TE Vwgh Erkenntnis 2020/2/26 Ra 2019/18/0456

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §8 Abs2
BFA-VG 2014 §9
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
FrPolG 2005 §61
MRK Art8
MRK Art8 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter und die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der K H, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2019, W192 2207928-1/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags der Revisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 4a Asylgesetz 2005 wendet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die Anordnung der Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 abgewiesen und der Revisionswerberin ein Durchführungsaufschub bis 30. November 2018 gewährt wurde, wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin reiste im Jahr 2015 nach Deutschland ein und beantragte dort am 3. März 2016 internationalen Schutz. Ihr wurde in Deutschland am 24. Juli 2017 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2 Im Folgenden reiste die Revisionswerberin nach Österreich, wo sie am 15. Februar 2018 standesamtlich die Ehe mit einem in Österreich asylberechtigten syrischen Staatsangehörigen schloss. Am 3. Juni 2018 wurde den Ehegatten eine gemeinsame Tochter geboren, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. Juli 2018 im Familienverfahren nach dem Vater der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.

3 Am 28. Juni 2018 stellte die Revisionswerberin in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, den das BFA mit Bescheid vom 23. August 2018 gemäß § 4a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurückwies. Mit der Zurückweisung wurde auch festgestellt, dass sich die Revisionswerberin nach Deutschland zurück zu begeben habe (Spruchpunkt I.). Der Revisionswerberin wurde kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt II.) und es wurde ihre Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) angeordnet (Spruchpunkt III.). Im Hinblick auf die erst zwei Monate alte Tochter der Revisionswerberin, die gestillt werden müsse, wurde die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung bis zum 30. November 2018 aufgeschoben (Spruchpunkt IV.).

4 Gegen die Spruchpunkte I., III. und IV. des Bescheides erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

5 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin lebe seit ihrer Einreise nach Österreich im gemeinsamen Haushalt mit ihrem nunmehrigen Ehegatten und ihrer in Österreich geborenen Tochter, die beide in Österreich asylberechtigt seien. Es liege eine enge familiäre Nahebeziehung vor. Die Revisionswerberin habe aber keinen Anlass dafür gehabt, darauf zu vertrauen, dass ihr nach ihrer Einreise und Stellung eines Asylantrags in Österreich internationaler Schutz gewährt werde, da sie bereits in Deutschland Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Es sei der Revisionswerberin, ihrem Ehegatten und der Tochter möglich und zumutbar, ihr Familienleben in Deutschland weiterzuführen, gegebenenfalls vorübergehend bis zur Erlangung eines österreichischen Aufenthaltstitels (durch die Revisionswerberin). Dem Ehemann und der Tochter sei nämlich aufgrund ihres Aufenthaltsstatus in Österreich die Einreise nach Deutschland möglich und aufgrund der geografischen Nähe als Nachbarstaat auch zumutbar. Weiters sei es der Revisionswerberin, ihrem Ehegatten und ihrem Kind zumutbar, das Familienleben mit der gemeinsamen Tochter in geringerer Intensität zu gestalten. Es werde nicht verkannt, dass die Revisionswerberin die zentrale Funktion bei der Kindererziehung und -betreuung habe, sodass ihr Verbleib in Österreich für die Familie, insbesondere für die Tochter, als vorteilhaft anzusehen sei. Darauf habe das BFA bereits für die Phase der ersten Lebensmonate der Tochter dadurch Rücksicht genommen, dass im angefochtenen Bescheid die Durchführung der Außerlandesbringung bis 30. November 2018 aufgeschoben worden sei. Damit habe die Behörde eine Situation geschaffen, in der die Revisionswerberin in der Lage sei, gemäß den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates und der Weltgesundheitsorganisation die Ernährung ihrer Tochter in den ersten sechs Monaten durch Stillen zu gewährleisten.

Dem stehe gegenüber, dass die Revisionswerberin bereits zum Zeitpunkt ihrer Einreise nach Österreich über den Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Deutschland verfügt habe und somit weder damals noch im Zeitpunkt der Eheschließung oder der Geburt ihrer Tochter damit habe rechnen können, in Österreich internationalen Schutz zu erhalten. Die rechtswidrige Weiterreise der Revisionswerberin innerhalb der Europäischen Union zwecks Einbringung eines weiteren Antrags auf internationalen Schutz widerspreche den Rechtsvorschriften des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Da die Revisionswerberin zudem bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union internationalen Schutzstatus besitze, stelle sich die fortgesetzte Befassung der Asylbehörden in einem weiteren Mitgliedstaat mit einem neuerlichen Asylantrag als in besonderem Maße rechtsmissbräuchlich dar. Die Revisionswerberin sei vom BFA auch über die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG belehrt worden, ohne dass die Revisionswerberin derartige Schritte gesetzt habe. Sie habe durch ihr nachhaltiges rechtsmissbräuchliches Verhalten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu respektieren. Ihr Recht auf ein Familienleben trete fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund.

