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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des A G in R, vertreten durch Mag. Martin Corazza, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 28. März 2018, Zl. LVwG- 2017/26/1288-13, betreffend Übertretungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 und des Forstgesetzes 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 28. März 2018 wurde der Revisionswerber zweier Übertretungen des § 45 Abs. 1 lit. c Tiroler Naturschutzgesetz 2005 iVm der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 17. Februar 2009 über die Erklärung des Tschirgant-Bergsturzes zum Naturschutzgebiet sowie einer Übertretung des § 174 Abs. 1 lit. a Z 6 iVm § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 schuldig erkannt und über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von EUR 500,--, EUR 1.400,-- sowie EUR 750,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 24 Stunden, 48 Stunden sowie 36 Stunden) verhängt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 2924/2018-18, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte in diesem Beschluss aus, soweit die Beschwerde die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behaupte, lasse ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe:
Die Verordnung über die Erklärung des Tschirgant-Bergsturzes zum Naturschutzgebiet samt Anlage, die mit der Bezeichnung "Naturschutzgebiet Tschirgant-Bergsturz" bei der Abteilung Umweltschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung, bei der Bezirkshauptmannschaft Imst und bei den Gemeindeämtern Haiming, Roppen und Sautens zur allgemeinen Einsicht aufliege, lasse im präjudiziellen Bereich mit hinreichender Deutlichkeit die Grenzen des Naturschutzgebietes erkennen.
3 Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene Revision erweist sich als unzulässig:
4 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 26.9.2019, Ra 2018/10/0074, mwN).
8 Die vorliegende außerordentliche Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung geltend, auch wenn der Verfassungsgerichtshof der Ansicht sei, dass "formal die Naturschutzverordnung ordnungsgemäß kundgetan worden sein soll", so sei "seitens des Verwaltungsgerichtshofes jedoch festzustellen, welche Pläne als Beilagen zur Verordnung kundgemacht worden" seien. Da bei den einzelnen Behörden, bei welchen die anzuwendende Naturschutzverordnung zur Auflage und Einsicht bereitgehalten worden sei, "jedoch nicht die gleichen Pläne als Beilagen aufscheinen", werde der Verwaltungsgerichtshof entscheiden müssen, "welcher Beilagenplan nun der gesetzlich richtige" sei. 9 Diesem - offenbar Kundmachungsmängel geltend machenden - Zulässigkeitsvorbringen ist zunächst der oben genannte Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2019 entgegenzuhalten (vgl. auch VfGH 28.6.2017, V 4/2017, wonach der Verfassungsgerichtshof nunmehr die Auffassung vertritt, dass auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen anzuwenden haben und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten haben; bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich). Davon abgesehen wird aber auch die Behauptung, die Anlage zur in Rede stehenden Verordnung unterscheide sich bei den Behörden, in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision in keiner Weise konkretisiert, sodass damit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt wird.
10 Die Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Weiteren geltend, auch "zur Frage der Veränderung des Naturschutzgebietes" sei eine Entscheidung erforderlich. Das Naturschutzgebiet werde in der Verordnung nur mit einer Größe von 342,5 ha beschrieben, eine Auflistung der einzelnen Grundstücksnummern gebe es nicht. Der Grenzverlauf des Naturschutzgebietes sei nicht eindeutig beschrieben und decke sich auch nicht mit den Grundstücks- bzw. Parzellengrenzen. Zwischenzeitlich sei es "zu Veränderungen der einzelnen - möglicher Weise - betroffenen Grundstücken gekommen", es seien die Bezeichnungen verändert worden. Auch habe sich der Vermessungsplan in seinen Grundlagen massiv verändert. So habe es beispielsweise bei Verordnungserlassung den sogenannten "Steuerkataster" als einzige Grundlage gegeben, dieser spreche von "Meterabweichungen". Mittlerweile befänden sich die meisten Grundstücke im sogenannten Grenzkataster, dieser spreche nur mehr von "Zentimeterabweichungen". Auch die gegenständliche Liegenschaft habe "damals die Bezeichnung 1053 und 1054 (gehabt), jetzt nur 1054". Dies sei insbesondere "zur Frage des Tatortes relevant". Dazu gebe "es auch noch keine Feststellungen bzw. Entscheidungen".
