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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Dr. E D in L, vertreten durch Mag. Markus Dutzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. November 2019, Zl. LVwG 30.30-2340/2019-18, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (Verwaltungsgericht) wurde in der Sache der Revisionswerberin vorgeworfen, sie habe § 114 GewO 1994 iVm § 18 Abs. 1 Steiermärkisches Jugendgesetz verletzt, weil sie es als gewerberechtliche Geschäftsführerin der S Tankstellen GmbH am näher bezeichneten Tankstellenstandort zu verantworten habe, dass am 9. Februar 2019, um 18:40 Uhr, durch eine in ihrem Betrieb beschäftigte Person an einen näher genannten damals vierzehnjährigen Jugendlichen ein alkoholisches Getränk ("Jack Daniel's") abgegeben worden sei, obwohl es nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen verboten sei, alkoholische Getränke an Jugendliche abzugeben. Über die Revisionswerberin wurde gemäß § 367a GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt und die Revisionswerberin zu einem Kostenbeitrag für das behördliche Verwaltungsstrafverfahren in der Höhe von EUR 100,-- sowie für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren in der Höhe von EUR 200,-- verpflichtet. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der jugendliche Testkäufer, der zum Tatzeitpunkt das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe, habe trotz einer Ausweiskontrolle durch die Verkäuferin V S an der Kassa des Tankstellenshops eine Dose "Jack Daniel's Cola" (Alkopop, bestehend aus gebranntem Alkohol und Limonade) erhalten.
Bereits im Jahr 2016 habe es in dieser Filiale einen Vorfall mit einem Alkopopverkauf an eine unter achtzehnjährige Person gegeben.
Die S Tankstellen GmbH, deren gewerberechtliche Geschäftsführerin die Revisionswerberin sei, sei Inhaberin der Gewerbe "Handelsgewerbe, eingeschränkt auf den Einzelhandel", "Betrieb einer Servicestation", "Betrieb von Tankstellen" sowie "Gastgewerbe in der Betriebsart Buffet" und betreibe in ganz Österreich ein Tankstellennetz mit ca. 90 Tankstellen und 19 Tankautomaten.
Verantwortlicher für die Tankstellen und für die Weitergabe der Informationen sei Herr T, dem als Gebietsleiter jeweils etwa 20 Tankstellen unterstünden. Den Gebietsleitern seien wiederum Gruppenleiter unterstellt, die für drei bis vier Tankstellen verantwortlich seien.
Der für die gegenständliche Tankstelle verantwortliche Gruppenleiter sei auch Personalverantwortlicher und für die Mitarbeiterschulung unter anderem betreffend Jugendschutz zuständig. Den Mitarbeitern würde gegen Unterschrift das Infoblatt der Wirtschaftskammer über Alkoholausschank (Ampelregelung) ausgehändigt. Mitarbeiterschulungen würden vierteljährlich stattfinden. Es herrsche große Personalfluktuation.
Die Mitarbeiterin V S sei für die S Tankstellen GmbH von August 2018 bis Sommer 2019 tägig gewesen. Sie habe das Infoblatt im zweiten Quartal 2019, also nach dem Tatzeitpunkt, unterschrieben. Für den Tatzeitraum habe "die Unterschrift über die Schulung nicht zugeordnet werden" können.
Die Revisionswerberin habe in der gegenständlichen Filiale ein Kontrollsystem errichtet, das im Wesentlichen aus Mitarbeiterschulungen sowie dem Aushang des Infoblatts der Wirtschaftskammer im Kassenbereich und einer Kassenprogrammierung bestehe, die bei bestimmten Waren eine Blinkfunktion aktiviere und anzeige, ab welchem Alter Waren verkauft werden dürfen. 3 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 114 GewO 1994 iVm § 18 Abs. 1 Steiermärkisches Jugendgesetz der Revisionswerberin auch subjektiv vorwerfbar sei. Es hätte unter anderem für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern eines wirksamen Kontrollsystems bedurft. Es könne grundsätzlich kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Vorschriften einhalten. Ein entsprechend wirksames Kontrollsystem sei nicht vorgelegen.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es gebe keine abschließende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gestaltung eines wirksamen Kontrollsystems. Überdies habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem gar nicht bzw. grob fehlerhaft beurteilt. Vor allem habe das Verwaltungsgericht nicht dargelegt, wie ein Kontrollsystem ausgestaltet sein könnte, das die Einhaltung der hier wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen garantiere. Die Revisionswerberin habe alle rechtlich und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen, wie Schulungen, Belehrungen, arbeitsrechtliche Sanktionen, unangekündigte betriebliche Kontrollen, Softwaresperren, Aushänge, Ausweiskontrollen und Informationsgespräche umgesetzt bzw. umsetzen lassen. 8 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Befreiung von der persönlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung im Einzelfall davon ab, dass glaubhaft alle Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2019/04/0010, Rn. 8, vgl. ferner VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, jeweils mwN).
9 (Betriebliche) Kontrollsysteme gleichen sich in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 29.1.2018, Ra 2017/04/0144, Rn. 9, mwN).
10 Vorliegend wurde jener Mitarbeiterin, die konkret dem jugendlichen Testkäufer trotz Ausweiskontrolle und entsprechender Kassenprogrammierung entgegen § 114 GewO 1994 iVm § 18 Abs. 1 Steiermärkisches Jugendgesetz ein alkoholisches Getränk verkaufte, erst danach nachweislich das Infoblatt der Wirtschaftskammer über Alkoholausschank (Ampelregelung) zur Kenntnis gebracht. Ebenso ist bis zum konkreten Verkauf von alkoholischen Getränken an einen jugendlichen Testkäufer eine entsprechende Schulung dieser Mitarbeiterin nicht nachgewiesen.
11 Bereits aufgrund dieser Umstände ist entgegen den bloß pauschalen Ausführungen im Zulässigkeitsvorbringen zum konkreten Kontrollsystem nicht zu sehen, dass die einzelfallbezogene Beurteilung des von der Revisionswerberin eingerichteten Kontrollsystems durch das Verwaltungsgericht als nicht ausreichend, grob fehlerhaft ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte. Die Revisionswerberin hat somit den Nachweis der Einrichtung einer qualitätsgesicherten Organisation, die durch externe Prüfung oder durch interne Überwachung regelmäßig kontrolliert wird, nicht erbracht.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040011.L00Im RIS seit
26.05.2020Zuletzt aktualisiert am
26.05.2020