TE Vwgh Erkenntnis 2020/2/26 Ra 2019/05/0065

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs7
AVG §56
AVG §66 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/05/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. des N D und

2. des C P, beide in W, beide vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 17. Dezember 2018, LVwG-150673/29/RK/EP - 150678/3, betreffend Aufhebung eines Baubewilligungsbescheides (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt W; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt W hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis VwGH 20.3.2018, Ra 2016/05/0027, verwiesen. Daraus ist Folgendes festzuhalten:

2 Mit der am 31. Juli 2014 beim Magistrat der Stadt W. (im Folgenden: Magistrat) eingelangten, mit 30. Juni 2014 datierten Eingabe beantragte die m. GmbH (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau zweier als "Kinder- und Jugendhilfe Wohngruppe" bezeichneter Gebäude auf einem näher angeführten Grundstück.

3 Die Revisionswerber erhoben als Nachbarn im Sinne des § 31 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994 Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

4 Mit Bescheid des Magistrates vom 22. Dezember 2014 wurde der Bauwerberin die Baubewilligung für dieses Bauvorhaben unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt.

5 Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt W. (im Folgenden: Stadtsenat) vom 9. April 2015 wurde (u.a.) die von den Revisionswerbern dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

6 Gegen diesen Bescheid erhoben (u.a.) die Revisionswerber Beschwerde. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 21. Dezember 2015 wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt. 7 Mit dem Erkenntnis VwGH 20.3.2018, Ra 2016/05/0027, wurde aufgrund der von den Revisionswerbern gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 21. Dezember 2015 erhobenen Revision dieses Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

8 In weiterer Folge zog die Bauwerberin mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 den verfahrenseinleitenden Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für den "Neubau einer Kinder- und Jugendhilfe Wohngruppe" (Bauansuchen vom 30. Juni 2014) zurück. 9 Mit dem angefochtenen Beschluss traf das Verwaltungsgericht den Ausspruch, dass "anlässlich der Beschwerden" gegen den genannten Berufungsbescheid vom 9. April 2015 (Spruchpunkt I.) dieser Bescheid ersatzlos aufgehoben und (Spruchpunkt II.) das Verfahren für gegenstandslos erklärt und eingestellt werde sowie (Spruchpunkt III.) eine Revision gegen diesen Beschluss unzulässig sei.

10 Dazu führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass Anbringen gemäß § 13 Abs. 7 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden könnten. Die Zurückziehung eines Antrages sei demnach solange zulässig, als dieser noch unerledigt sei. Dies bedeute für jene Fälle, in denen der Antrag auf die Einleitung eines mit Bescheid abzuschließenden Verfahrens gerichtet sei, dass eine Antragszurückziehung bis zur Bescheiderlassung, im Falle einer Beschwerde bis zur Erlassung einer Entscheidung durch das Verwaltungsgericht möglich sei (Hinweis auf VwGH 16.8.2017, Ro 2017/22/0005).

11 Im gegenständlichen Fall sei das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 21. Dezember 2015 durch den Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden, womit der verfahrenseinleitende Antrag wieder unerledigt gewesen sei und daher habe zurückgezogen werden können. Die Zurückziehung habe den Wegfall der Zuständigkeit des Stadtsenates zur Erlassung des Bescheides und damit nachträglich dessen Rechtswidrigkeit bewirkt (Hinweis auf VwGH 5.3.2015, Ra 2014/02/0159).

12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision.

13 Der Stadtsenat erstattete eine Revisionsbeantwortung.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Die Revision ist in Anbetracht der in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) aufgeworfenen Frage der Rechtswirkung der ersatzlosen Behebung eines Berufungsbescheides zulässig. Sie ist auch berechtigt.

15 Die Revision führt dazu im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, lediglich den Berufungsbescheid ersatzlos zu beheben, sondern vielmehr in Reformation des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid anstelle der Berufungsbehörde ersatzlos beheben müssen (Hinweis auf VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0023). Das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass durch die bloße Behebung des Berufungsbescheides der erstinstanzliche Bescheid weiterhin aufrecht bleibe und dem Rechtsbestand angehöre. Die Bauwerberin hätte damit die Möglichkeit, sich auf eine ihr erteilte Baubewilligung zu berufen. Ein Nachbar im Baubewilligungsverfahren habe daher im Falle der Zurückziehung des Bauansuchens durch den Bauwerber Anspruch auf Entscheidung über sein dagegen erhobenes Rechtsmittel, um eine Baubewilligung aus dem Rechtsbestand zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht hätte somit in Abänderung des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufheben müssen.

16 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0023, mwN) darf sich das Verwaltungsgericht, wenn ein erstinstanzlicher Bescheid im Sinne einer negativen Entscheidung abzuändern ist, nicht darauf beschränken, den Berufungsbescheid "ersatzlos" zu beheben. Vielmehr hat es selbst die negative Erledigung herbeizuführen, das heißt, in Reformation des Berufungsbescheides den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben. Denn durch die ersatzlose Aufhebung (bloß) des Berufungsbescheides gehört der erstinstanzliche Bescheid wieder und weiterhin dem Rechtsbestand an.

17 Im vorliegenden Revisionsfall bewirkte die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Bauwerberin den Wegfall der Zuständigkeit des Magistrates zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht wäre somit gehalten gewesen, diesen Bescheid (ersatzlos) zu beheben (vgl. etwa VwGH 5.3.2015, Ra 2014/02/0159, mwN; ferner etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2018/07/0454). Diese Rechtsfolge wurde durch die bloße Behebung des Berufungsbescheides, wie dargestellt, nicht bewirkt. 18 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 19 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 26. Februar 2020

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019050065.L00

Im RIS seit

24.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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