Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr.
Kalivoda als Vorsitzende und und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** SRL, *****, vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Prader, Dr. Ralf Wenzel, Mag. Christian Fuchs, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 31.878,60 EUR sA, infolge der „außerordentlichen“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. November 2019, GZ 2 R 147/19p-41, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Juli 2019, GZ 40 Cg 78/17g-36, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Revision wird in Ansehung der Klagsforderungen von 4.038,20 EUR und 2.635,20 EUR jeweils sA zurückgewiesen.
2. In Ansehung der Klagsforderungen von 12.980,80 EUR und 12.224,40 EUR jeweils sA wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 31.878,60 EUR sA. Sie und die T***** S.p.a. (in der Folge T*****) seien Transportunternehmerinnen mit Sitz in Italien. Die Beklagte habe mit der T***** vereinbart, dass diese Transporte für sie durchführe. Die Klägerin sei in einem Vertragsverhältnis mit der T***** gestanden und habe für sie als Subtransporteurin jene Transporte durchgeführt, für die T***** von der Beklagten beauftragt gewesen sei. T***** habe in der Folge der Beklagten die nachstehenden Transporte in Rechnung gestellt: Rechnung Nr 306 vom 15. 9. 2016 über 12.980,80 EUR, Rechnung Nr 361 vom 31. 7. 2016 über 4.038,20 EUR, Rechnung Nr 500 vom 30. 9. 2016 über 2.635,20 EUR und Rechnung Nr 577 vom 31. 10. 2016 über 12.224,40 EUR, sohin insgesamt 31.878,60 EUR. Über die T***** sei mittlerweile ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Es gelange italienisches Recht zur Anwendung. Auf Grundlage des Art 7 des Gesetzesdekrets Nr 286/2005 gehe im Falle des Konkurses des Auftraggebers des Subtransporteurs der Anspruch des in Konkurs befindlichen Auftragnehmers auf Bezahlung der Transportkosten gegen den Auftraggeber auf den Subtransporteur über. Daher seien die Transportkostenforderungen der T***** gegen die Beklagte ex lege auf die Klägerin übergegangen. Es handle sich um einen gesetzlichen Werklohnanspruch des Transporteurs für den der Begünstigte solidarisch hafte.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die „außerordentliche“ Revision der Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096). § 55 Abs 1 JN ist als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen, sodass eine Zusammenrechnung in Zweifel ausscheidet (RS0122950).
1.2 Die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Ansprüche (objektive Klagenhäufung) setzt einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichem Zusammenhang, wenn sie aus demselben Klagssachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus einer Gesetzesvorschrift oder einem einheitlichen Rechtsgeschäft abgeleitet werden (RS0037648, RS0037899 [T3]) und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648 [T18, T19]).
1.3 Ein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder gesondert zu beurteilen, es findet also keine Zusammenrechnung statt (RS0037899; RS0037648 [T18]). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass Ansprüche aus verschiedenen Verträgen betreffend verschiedene Rechtsgüter auch bei Gleichartigkeit nicht in einem sachlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (RS0037926 [T23, T26]).
1.4 Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist vom Vorbringen des Klägers auszugehen (RS0042741; RS0106759).
1.5 Anhaltspunkte für einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang lassen sich dem maßgeblichen Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. So gründet sie ihre Klagsforderung auf den (gesetzlichen) Übergang der – damit unveränderten – Einzelforderungen der T***** gegenüber der Beklagten aus zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführten, mangels anderer Behauptungen auf unterschiedlichen Verträgen beruhenden und in Einzelrechnungen abgerechneten Transporten. Ihre Ausführungen zu den im Einzelnen von ihr für die T***** erbrachten Transporte lassen auch nicht auf ein einheitliches Rechtsgeschäft zwischen der Klägerin und T***** schließen.
2. Die Revision ist jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand) an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO).
Bei den Klagsforderungen, die sich auf die Rechnungen Nr 361 über 4.038,20 EUR und Nr 500 über 2.635,20 EUR beziehen, übersteigen die Entscheidungsgegenstände jeweils einen Wert von 5.000 EUR nicht. In diesem Umfang ist daher die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
3. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz wohl 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR und hat das Berufungsgericht ausgesprochen, die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig, so kann eine Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.
Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrag angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RS0109623). In Ansehung der unter Punkt 2. des Spruchs genannten Klagsforderungen war daher der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.
Textnummer
E127738European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00028.20Y.0219.000Im RIS seit
14.04.2020Zuletzt aktualisiert am
14.04.2020