6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend macht, der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs an die Revisionswerberin sei nicht gerechtfertigt. Sie habe jedenfalls bis zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 2019, Ra 2019/14/0023, davon ausgehen dürfen, dass das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 einem fremdenrechtlichen Verfahren nach dem NAG vorgehe und eine Familienzusammenführung auch in ihrem Fall ermögliche. In gravierender Weise verfehlt sei auch die Auffassung, eine Trennung der Revisionswerberin von ihrer zum Entscheidungszeitpunkt neun Monate alten Tochter wäre mit Blick auf Art. 8 EMRK zulässig. Dabei bleibe nämlich das Kindeswohl der noch im Säuglingsalter befindlichen Tochter unberücksichtigt. Es liege auf der Hand, dass es durch die erzwungene Außerlandesbringung der Revisionswerberin nach Deutschland zu einer Trennung von ihrer Tochter und damit zu einem erzwungenen Abbruch ihres persönlichen Kontakts und zu einer Entfremdung zwischen ihnen komme. Das BVwG berücksichtige dabei das Alter des Kindes und dessen besondere Bedürfnisse in der ersten Lebensphase nach persönlichem Kontakt mit seinen Eltern nicht.

7 Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist teilweise zulässig und begründet. Zu Spruchpunkt I.

9 Gemäß § 4a AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

10 Im gegenständlichen Fall hat die Revisionswerberin bereits in Deutschland subsidiären Schutz erhalten. Die Revision zieht auch nicht in Zweifel, dass sie dadurch Schutz vor Verfolgung gefunden hat, und sie macht auch gar nicht (explizit) geltend, dass ihr in Österreich neuerlich internationaler Schutz gewährt werden müsste. Dass auch § 34 AsylG 2005 keine andere Sichtweise gebietet, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits erkannt (vgl. etwa VwGH 4.3.2019, Ra 2019/14/0023). 11 Die Revision wirft daher in Bezug auf die Zurückweisung des Antrags der Revisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf und ist daher insoweit nicht zulässig.

Zu Spruchpunkt II.

12 Zulässig und begründet ist die Revision hingegen in Bezug auf die angeordnete Außerlandesbringung der Revisionswerberin. 13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wie etwa auch der Anordnung zur Außerlandesbringung nach § 61 FPG unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. etwa VwGH 25.4.2019, Ra 2019/19/0114, mwN).

14 Diese Abwägung hat das BVwG im vorliegenden Fall nicht in vertretbarer Weise vorgenommen:

15 Dem BVwG ist zwar zunächst zuzustimmen, dass ein Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Familienleben auch zu engen Familienangehörigen (Ehegatten, Kindern) gerechtfertigt sein kann, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden (eine solche liegt im gegenständlichen Fall allerdings nicht vor) oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271; 23.2.2017, Ra 2016/21/0235; 6.9.2018, Ra 2018/18/0026; 23.1.2019, Ra 2018/19/0683, jeweils mwN). Auch darf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205, mwN).

16 Das BVwG hält der Revisionswerberin vor, dass ihre Einreise nach Österreich und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich gewesen seien und die Bestimmungen des gemeinsamen europäischen Asylsystems missachtet wurden. Dem ist insoweit zuzustimmen, als die Revisionswerberin schon vor ihrer Einreise nach Österreich internationalen Schutz in Deutschland erhalten hatte und bei verständiger Würdigung der asylrechtlichen Bestimmungen zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen konnte, in Österreich neuerlich internationalen Schutz zu erhalten. 17 Wenn die Revision vermeint, die Revisionswerberin hätte bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. März 2019, Ra 2019/14/0023, noch annehmen dürfen, trotz des bereits vorhandenen subsidiären Schutzes in Deutschland aufgrund der Regelungen des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 in Österreich Asyl erhalten zu können, ist ihr Folgendes zu erwidern:

Selbst unter Außerachtlassung des zitierten hg. Erkenntnisses bestand für die Revisionswerberin keine Möglichkeit, Asyl im Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 zu erhalten. Die Revisionswerberin hat die Ehe mit dem in Österreich asylberechtigten Mann erst nach (dessen) Einreise geschlossen und fällt daher definitionsgemäß nicht unter den Begriff der im Familienverfahren geschützten Ehegatten (§ 2 Abs. 1 Z 22 iVm § 34 Abs. 1 und 2 AsylG 2005). Auch konnte sie einen Anspruch auf Asyl nicht von ihrer Tochter ableiten, weil diese den Status einer Asylberechtigten (nur) im Rahmen eines Familienverfahrens nach dem Vater zuerkannt erhalten hatte (§ 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005). Die rechtliche Argumentation der Revision schlägt daher in diesem Zusammenhang fehl.

