Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. DI M*****, 2. K*****, 3. A*****, 4. S*****, 5. M*****, 6. Mag. S*****, 7. DI F*****, 8. M*****, 9. DI K*****, 10. Ing. M*****, 11. DI H*****, 12. Mag. S***** und 13. DI M*****, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen E*****, 2. C*****, beide vertreten durch Mag. Dr. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufkündigung und Räumung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. August 2019, GZ 3 R 87/19v-66, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 1. Februar 2019, GZ 51 C 203/17i-60, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel der klagenden Parteien aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Kläger sind Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der nach dem Grundbuchsstand Wohnungseigentum begründet ist.
Gestützt auf die Kündigungsgründe nach § 30 Abs 2 Z 6 und Z 8 MRG brachte der Viertkläger zunächst im eigenen Namen die Aufkündigung des Bestandverhältnisses über die Wohnung top 6b samt Kellerabteil ein und machte dazu im Wesentlichen geltend, er sei seit 16. 6. 2004 Eigentümer dieser Wohnung, deren Mieterin seit 16. 11. 1979 die am ***** verstorbene Mutter des Zweitbeklagten – zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann und seit seinem Eintritt in das Mietverhältnis gemeinsam mit dem Zweitbeklagten – gewesen sei. Das Verlassenschaftsverfahren sei nach wie vor anhängig, eine Einantwortung noch nicht erfolgt. Die vermietete Wohnung diene nicht der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Zweitbeklagten, der sich nicht regelmäßig in der Wohnung aufhalte. Auch seine Mutter habe die letzten Jahre vor ihrem Tod nicht in der aufgekündigten Wohnung verbracht. Er selbst sei unverschuldet obdachlos und benötige daher die aufgekündigte Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses. Er habe zunächst 18 Monate in einem Zelt gelebt und lebe seit 4. 12. 2008 in einem Wohnwagen, der für dauerhafte Wohnzwecke nicht geeignet sei.
Die beklagten Parteien bestritten die vom Viertkläger geltend gemachten Kündigungsgründe und brachten zusammengefasst vor, der von diesem behauptete Eigenbedarf sei bereits mehrfach in gerichtlichen Verfahren überprüft und verneint worden. Die Behauptung, die Wohnung werde nicht zu regelmäßigen Wohnzwecken verwendet, sei unrichtig. Die verstorbene Mieterin habe gemeinsam mit dem Zweitbeklagten die Wohnung laufend zu Wohnzwecken verwendet. Der Zweitbeklagte verfüge über keine andere Wohnmöglichkeit. Auch die Verstorbene habe, soweit es für sie aus gesundheitlichen Gründen noch möglich gewesen sei, die Wohnung immer als ihren Lebensmittelpunkt genützt. Lediglich die letzten Wochen ihres Lebens habe sie dauerhaft in einem Hospiz verbracht. Demgegenüber habe der Viertkläger seine „Obdachlosigkeit“ völlig frei gewählt und seit dem Jahr 2007 zahlreiche Möglichkeiten gehabt, sich um eine ordnungsgemäße Wohnung zu kümmern.
Im zweiten Rechtsgang nahm das Erstgericht eine Änderung der Parteienbezeichnung auf Klägerseite auf alle Miteigentümer der Liegenschaft vor. Dieser Beschluss wurde vom Gericht zweiter Instanz bestätigt.
Im Übrigen hob es auch im zweiten Rechtsgang die mit Beschluss vom 3. 1. 2017 bewilligte Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Dabei ging es – auszugsweise – von folgenden Feststellungen aus:
Seit 1. 6. 2007 verfügt der Viertkläger über keinen festen Wohnsitz. Sein damaliger – befristeter – Mietvertrag wurde vom Vermieter beendet, weil dieser die Wohnung selbst nützen wollte. Zunächst nächtigte der Viertkläger über einen Zeitraum von ca 18 Monaten in einem Zelt. In weiterer Folge erwarb er einen Wohnwagen, den er nunmehr bewohnt. Der Wohnwagen ist nicht isoliert und verfügt über keinen Strom-, Toiletten- oder Wasseranschluss. Er studiert seit 1990, zunächst Human- und nunmehr Zahnmedizin. Die letzte Prüfung absolvierte er im Jahr 2009. Eine erfolgreiche Fortsetzung bzw ein erfolgreicher Abschluss des Studiums ist nicht absehbar.
Der Viertkläger ist nach dem Grundbuchsstand Eigentümer der Wohnung top 6b, die er 2004 bei einer Versteigerung erwarb. Mieterin dieser Wohnung war seit 8. 11. 1979 die Mutter des Zweitbeklagten, zunächst gemeinsam mit ihrem Ehemann und seit dessen Ableben bis zu ihrem Tod gemeinsam mit dem Zweitbeklagten. Aus der Vermietung der Wohneinheit erhält der Viertkläger 131,80 EUR monatlich, musste aber zuletzt 155,79 EUR als Beitrag in die Rücklage und für sonstige Liegenschaftsaufwendungen zahlen.
