TE Vfgh Erkenntnis 1996/6/28 B2149/94

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Veröffentlicht am 28.06.1996
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Änderungsplanes Nr 22 zum Flächenwidmungsplan Nr 2 der Gemeinde St. Lorenz vom 04.02.93 mit E v 12.06.96, V124/95. Aufhebung des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides betreffend Versagung einer Baubewilligung hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin; Abweisung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gegen Spruchpunkt I. betreffend Zurückweisung der Vorstellung mangels Parteistellung; im übrigen Zurückweisung der Beschwerde mangels Legitimation der Beschwerdeführerinnen. Da nur die Erstbeschwerdeführerin zum Teil obsiegte, wurden dieser angesichts des Gesamtergebnisses der Beschwerde (teils Zurückweisung, teils Abweisung, teils Stattgabe) bloß die halben Kosten des Verfahrens zuerkannt.

Spruch

I. Die Erstbeschwerdeführerin (Rechtsnachfolgerin im Liegenschaftseigentum der vormals erstbeschwerdeführenden Gesellschaft) ist durch den Spruchteil II. des bekämpften Bescheides wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der Erstbeschwerdeführerin zuhanden ihres bevollmächtigten Vertreters die mit S 9.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

II. Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft wird, insoweit sie sich gegen den Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wendet, abgewiesen.

III. Im übrigen wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

IV. Die Beschwerde wird hinsichtlich der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft im Umfang der Abweisung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Im Umfang der Zurückweisung wird der Antrag der Erstbeschwerdeführerin und der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit - am 3. Februar 1993 bei der Baubehörde eingelangtem - Ansuchen vom 25. Jänner 1993 begehrte die erstbeschwerdeführende Gesellschaft die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau von Hotelsuiten zur Villa Minola auf den Grundstücken Nr. 2158, 2159 und 2160 KG St. Lorenz. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Lorenz vom 25. Oktober 1993 wurde dieses Ansuchen der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §45 Abs6 OÖ BauO 1976 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhoben sodann die beiden beschwerdeführenden Gesellschaften Berufung, welche vom Gemeinderat der Gemeinde St. Lorenz mit Bescheid vom 30. Juni 1994 abgewiesen wurde. Dagegen erhoben beide beschwerdeführenden Gesellschaften gemeinsam Vorstellung. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. September 1994 wurde die Vorstellung der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft mangels Parteistellung im abgeführten Baubewilligungsverfahren zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Vorstellung der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft abgewiesen, da das Bauvorhaben der rechtswirksamen Grünlandwidmung des Grundstückes Nr. 2160 sowie einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 2159 KG St. Lorenz widerspricht (Spruchpunkt II.).

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher sich sowohl die erstbeschwerdeführende als auch die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als verletzt erachten und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen.

3. Die Beschwerde bringt keine Begründung zur Anfechtung des Spruchpunktes I. vor, sondern enthält ausschließlich Ausführungen zu Spruchpunkt II. Adressat des angefochtenen Bescheides ist hinsichtlich Spruchpunkt I. die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft, hinsichtlich Spruchpunkt II. die erstbeschwerdeführende Gesellschaft.

4. Im verfassungsgerichtlichen Verfahren legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Auch die Gemeinde St. Lorenz beantragte in einer Äußerung, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften erstatteten eine Replik, in der sie den Ausführungen der belangten Behörde entgegentraten.

II. 1. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 30. Juni 1995 gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des Änderungsplanes Nr. 22 zum Flächenwidmungsplan Nr. 2 der Gemeinde St. Lorenz vom 4. Februar 1993, genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Juli 1993, kundgemacht durch Auflegung zur öffentlichen Einsicht und Kundmachung der Tatsache der Auflegung vom 15. Juli 1993 bis 30. Juli 1993, von Amts wegen zu prüfen.

2. Im Verordnungsprüfungsverfahren teilte die Gemeinde St. Lorenz in ihrer Äußerung mit, daß mittlerweile an den von der Beschwerde erfaßten Grundstücken ein Eigentümerwechsel stattgefunden habe. Das Verfahren sei daher einzustellen, weil die Prozeßvoraussetzungen bezüglich der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft nicht mehr gegeben seien.

2.1. Aus dem vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Grundbuchsauszug ist ersichtlich, daß die erstbeschwerdeführende Gesellschaft mit Kaufvertrag vom 31. März 1995 unter anderem die in Rede stehenden Grundstücke veräußert hat. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Käuferin ist mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mondsee vom 13. September 1995 (somit nach Einbringung der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof) rechtskräftig erfolgt.

Die dingliche Wirkung des angefochtenen Bescheides (§64 Abs1 OÖ BauO) bewirkt nun die Beschwerdelegitimation der Käuferin, welche über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes erklärte, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen. Es war daher mit der Käuferin als Nachfolgerin im Liegenschaftseigentum der erstbeschwerdeführenden Gesellschaft an deren Statt das Verfahren fortzusetzen (VfSlg. 9423/1982).

2.2. Die Beschwerde ist im Umfang der Anfechtung des Spruchpunktes II. hinsichtlich der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin und im Umfang der Anfechtung des Spruchpunktes I. hinsichtlich der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft zulässig.

2.3. Soweit sich die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen Spruchpunkt I. und der zweitbeschwerdeführenden Gesellschaft gegen Spruchpunkt II. richtet, ist sie jeweils mangels Legitimation der Beschwerdeführerinnen zurückzuweisen.

3. Mit Erkenntnis vom 12. Juni 1996, V124/95, hob der Verfassungsgerichtshof die Verordnung der Gemeinde St. Lorenz vom 4. Februar 1993 als gesetzwidrig auf.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides eine gesetzwidrige Verordnung angewandt. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Erstbeschwerdeführerin nachteilig war.

Der Bescheid war daher hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin im Umfang des angefochtenen Spruchpunktes II. aufzuheben.

4. Zur Anfechtung des Spruchpunktes I. enthält die Beschwerde keine Ausführungen. Beim Verfassungsgerichtshof ist auch nicht hervorgekommen, daß die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft durch Spruchpunkt I. in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde. Die Beschwerde war daher in diesem Umfang abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

5. Im Umfang der Zurückweisung war der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite sowie §19 Abs4 Z1 und 3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Da nur die Erstbeschwerdeführerin zum Teil obsiegte, wurden dieser angesichts des Gesamtergebnisses der Beschwerde (teils Zurückweisung, teils Abweisung, teils Stattgabe) bloß die halben Kosten des Verfahrens zuerkannt (vgl. VfSlg. 11357/1987, 13435/1993).

Im zugesprochenen Betrag sind S 1.500,-- an Umsatzsteuer enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, Bescheid / Trennbarkeit, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B2149.1994

Dokumentnummer

JFT_10039372_94B02149_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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