18 Allerdings zeigt die Revison zu Recht auf, dass das BVwG die Frage des Kindeswohls der Tochter der Revisionswerberin in seiner Gesamtabwägung unzureichend beachtet hat.

19 Dazu ist vorweg auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts hinzuweisen, wonach die Auswirkungen der Entscheidung (hier: der Anordnung einer Außerlandesbringung) auf das Kindeswohl zu bedenken sind und dieser Umstand bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. § 9 BFA-VG hinreichend berücksichtigt werden muss (vgl. etwa VfGH 11.6.2018, E 343/2018, mwN; VwGH 23.2.2017, Ra 2016/21/0235, 31.8.2017, Ro 2017/21/0012, 20.9.2017, Ra 2017/19/0163, 5.10.2017, Ra 2017/21/0119, 28.11.2019, Ra 2019/19/0359, u.a.). 20 Das BVwG vermeint, das BFA habe ohnedies darauf Rücksicht genommen, dass die Revisionswerberin ihre Tochter (ein im Entscheidungszeitpunkt des BVwG gerade erst neun Monate altes Kleinkind) nach den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates und der Weltgesundheitsorganisation stillen solle und die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung für die Dauer von sechs Monaten ab der Geburt des Kindes aufgeschoben. Danach sei es nach Auffassung des BVwG zumutbar, das Familienleben mit der Tochter "in geringerer Intensität zu gestalten".

21 Diese Argumentation überzeugt schon deshalb nicht, weil die angesprochenen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation bzw. die Stillempfehlungen der Österreichischen Stillkommission des Obersten Sanitätsrates lediglich davon ausgehen, dass das Stillen während der ersten sechs Lebensmonate die optimale ausschließliche Ernährung für Säuglinge darstelle und danach mit der Gabe von Beikost begonnen werden könne. Das Stillen wird aber auch über diesen Zeitpunkt hinaus als empfehlenswert bezeichnet. Hinzu kommt, dass allein die Stillempfehlung noch nichts darüber aussagt, welche persönlichen Kontakte zwischen dem Kleinkind und der Mutter von prägender Bedeutung für die Entwicklung des Kindes sein können.

22 In der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts wurde bereits wiederholt erkannt, dass in den ersten Lebensphasen eines Kindes der ständige Kontakt mit der Mutter nicht nur wünschenswert, sondern notwendig sein kann. Dabei wurde der relevante Zeitraum keineswegs generell auf die ersten sechs Monate nach der Geburt eingeschränkt (vgl. VfGH 11.6.2018, E 343/2018; VwGH 12.9.2012, 2012/23/0017, 16.1.2019, Ra 2018/18/0272, mwN). Es lässt sich auch nicht allgemein formulieren, dass ein Alter des Kindes von neun Monaten (wie es im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG im gegenständlichen Fall vorlag) eine Trennung des Kindes von der Mutter unter dem Blickwinkel des Kindeswohls rechtfertigen würde. Erforderlich ist vielmehr, unter Bedachtnahme auf die gesamte Familiensituation die konkreten Auswirkungen der Trennung auf das Kindeswohl festzustellen und zu berücksichtigen. Diesbezügliche Erörterungen fehlen im angefochtenen Erkenntnis vollständig. 23 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das BVwG Besuche des Kindes bei der Mutter in Deutschland - aufgrund des asylrechtlichen Status der Tochter in Österreich - für möglich hält, weil allein dadurch nicht klar wird, ob die besonderen Bedürfnisse des Kleinkindes durch solche Besuche hinreichend gesichert werden können.

24 Da das BVwG somit das Kindeswohl bei der Abwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK bzw. § 9 BFA-VG nicht ausreichend gewichtete, hat es das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Anordnung zur Außerlandesbringung (vorrangig) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

25 Die Revision war daher in Bezug auf die Entscheidung nach § 4a AsylG 2005 gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen. In Bezug auf die Anordnung zur Außerlandesbringung und den damit untrennbar verbundenen Ausspruch war das angefochtene Erkenntnis aber wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019180456.L00

Im RIS seit

16.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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