung, wie sie Profisportler und andere Spezialisten besitzen, wurde in diesem Verfahren behauptet und ist auch aus der Aktenlage ersichtlich.

Der BF2 soll im Rahmen der angestrebten Tätigkeit den Einkauf im Ausland von Edelsteinen und deren Bewertung ausüben. Aus dem Berufsinformationssystem des Arbeitsmarktservice geht hervor, dass in Österreich keine Ausbildung in Edelsteinkunde vorhanden ist, sondern werden diese speziellen Fertigkeiten auch in Österreich z.B als Kurse über die Gemmologische Akademie in Linz angeboten.

Der BF2 hat im Verfahren nachgewiesen, dass er über diesbezügliche spezielle Kenntnisse verfügt und eine darauf basierende Berufserfahrung. Bei Anerkennung der speziellen Fertigkeiten und Kenntnisse in Rahmen der Punktevergabe, wäre in Folge eine Anerkennung der somit ausbildungsadäquaten Berufserfahrung möglich.

Nun lässt sich weder lässt aus dem Gesetz selbst herauslesen noch folgt aus den anlässlich der Schaffung des § 12b Z 1 ergangenen Erläuterungen, dass jedenfalls nur die höchste Ausbildung- hier Abschluss eines Bachelorstudiums- anzuerkennen ist, nicht aber spezielle Fertigkeiten und Kenntnisse, sofern diese - wie hier - für die angestrebte Tätigkeit Voraussetzung sind.

In ggst. Fall verfügt der BF2 verfügt über spezielle Kenntnisse im Bereich der Edelsteinkunde, die nicht im Rahmen einer regulären Berufsausbildung erworben werden können.

Sofern die belangte Behörde vorbringt, dass der BF2 nicht über eine abgeschlossene Lehre als Einkäufer verfügt, ist auf das EReknntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2016, Zl. Ra 2016/09/0104, hinzuweisen, in dem der Verwaltungsgerichthof ausgesprochen hat, dass die Bestimmung des § 12a AuslBG (Fachkräfte in Mangelberufen) mit der Bestimmung des § 12b Z 1 AuslBG (sonstige Schlüsselkräfte) nicht vergleichbar ist. Während § 12a AuslBG in seiner Z 1 ausdrücklich auf eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung Bezug nimmt, ist eine solche Regelung § 12b Z 1 AuslBG fremd. In der zuletzt genannten Norm sind ausbildungsrelevante Umstände ausschließlich im Rahmen der in Anlage C angeführten Kriterien bei der Ermittlung der Mindestpunktezahl (allenfalls) zu berücksichtigen.

Dem BF2 sind daher 20 Punkte für die speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten anzurechnen.

Da der BF2 das 30. Lebensjahr überschritten hat, sind diesbezüglich gemäß Anlage C 10 Punkte zu vergeben.

Für die die Englischkenntnisse auf dem Niveau B1 sind weitere 10 Punkten zuzuerkennen.

Für die Berufserfahrung im Ausmaß von 8 Jahren sind weitere 16 Punktezuzuerkennen. Zusammengefasst erreicht der BF2 bei der Prüfung gemäß Anlage C eine Punktezahl von 56 Punkten.

Das weitere, im § 12b Z1 AuslBG genannte Kriterium ist ein monatliches Bruttogehalt von 50% der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG.

Im Verfahren wurde seitens der AG klargestellt, dass ein Bruttolohn in Höhe von 3.500 € gewährt wird.

Die Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 ASVG beträgt im Jahr 2020 voraussichtlich monatlich € 5370,00. Der vereinbarte Bruttolohn von 3.500 Euro beträgt die erforderlichen 60% der im § 12b Z1 genannte Mindesthöhe.

Der BF2 erfüllt daher insgesamt die in § 12b Z1 geforderten Voraussetzungen für die Beschäftigung als sonstige Schlüsselkraft.

Sonstigen Erteilungshindernisse haben sich im bisherigen Verfahren nicht ergeben.

Der belangten Behörde obliegt es zu prüfen, ob für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle ein Inländer oder ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung stünde, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben (Ersatzkraftverfahren).

Der BF1 hat in der Arbeitsgebererklärung ausdrücklich zugestimmt, dass ein solches Verfahren eingeleitet wird und eine Arbeitsplatzbeschreibung abgegeben.

Im gegenständlichen Fall wurde das Ersatzkräfteverfahren nicht durchgeführt und wurde daher diese notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts zur Gänze unterlassen.

In einem weiteren Schritt wäre daher nunmehr eine Arbeitsmarktprüfung gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4b AuslBG durchzuführen.

Da die belangte Behörde die ordnungsgemäße Durchführung eines Ersatzkraftverfahrens unterlassen hat, steht der maßgebliche Sachverhalt nicht fest, sodass eine Entscheidung in der Sache selbst nicht zulässig ist.

Da die Durchführung des Ersatzkraftverfahrens seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mangels der Befugnis, Arbeitskräfte zu vermitteln, ausscheidet, ist der Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen, welche anhand des vorliegenden oder allenfalls zu ergänzenden Anforderungsprofils, soweit es nach Ansicht der belangten Behörde in den betrieblichen Notwendigkeiten Deckung findet, ein Ersatzkraftverfahren gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4b AuslBG durchzuführen hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.

In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, Zl. 2010/07/0111, mwN) (VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159).

Der BF1 und BF2 haben eine Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG jedoch nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG).

Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

Zu B) Zur Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob zur Erfüllung der in der Anlage C dargelegten Kriterien im Zusammenhang mit dem Kriterium "Qualifikation" jedenfalls jene Ausbildung mit der höchsten zu erreichenden Punkteanzahl zur Punktevergabe - hier Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer - heranzuziehen ist, oder alternativ auch jene Punkteanzahl - wie hier - für spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung, sofern diese für die angestrebte Tätigkeit Voraussetzung sind, vergeben werden kann.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Ersatzkraft, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Revision zulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2227268.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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