TE Vwgh Beschluss 2020/3/3 Ra 2020/04/0021

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Veröffentlicht am 03.03.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §52

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des J B in S, vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 26. November 2019, Zl. LVwG-851149/53/Wg, betreffend Genehmigung nach dem Mineralrohstoffgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden, mitbeteiligte Partei: K GmbH in S, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH, 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 3. Jänner 2019 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden (belangte Behörde) der mitbeteiligten Partei gemäß § 116 iVm §§ 80 bis 83, 113 und 171 Abs. 1 MinroG die mineralrohstoffliche Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplans für die Erweiterung einer näher genannten Abbaustätte (Festgesteinsabbau) sowie gemäß § 119 iVm §§ 118 und 171 Abs. 1 MinroG die Bewilligung zur Herstellung (Errichtung) von näher bezeichneten obertägigen Bergbauanlagen.

Aus hydrologischer und wasserwirtschaftlicher Sicht ordnete die belangte Behörde im Bescheid unter anderem folgende Auflagen an:

"16. Die Abbauetagen sind mit Gefälle nach innen zur Abbauwand und unter Belassung eines Randwalls auszuformen, damit Starkniederschläge retentiert werden und versickern. Allfällige Wasserwegigkeiten in den Sohlen und durch den Sohleinstau benetzten Teilen der Abbauwand sind soweit abzudichten, dass die retentierten Niederschlagswässer nur langsam versickern.

17. Sollten während des Abbaus Bergwasseraustritte festgestellt werden, ist umgehend die Behörde zur Beurteilung der Situation zu verständigen. Es ist zu prüfen, wieweit dadurch fremde Rechte und öffentliche Interessen beeinträchtigt werden und ob ein weiterer Abbau zulässig ist.

18. Zur Sicherstellung einer ausreichenden Starkniederschlagsretention und zur sicheren Vermeidung einer Abflussverschärfung ist auf der Endsohle ein Retentionsvolumen von mind. 30.000 m3 auf der Sohlfläche von 6.000 m2 auszuformen (Einstauhöhe ca. 5 m). Allfällige Wasserwegigkeiten in der Sohle und durch den Sohleinstau benetzten Teilen der Grubenwand sind soweit abzudichten, dass die retentierten Niederschlagswässer nur langsam versickern."

2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers, der Eigentümer eines forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks ist, das unmittelbar an die von der mitbeteiligten Partei betriebene Abbaustätte angrenzt, wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Das Verwaltungsgericht stellte - soweit im Revisionsverfahren wesentlich - fest, dass durch den gegenständlichen Rohstoffabbau auf einer Fläche von 3,4 ha mittels Scheibenabbau von oben nach unten zwar auf der jeweils offenen Fläche das Wasserrückhaltevermögen der humusbedeckten Waldfläche entfalle. Dies werde jedoch durch die Ausformung der Etagen mit Gefälle zur Abbauwand samt Belassung eines Randwalls sowie durch die Endgestaltung der Grubensohle als abflusslose Geländehohlform mit einer Tiefe von 8 bis 10 m und einer Grundfläche von ca. 6.000 m3 zur Starkniederschlagsretention kompensiert. Somit sei jedenfalls keine Verschärfung der Abflussverhältnisse bei Starkniederschlägen durch den gegenständlichen Rohstoffabbau zu erwarten, wenn die retentierten Niederschlagswässer nur langsam versickern würden. Nach dem aktuellen Stand der hydrogeologischen Wissenschaften sei bei Einhaltung der im Bescheid getroffenen Vorkehrungen nicht mit einer Verschlechterung für das Grundstück des Revisionswerbers bei Starkniederschlagsereignissen zu rechnen.

Beweiswürdigend gründete das Verwaltungsgericht diese Feststellungen auf das mit näherer Begründung als schlüssig beurteilte Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie und Wasserwirtschaft. Demnach sei die vom Revisionswerber geforderte Erkundung aller Karstwegigkeiten im gegenständlichen Gebirgsstock technisch nicht möglich, zumal sich Karstwegigkeiten laufend ändern könnten. Entsprechend der Forderung des Amtssachverständigen seien in der Nachreichung vom 9. August 2018 Quellbereiche am Grundstück des Revisionswerbers erhoben worden. Mit dieser Nachreichung habe sich der vom Revisionswerber herangezogene Geologe nicht befasst. Demgegenüber habe sich der Amtssachverständige eingehend mit dem Grundstück des Revisionswerbers befasst. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts seien die zur Beurteilung der Auswirkungen auf dieses Grundstück technisch möglichen und erforderlichen Erhebungen durchgeführt worden.

Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass das Eigentumsrecht des Revisionswerbers an seinem Grundstück nicht verletzt werde, weil sich bei konsensgemäßem Betrieb die Abflussverhältnisse nicht zu seinem Nachteil verändern würden. Ebenso sei eine bestimmungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung dieses Grundstücks unter Einhaltung der Auflagen möglich. Schließlich gebe es keine unzumutbaren Belästigungen oder eine Gesundheitsgefährdung für die Nachbarn. Der Revisionswerber werde daher durch das gegenständliche Projekt nicht in seinen Rechten verletzt.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. 4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit zunächst mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht entgegen dem Beweisantrag des Revisionswerbers kein weiteres hydrogeologisches Gutachten eingeholt habe. Der Amtssachverständige für Hydrologie und Wasserwirtschaft sei zum Ergebnis gekommen, dass eine Erkundung aller Karstwegigkeiten im gegenständlichen Gebirgsstock technisch nicht möglich sei und habe eine "Nachreichung der Quellbereiche" am Grundstück des Revisionswerbers gefordert. Mit den Erhebungen zu diesen Quellbereichen habe sich jedoch kein Sachverständiger umfassend auseinandergesetzt. Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einem Auftreten gespannter Wässer vor allem im Bereich des gegenständlichen Vorhabens und somit zu einer Beeinträchtigung des Eigentums des Revisionswerbers komme, weil keine Bohrungen oder andere sachverständige Untersuchungen erfolgt seien, welche die Karstwegigkeiten im gegenständlichen Gebirgsstock erkundet hätten.