11 Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann vorliegt, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 22.10.2019, Ra 2018/10/0166, mwN). Mit den wiedergegebenen, allgemein gehaltenen Zulässigkeitsausführungen wird aber nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von den angesprochenen Fragen abhängen sollte. Dass die dem Revisionswerber vorgeworfenen Übertretungen auf seinem Grundstück Nr. 1054 in einer näher bezeichneten Katastralgemeinde begangen wurden, wurde dem Revisionswerber bereits im Spruch des behördlichen Straferkenntnisses vorgeworfen. Dass in der in Rede stehenden Verordnung die Grundstücksnummern nicht aufgezählt sind, ändert nichts daran, dass das genannte Grundstück nach Maßgabe der planlichen Darstellung in der Anlage zur Verordnung - vom Revisionswerber offenbar unbestritten, soweit nicht der genaue Grenzverlauf auf seinem Grundstück betroffen ist (siehe dazu sogleich unten) - Teil des Naturschutzgebietes ist. 12 Der Revisionswerber macht in der Zulässigkeitsbegründung schließlich geltend, es gehe auch "um die Frage der Abgrenzung des Naturschutzgebietes". Handle es sich um die Fläche "innerhalb der Umrandung oder gehe die Fläche bis zur Außenkante der Umrandung?". Dazu habe der Verwaltungsgerichtshof noch keine Entscheidung getroffen. Die Strichbreite in der Dokumentation entspreche in der Natur etwa 5 Metern. Ob diese Fläche der "Einrahmung" zur Schutzzone zähle oder nicht bzw. ob die genaue Grenze an der Innenseite der Strichführung oder an der Außenseite liege, sei nicht geregelt. Aber auch eine "Grenzziehung" mit einer Grenzfläche von etwa 5 Meter Breite sei vermutlich nicht ausreichend als Grenze beschrieben.
13 Diesem Vorbringen ist abermals entgegenzuhalten, dass nicht dargelegt wird, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte. Insbesondere wird zu den beiden Übertretungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 - für die Übertretung des Forstgesetz 1975 ist die Frage des Grenzverlaufs der gegenständlichen Naturschutzverordnung von vornherein nicht von Belang - in keiner Weise dargelegt, welche der dem Revisionswerber vorgeworfenen Verhaltensweisen in einem Bereich gesetzt worden sei, der durch die angesprochene Frage überhaupt berührt wäre. Ohne konkrete Bezugnahme auf den Einzelfall ist die Zulässigkeit einer Revision aber nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. VwGH 27.11.2019, Ra 2019/05/0292, mwN).
14 Soweit dieses Vorbringen allenfalls dahin zu verstehen wäre, dass es sich auf dem Revisionswerber vorgeworfene Maßnahmen unmittelbar an der westlichen Grundstücksgrenze bezieht, ist nochmals auf den oben genannten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes sowie auf dessen Rechtsprechung zu verweisen, wonach bei der Planauslegung (bei einem Plan wie dem auch hier vorliegenden) - bei Fehlen anderer Auslegungsmomente - im Zweifel auf die "Strichmitte" abzustellen ist (vgl. VfGH 14.6.2019, V 81-82/2018-15, Rn 30). Für den vorliegenden Fall ergibt sich im Übrigen nichts anderes bei Einbeziehung des Umstandes, dass - im hier relevanten Bereich - die Grenze des Naturschutzgebietes offensichtlich mit den Grundstücksgrenzen der betroffenen Grundstücke übereinstimmt. Die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision legt in keiner Weise dar, dass und aus welchen Gründen im Revisionsfall davon abweichend auf die "Innenseite der Strichführung" abzustellen wäre. Eine grundsätzliche Rechtsfrage wird daher auch insofern nicht dargelegt.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100121.L00Im RIS seit
29.04.2020Zuletzt aktualisiert am
29.04.2020