Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §19 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache der A B in C, vertreten durch Dr. Johann Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2019, W119 2145702-1/32E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine chinesische Staatsangehörige, reiste auf dem Luftweg mit einem vom Österreichischen Generalkonsulat Shanghai ausgestellten Visum C nach Österreich und stellte hier am 28. November 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Sie brachte vor, im Heimatland wegen ihres christlichen Glaubens - sie gehöre der Glaubensgemeinschaft der "Hu Han Pai" an - Verfolgung zu unterliegen.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Jänner 2017 ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach China zulässig sei, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 19. Dezember 2019, im Wesentlichen als unbegründet ab. Lediglich den Ausspruch über die Nichtgewährung einer Ausreisefrist änderte das Verwaltungsgericht - nachdem es der Beschwerde bereits zuvor mit gesonderter Entscheidung vom 30. Jänner 2017 die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte - dahingehend ab, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wurde. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revisionswerberin wendet sich in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision unter verschiedenen Aspekten gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2019/14/0513, mwN). Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 10.1.2020, Ra 2019/20/0579, mwN).
9 Es gelingt der Revision, in der eigene beweiswürdigende Erwägungen angestellt werden, nicht, in Bezug auf die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit aufzuzeigen.
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschafft und sie sowie einen von ihr bekannt gegebenen Zeugen zu ihren religiösen Aktivitäten befragt hat - mit dem Vorbringen der Revisionswerberin des Näheren auseinandergesetzt und diesem in nicht unschlüssiger Weise die Glaubwürdigkeit abgesprochen.
11 Richtig ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber auch betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429; 16.1.2020, Ra 2019/20/0606, jeweils mwN). Im vorliegenden Fall stellte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung, in deren Rahmen es auch auf Widersprüche in den späteren Angaben der Revisionswerberin gegenüber jenen Angaben, die sie in der Erstbefragung getätigt hatte, verwies, zusätzliche für sich tragende Überlegungen an, die sich - wie bereits erwähnt - nicht als unvertretbar darstellen.
12 Werden Verfahrensmängel - wie hier im Besonderen Ermittlungsmängel wegen unterbliebener Vernehmung von weiteren Zeugen - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss zudem auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 10.1.2020, Ra 2019/20/0579; 26.11.2019, Ra 2019/14/0276, jeweils mwN). Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen - in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0445, mwN).
13 All dem kommt die Revisionswerberin mit ihren insoweit nicht näher konkretisierten, sondern in der Revision lediglich pauschal gehaltenen Ausführungen nicht nach.
14 Soweit in der Revision geltend gemacht wird, das vom Bundesverwaltungsgericht für seine Feststellungen zur Situation in China herangezogene Berichtsmaterial sei teilweise veraltet gewesen, liegt dem - ebenso wie dem Vorbringen zur Frage, ob der Revisionswerberin subsidiärer Schutz hätte gewährt werden müssen - als Prämisse die Richtigkeit des Fluchtvorbringens zugrunde. Damit entfernt sie sich aber von den - wie dargelegt: im Revisionsverfahren nicht zu beanstandenden - Feststellungen. Schon aus diesem Grund ist sohin dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0356, mwN).
15 Die Revisionswerberin ist weiters darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0461, mwN). Entgegen dem in der Revision erhobenen Vorwurf trifft es nicht zu, dass das Bundesverwaltungsgericht die Interessenabwägung nicht ordnungsgemäß durchgeführt und die Gewichtung der fallbezogen entscheidungsmaßgeblichen Umstände entgegen den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien vorgenommen hätte. Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang erstmals in der Revision ins Treffen führt, dass eine "eheliche(.) Lebensgemeinschaft" und eine "finanzielle Absicherung im Bundesgebiet" gegeben sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Berücksichtigung dieses Vorbringens das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG ) entgegensteht und dieses Vorbringen schon deswegen im Revisionsverfahren keine Beachtung finden kann (vgl. VwGH 8.1.2020, Ra 2019/18/0329, mwN). Es ist aber zudem nicht zu sehen, dass selbst bei Berücksichtigung dieser - in der Revision nur beschlagworteten und völlig unsubstantiiert gebliebenen - Behauptungen im Hinblick auf die sonst vom Verwaltungsgericht im konkreten Einzelfall festgestellten Umstände eine Konstellation gegeben wäre, wonach sich die Erlassung der Rückkehrentscheidung als unverhältnismäßig dargestellt hätte.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 26. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140062.L00Im RIS seit
05.05.2020Zuletzt aktualisiert am
05.05.2020