Überdies habe der Revisionswerber mehrfach darauf hingewiesen, dass in dem Projekt der mitbeteiligten Partei die tatsächlichen Hochwasserprobleme nicht wahrheitsgetreu dargestellt worden seien. Der Revisionswerber habe durch Lichtbilder belegt, dass es immer wieder zu Überschwemmungen gekommen sei. Es wäre jedenfalls zu untersuchen gewesen, wie genau die Entwässerung oberhalb der Waldparzelle des Revisionswerbers erfolge. Eine ergänzende Beweisaufnahme sei jedoch unterlassen worden. Überdies habe der Revisionswerber Lichtbilder vorgelegt, aus denen eindeutig hervorgehe, dass bei längeren Regenperioden Kleinholz mitgeführt werde. Das Verwaltungsgericht habe sich in seiner Beweiswürdigung nicht mit den vom Revisionswerber vorgelegten Videos und Lichtbildern auseinandergesetzt. Die hydrogeologischen Aspekte und Auswirkungen des Projekts auf das Grundstück des Revisionswerbers seien nicht ausreichend beurteilt worden. Das Verwaltungsgericht sei insofern nicht seinen Ermittlungs- und Feststellungspflichten nachgekommen.

8 Mit diesem Vorbringen macht die Revision im Hinblick auf die unterlassene Einholung eines weiteren hydrogeologischen Gutachtens, die behauptete mangelnde Auseinandersetzung mit der "Nachreichung der Quellbereiche" am Grundstück des Revisionswerbers sowie den vom Revisionswerber vorgelegten Lichtbildern und Videos durch einen Sachverständigen sowie die unterlassene Erhebung der Entwässerung oberhalb der Waldparzelle des Revisionswerbers jeweils einen Verfahrensmangel geltend. 9 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, Rn. 15, mwN). Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. jüngst VwGH 23.12.2019, Ra 2019/01/0479, Rn. 8, mwN).

10 Die Revision wird diesen Anforderungen mit dem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen in ihrer Zulässigkeitsbegründung, die vom Revisionswerber ergänzend gestellten Beweisanträge hätten jedenfalls zu einer weiteren Klärung und Erörterung der Sach- und Rechtslage beigetragen, nicht gerecht. Soweit das Verwaltungsgericht nicht von sich aus ein Gutachten in den entscheidungswesentlichen Teilen für unschlüssig hält bzw. die mangelnde Schlüssigkeit eines Gutachtens nicht von einer Verfahrenspartei hinreichend dargelegt wird, ist das Verwaltungsgericht nicht gehalten, dem Beweisantrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus demselben Fachgebiet zu folgen. Im Übrigen hat der Amtssachverständige für Hydrologie und Wasserwirtschaft im behördlichen Verfahren in der Verhandlung vom 10. Juli 2017 zwar die Dokumentation der wesentlichen vom Revisionswerber aufgezeigten Quellbereiche im Lageplan vor Bescheiderlassung gefordert, gleichzeitig jedoch mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass das Vorhandensein dieser Quellaustrittsstellen keinen Einfluss auf die fachliche Beurteilung des gegenständlichen Festgesteinsabbaus hat. Der Amtssachverständige ging insofern auf vom Revisionswerber dokumentierte Starkniederschlagsereignisse ein und hielt letztlich auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht seine gutachterliche Einschätzung aufrecht.

11 Im Zusammenhang mit dem behaupteten Erfordernis weiterer hydrogeologischer Erhebungen sowie der Einholung eines weiteren Gutachtens wendet sich die Revision gegen das vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie und Wasserwirtschaft und dessen Ergänzungen, wonach die vorhandenen Erhebungen für die Beurteilung des gegenständlichen Projekts ausreichend seien. 12 Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Die Parteien haben die Möglichkeit, einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. All dies gilt auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/04/0103, Rn. 15, mwN).

13 Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens ist Teil der Beweiswürdigung. Ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, stellt eine Frage der Beweiswürdigung und nicht eine Frage der rechtlichen Beurteilung dar. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2019/04/0036, Rn. 10, mwN).

14 Einen derart krassen Fehler der Beweiswürdigung zeigt die Revision in Bezug auf die ergänzende Stellungnahme des Amtssachverständigen für Hydrologie und Wasserwirtschaft zu der von ihm verneinten Notwendigkeit zusätzlicher karsthydrologischer Untersuchungen nicht auf, zumal die Revision keine Verfahrensergebnisse darzulegen vermag, die der gutachterlichen Einschätzung des Amtssachverständigen entgegen stehen. 15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

16 Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 3. März 2020

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der BeweismittelGutachten Beweiswürdigung der BehördeGutachten Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040021.L00

Im RIS seit

26.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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