TE Vwgh Beschluss 2020/2/26 Ra 2020/05/0009

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82003 Bauordnung Niederösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
BauO NÖ 2014 §7
VwGG §34 Abs1
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088
VwGG §58 Abs2 idF 2013/I/033
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/05/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der G R und

2. des R R beide in G, beide vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in 2225 Zistersdorf, Hauptstraße 25, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 18. November 2019, LVwG-AV-1241/001-2019, LVwG-AV-1241/002-2019, betreffend Einstellung des Beschwerdeverfahrens i.A. einer Duldungsverpflichtung nach § 7 NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde G; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

I.

1 Mit Bescheid des Vizebürgermeisters der Marktgemeinde G. (im Folgenden: Vizebürgermeister) vom 25. April 2019 wurde den Miteigentümern eines (näher bezeichneten) Grundstückes (im Folgenden: Miteigentümer) gemäß § 7 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) die Duldung der vorübergehenden Benützung dieses Grundstückes durch die Revisionswerber als Nachbarn und weitere Personen bzw. durch sie beauftragte Dritte zur Fertigstellung des mit (näher bezeichnetem) Bescheid vom 5. Oktober 2016 genehmigten Bauvorhabens, nämlich Aufbringung einer Wärmefassade und einer Feuchtigkeitsisolierung im Sockelbereich auf den neu errichteten Bauwerken, wie dies in einem (näher bezeichneten) Plan festgelegt sei, aufgetragen. Neben in diesem Zusammenhang erteilten Vorschreibungen heißt es im Spruch dieses Bescheides:

"...

Die Arbeiten, der Zutritt und das Freihalten der Arbeits- und Zutrittsbereiche sind in einem Zeitraum von vier Wochen, insgesamt achtundzwanzig Tage, an Werktagen einschließlich Samstag in der Zeit von 7:00 bis 18:00 Uhr von den (Miteigentümern) zu dulden und zwar innerhalb eines Zeitraumes von fünf Monaten von April bis Oktober nach Rechtskraft dieses Bescheides.

Für den Fall, dass die Arbeiten aufgrund von Witterungseinflüssen oder durch Behinderung der (Miteigentümer) oder von ihnen beauftragten Personen im oben genannten Zeitraum nicht durchgeführt werden können, verlängert sich die Duldungsverpflichtung jeweils um weitere vier Wochen."

2 Die von den Miteigentümern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde G. (im Folgenden: Gemeindevorstand) vom 14. Juni 2019 als unbegründet abgewiesen. Dazu führte der Gemeindevorstand (u.a.) aus, dass der Vizebürgermeister mit dem angefochtenen Bescheid vom "06.03.2019" die Duldung der vorübergehenden Benützung ihres Grundstückes für das Bauvorhaben der Revisionswerber zur Anbringung einer Wärmedämmfassade auf dem neu errichteten Bauwerk und zu weiteren Baumaßnahmen für einen Zeitraum von vier Wochen, insgesamt 28 Tagen, an Werktagen einschließlich Samstag in der Zeit von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr innerhalb eines Zeitraumes von fünf Monaten von April bis Oktober 2019, nach Rechtskraft dieses Bescheides, bewilligt habe. 3 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt 1.) die von den Miteigentümern gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, (unter Spruchpunkt 2.) dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben und (unter Spruchpunkt 3.) eine Revision für nicht zulässig erklärt. 4 In Bezug auf Spruchpunkt 1. seines Beschlusses führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen (u.a.) aus, dass dem Gemeindevorstand bei Anführung des Datums des erstinstanzlichen Bescheides insofern ein offenkundiger Schreibfehler unterlaufen sei, als der erstinstanzliche Verpflichtungsbescheid das Datum "25. April 2019" trage und ein baubehördlicher Verpflichtungsbescheid des Vizebürgermeisters mit Datum "6. März 2019" nicht existiere. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass der mit dem Berufungsbescheid bestätigte Verpflichtungsbescheid vom 25. April 2019 seinem Spruch nach die Miteigentümer im Zeitraum von "April bis Oktober" zur Duldung der vorübergehenden Benützung ihres Grundstückes verpflichte, ohne dass dieser Zeitraum durch Beifügung einer Jahreszahl weiter konkretisiert worden sei. In der Begründung des (nur von den duldungsverpflichteten Miteigentümern angefochtenen) Berufungsbescheides gehe der Gemeindevorstand jedoch davon aus, dass die Duldungsverpflichtung "innerhalb eines Zeitraumes von 5 Monaten von April bis Oktober 2019, nach Rechtskraft dieses Bescheides" bestehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits mehrfach dargelegt, dass die Auslegung eines unklaren Spruches nach der Begründung des Bescheides zulässig sei. Bei einem undeutlichen Spruch könne die Begründung daher auch für die Klärung der Frage relevant sein, über welchen Zeitraum die Behörde abgesprochen habe (Hinweis auf VwGH 23.10.2008, 2006/21/0182). Eine Auslegung des Spruches des Berufungsbescheides, welcher an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides getreten sei, lasse aufgrund der eindeutigen Klarstellung des Geltungszeitraumes in der Begründung ausschließlich die Deutung zu, dass sich die Duldungsverpflichtung bloß auf den Zeitraum von April bis Oktober 2019 beziehe.

