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Verwaltungsverfahren - VVGNorm
AVG §57 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des HT in S, vertreten durch Dr. Siegfried Rack und Dr. Franz Grauf, Rechtsanwälte in Völkermarkt, Klagenfurter Straße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 13. April 1987, Zl. 8V-1245/1/87, betreffend Vollstreckungsverfügung in einer Angelegenheit des Kraftfahrwesens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 8.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 25. Februar 1987 wurde gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B vorübergehend für die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides (das war nach der Aktenlage der 27. Februar 1987), entzogen. Zugleich wurde ausgesprochen, daß der Führerschein nicht mehr zum Lenken von Kraftfahrzeugen berechtige und gemäß § 75 Abs. 4 KFG 1967 unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt abzugeben sei. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer der zuletzt angeführten Verpflichtung nicht nachkam, wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 13. April 1987 "wegen Gefahr im Verzuge" verfügt, daß dem Beschwerdeführer "in Vollstreckung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft vom 25.2.1987, Zahl ....., der Führerschein in Anwendung unmittelbaren Zwanges von Organen des Gendarmeriepostens Völkermarkt abzunehmen ist".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der belangten Behörde ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - darin beizupflichten, daß der Mandatsbescheid vom 25. Februar 1987, der bereits den Auftrag an den Beschwerdeführer zur Ablieferung seines Führerscheines enthielt und demnach einen Exekutionstitel darstellte (vgl. hinsichtlich der insofern gleichgelagerten Verpflichtung zur Abgabe von Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1987, Zlen. 86/11/0122, 0123, und vom 22. September 1987, Zl. 87/11/0044), als vollstreckbar anzusehen war, hatte doch die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 57 Abs. 2 AVG keine aufschiebende Wirkung und trat auch dieser Bescheid nicht gemäß § 57 Abs. 3 leg. cit. von Gesetzes wegen außer Kraft, weil nach der Aktenlage binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren (durch ein entsprechendes behördliches Ersuchen, das sich auf das gegen den Beschwerdeführer anhängige Verwaltungsstrafverfahren, betreffend die dem Entziehungsbescheid zugrundeliegende Übertretung vom 1. Februar 1987 nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960, bezog) eingeleitet wurde, woran der Umstand nichts zu ändern vermag, daß der Beschwerdeführer hievon nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Der Beschwerdeführer, der im übrigen übersieht, daß im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit des Titelbescheides nicht aufgerollt werden kann (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1973, Slg. Nr. 8378/A), ist aber damit im Recht, daß die belangte Behörde bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht die Bestimmung des § 7 VVG 1950 hätte heranziehen dürfen.
Nach dieser Gesetzesstelle kann, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, der einem Bescheid entsprechende Zustand durch Anwendung unmittelbaren Zwanges hergestellt werden, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1984, Zlen. 84/11/0129, 0184, ausgesprochen hat, handelt es sich bei der einer Person aufgetragenen Zurückstellung des Führerscheines um eine "Handlung, die wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit sich durch einen Dritten nicht bewerkstelligen läßt" im Sinne des § 5 VVG 1950, wonach die Vollstreckung dadurch erfolgt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird. Das bedeutet zwar nicht, daß in derartigen Fällen die Anwendung des § 7 VVG 1950 von vornherein ausgeschlossen ist. Sie kommt aber nach ihrem klaren Wortlaut als Zwangsmittel nur dann in Betracht, wenn die Herstellung des entsprechenden Zustandes "auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist". Dabei ist auch auf § 2 Abs. 1 VVG 1950 Bedacht zu nehmen, wo es heißt, daß bei Handhabung der in diesem Gesetz geregelten Zwangsbefugnisse die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten haben, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist. Dem Hinweis der belangten Behörde, daß dem (eine Vollstreckungsverfügung nach § 4 Abs. 2 VVG 1950 betreffenden) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1972, Zl. 1812/71, eindeutig zu entnehmen sei, daß ein Zwangsmittel nur dann zum Ziel führe, wenn es den mit dem Titelbescheid aufgetragenen Zustand herstelle, ist entgegenzuhalten, daß im vorliegenden Beschwerdefall nicht ausgeschlossen werden kann, daß die im § 5 VVG 1950 vorgesehene Vorgangsweise, wäre sie von der Erstbehörde eingehalten worden, zum angestrebten Ziel geführt hätte.
Wenn die belangte Behörde weiters argumentiert, daß die Anwendung unmittelbaren Zwanges, obwohl als ultima ratio gedacht, als ausschließlich zielführende Maßnahme erscheine, um den dem Beschwerdeführer aufgetragenen Zustand zu erreichen, "zumal das Entzugsverfahren von Lenkerberechtigungen von dem Gedanken des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer vor verkehrsunzuverlässigen Personen getragen ist", so ist wohl richtig, daß diesem Gedanken im Entziehungsverfahren besondere Bedeutung zukommt, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit der Erlassung eines Mandatsbescheides im Entziehungsverfahren wegen "Gefahr im Verzug" bejaht (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11237/A) und den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bei Entziehungsbescheiden gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 für gerechtfertigt erachtet (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 29. September 1987, Zl. 87/11/0208, mit weiteren Judikaturhinweisen). Wurde aber die Lenkerberechtigung bereits rechtswirksam entzogen, so kann nicht ohne weiteres davon gesprochen werden, daß weiterhin "Gefahr im Verzug" gegeben sei. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Ablieferung des Führerscheines gemäß § 75 Abs. 4 KFG 1967 beruht offensichtlich darauf, daß der Führerschein als nach § 71 Abs. 1 leg. cit. ausgestellte Bestätigung über die erteilte Lenkerberechtigung im Falle ihrer Entziehung den Bestand dieses Rechtes nicht mehr zu erweisen vermag und daher keine Rechtfertigung dafür besteht, daß sich diese (mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmende) Bestätigung auch noch in der Folge in Händen des nicht mehr Berechtigten befindet. Damit wird dem Betreffenden auch die Möglichkeit genommen, bei allenfalls unbefugtem Lenken eines Kraftfahrzeuges (§ 64 Abs. 1 KFG 1967) den Führerschein den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung gemäß § 102 Abs. 5 lit. a. KFG 1967 auszuhändigen und auf diese Weise den (unrichtigen) Eindruck zu erwecken, daß die Lenkerberechtigung aufrecht sei. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer von seinem Führerschein unberechtigt Gebrauch machen könnte, genügt aber für sich allein keineswegs für die Annahme, daß "Gefahr im Verzug" bestehe und daher die Herstellung des dem Beschwerdeführer aufgetragenen Zustandes "nicht rechtzeitig möglich" sei. Davon könnte erst dann ausgegangen werden, wenn ein konkreter Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß der Beschwerdeführer tatsächlich von seinem Führerschein unberechtigt Gebrauch macht; derartiges hat aber selbst die belangte Behörde nicht angenommen. Demnach hat sie aber auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht die gemäß § 10 Abs. 2 lit. c VVG 1950 zu Recht erhobene Berufung gegen die erstinstanzliche Vollstreckungsverfügung "als unbegründet abgewiesen".
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die nicht in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes veröffentlicht worden sind, wird an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, dies allerdings hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes nur im Rahmen des gestellten Begehrens. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung, unabhängig von der Anzahl ihrer Bögen, lediglich S 360,-- an Stempelgebühren zu entrichten waren.
Wien, am 3. November 1987
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1987110118.X00Im RIS seit
14.04.2020Zuletzt aktualisiert am
14.04.2020