5 Darüber hinaus habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 28.1.2016, Ra 2015/11/0027, dargelegt, dass die zu § 33 Abs. 1 VwGG ergangene Rechtsprechung betreffend den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden könne. Die Beschwerde der Miteigentümer sei rechtzeitig erhoben worden, und im Zeitpunkt ihrer Einbringung seien die Miteigentümer auch offenkundig durch den Berufungsbescheid beschwert gewesen, sodass die Beschwerde zulässig gewesen sei. Mittlerweile sei jedoch der Zeitraum, der mit dem Berufungsbescheid zur Durchführung der erforderlichen Arbeiten bestimmt worden sei und für welchen die den Miteigentümern auferlegte Duldungsverpflichtung somit Wirksamkeit entfaltet habe, abgelaufen. Daraus folge, dass der Berufungsbescheid zur Gänze wirkungslos geworden sei. Damit sei auch die dagegen erhobene Beschwerde wegen des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegenstandslos geworden. 6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, die in der Anfechtungserklärung den Beschluss nur im Umfang dessen Spruchpunktes 2. unangefochten lässt.

II.

7 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe sich bei der Interpretation, dass "diese Duldungsverpflichtung (nur) für den Zeitraum des Jahres 2019 erfasst wäre", zu Unrecht auf die Begründung des Berufungsbescheides, dass die Duldungsverpflichtung innerhalb eines Zeitraumes von fünf Monaten von April bis Oktober 2019 nach Rechtskraft dieses Bescheides bestehe, berufen. Diese mit dem Erkenntnis VwGH 23.10.2008, 2006/21/0182, begründete Uminterpretation sei verfehlt, weil der Spruch des

erstinstanzlichen Bescheides eindeutig dahingehend laute, dass nach Rechtskraft im Zeitraum von fünf Monaten von April bis Oktober - ohne Jahresangabe - die Duldungsverpflichtung bestehe. Der Interpretation des Verwaltungsgerichtes im angefochtenen Beschluss komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom 25. April 2019 keine zeitliche Limitierung für die Duldungsverpflichtung in Bezug auf das Jahr 2019 enthalte.

8 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 34 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 sind Revisionen, denen (u.a.) der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Im Hinblick darauf, dass § 58 Abs. 2 VwGG auch für Revisionen das Rechtsschutzinteresse als Prozessvoraussetzung umschreibt, ist die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof (u.a.) nur dann zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass die angefochtene Entscheidung in Rechte des Revisionswerbers eingreift (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2017/05/0208, mwN; ferner in diesem Zusammenhang etwa VwGH 17.12.2019, Ro 2018/04/0008, mwN).

10 Im vorliegenden Revisionsfall ist nicht zu erkennen, inwieweit die Revisionswerber dadurch, dass mit dem angefochtenen Beschluss die von den Miteigentümern gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt wurde, in einem subjektivöffentlichen Recht verletzt sein könnten. Insbesondere können sie in einem solchen Recht auch nicht durch bestimmte Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Beschlusses - selbst wenn das Verwaltungsgericht, wie von den Revisionswerbern vorgebracht wird, tatsächlich von einer unzutreffenden Rechtsansicht ausgegangen sein sollte - verletzt werden, weil derartige Ausführungen keine über den normativen Gehalt des Spruches - nämlich die Erklärung der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde der Miteigentümer und der Einstellung des Beschwerdeverfahrens - hinausgehende Bindungswirkung zu entfalten vermögen (vgl. dazu etwa VwGH 29.9.2015, Ra 2015/05/0064, mwN).

11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

12 Abschließend wird bemerkt, dass eine Aufforderung zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht ergangen ist (vgl. dazu § 36 Abs. 1 VwGG) sowie dass aufgrund des normativen Gehaltes des Spruches des angefochtenen Beschlusses nicht ersichtlich ist, dass die Miteigentümer, die den angefochtenen Beschluss mit Revision hätten bekämpfen können, durch einen Erfolg der vorliegenden Revision als Mitbeteiligte im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG in ihren rechtlichen Interessen negativ berührt und deshalb als Mitbeteiligte dem Revisionsverfahren beizuziehen wären (vgl. dazu, dass der Kreis der Mitbeteiligten im Revisionsverfahren im Wesentlichen jenem entspricht, wie er vor Einführung des Revisionsmodells in den hg. Beschwerdeverfahren verstanden wurde, und zur Übertragbarkeit der diesbezüglichen früheren hg. Judikatur, Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 § 21 VwGG K 9; ferner in diesem Zusammenhang etwa Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 § 21 VwGG Anm 1, S. 28, und das auf S. 167 angeführte Erkenntnis VwGH 18.2.1970, Z 967/68). Schon im Hinblick darauf war auf den von den Miteigentümern durch deren Rechtsanwälte beim Verwaltungsgerichtshof am 12. Februar 2020 mittels Telefax - ohne eine Bescheinigung im Sinne des § 1 Abs. 2 VwGH-elektronischer-Verkehr-Verordnung - VwGH-EVV, BGBl. II Nr. 360/2014, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorliegen - eingebrachten, als "Äusserung an das Gericht als Mitbeteiligter" bezeichneten Schriftsatz, in dem sie beantragen, "das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bzw. der Verwaltungsgerichtshof mögen die außerordentliche Revision nicht zulassen und die VwGH-Beschwerde kostenpflichtig ab- , in eventu zurückweisen", nicht weiter einzugehen.

Wien, am 26. Februar 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020050009.L00

Im RIS seit

24.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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