Der Viertkläger hat keine Möglichkeit auf Zuweisung einer städtischen oder gemeinnützigen Wohnung, weil er über Miteigentum an der Liegenschaft verfügt und dies ein Ausschlusskriterium ist. Unerheblich ist, dass die Wohnung unbefristet vermietet ist. Unter Berücksichtigung der persönlichen und finanziellen Verhältnisse wäre er in der Lage, ausreichende Arbeitseinkünfte zu erzielen und damit, sowie mit Einnahmen aus der Vermietung von in seinem Eigentum befindlicher KFZ-Abstellflächen, eine Kleinwohnung anzumieten, die Mietkosten zu entrichten und nebenbei in üblicher Form seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Mutter des Zweitbeklagten ist am ***** ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Sie bewohnte die gegenständliche Wohneinheit bis kurz vor ihrem Ableben. In den letzten sechs bis acht Wochen ihres Lebens befand sie sich zunächst im Krankenhaus und dann in einem Hospiz. Der Zweitbeklagte wohnt seit seiner Geburt am 17. 8. 1980 in der Wohnung top 6b und hält sich täglich in dieser auf. Er ist Restaurantfachmann, ging aber seit 2012 keiner Beschäftigung mehr nach, weil er seine Mutter bis zu deren Tod pflegte. Nach dem Ableben seiner Mutter war er zunächst beim AMS als arbeitssuchend gemeldet, bezog kein Einkommen und lebte von geringfügigen Ersparnissen. Seit Ende Oktober 2017 ist er ganztägig beschäftigt und verdient monatlich ca 1.150 EUR netto, 14 mal jährlich; er verfügt über kein Vermögen, keine Einkünfte aus dem Ausland und hat keine Sorgepflichten. Der Zweitbeklagte hat – auch bei einem anhängigen Kündigungsverfahren – keine Möglichkeit auf Zuweisung einer städtischen oder gemeinnützigen Wohnung, weil er über einen (unbefristeten) Mietvertrag verfügt.
Das Kellergeschoss des Hauses wird über zwei Gänge erschlossen. Die Hauptwasserleitung kommt in einem schmalen Gang in das Gebäude, in dem sich auch die Ablesevorrichtung und die Absperrvorrichtungen befinden. Dieser schmale Gang ist laut Entscheidung der Stadt I***** über die Nutzwerte vom 25. 10. 1990 Teil eines Wohnungseigentumsobjekts (Kellerlager). Der tatsächliche Zustand bzw die Aufteilung des Kellers stimmt daher nicht mit dem Parifizierungsstand überein. Obwohl es in der Natur so aussieht, als ob die Hauptwasserzuleitung auf einer Allgemeinfläche liegt, ist diese Gangfläche laut Parifizierung Bestandteil des Lagers Top E.
Am westlichen Gebäudeeck befindet sich der Heizraum mit der zentralen Heizanlage, die mit Gas befeuert wird, und nahezu alle Einheiten des Hauses versorgt. Die Gaseinleitung in das Gebäude erfolgt im Lager Top F, das als Clublokal genützt wird. Dort befindet sich auch der Gashaupthahn.
Ausgehend von diesen Feststellungen folgerte das Erstgericht, die Mutter des Zweitbeklagten habe bis kurz vor ihrem Tod in der Wohnung gelebt; der Zweitbeklagte wohne nach wie vor dort, sodass der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht verwirklicht sei. Der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 8 MRG erfordere zum einen den dringenden Bedarf des Vermieters bzw der sonst begünstigten Personen, zum anderen eine zu Gunsten des Vermieters ausschlagende Interessenabwägung. Zwar liege beim Kläger eine sehr prekäre Wohnsituation vor; unter Bedachtnahme auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und des Zweitbeklagten falle die Interessenabwägung rein wirtschaftlich betrachtet aber zu Gunsten des Zweitbeklagten aus.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Unter Verweis auf seine bereits im ersten Rechtsgang vertretene Auffassung führte es aus, wegen der falschen Einordnung von Flächen in die drei grundsätzlichen wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien liege ein Verstoß „gegen zwingende Parifizierungsgrundsätze“ vor, sodass die Wohnungseigentumsbegründung unwirksam sei. Bis zu einer allfälligen Sanierung bestehe auf der Liegenschaft schlichtes Miteigentum, weswegen der Viertkläger im Kündigungsstreit aufgrund der gegebenen Benützungsregelung als Minderheitseigentümer und Vertreter der übrigen Miteigentümer der Liegenschaft anzusehen sei. Durch die vom Erstgericht vorgenommene Richtigstellung der Parteienbezeichnung auf Klägerseite auf alle Miteigentümer sei die Aktivlegitimation nunmehr gegeben.
Zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG sei den klagenden Parteien der Nachweis, dass die gegenständliche Wohneinheit von der Mutter des Zweitbeklagten bzw von diesem selbst nicht regelmäßig zu Wohnzwecken genutzt worden sei bzw werde, nicht gelungen. Die Mutter habe bis kurz vor ihrem Tod in dieser Wohnung gelebt; der Zweitbeklagte wohne nach wie vor dort. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG erfordere den dringenden Eigenbedarf des Vermieters, weiters dass seit dem Erwerb der Wohnung zehn Jahre verstrichen seien (§ 30 Abs 3 MRG) und letztlich, dass die Interessenabwägung im Sinn dieses Kündigungsgrundes zu Gunsten des Vermieter ausschlage, wobei die Interessen des Vermieters diejenigen des Gekündigten klar überwiegen müssen. Da – so das Berufungsgericht – an der Liegenschaft derzeit nur schlichtes Miteigentum bestehe, komme jedoch § 30 Abs 3 letzter Satz MRG zum Tragen, wonach ein (schlichter) Miteigentümer die Kündigungsgründe des Abs 2 Z 8 bis 11 leg cit nur geltend machen könne, wenn er wenigstens Eigentümer zur Hälfte sei. Demnach berechtige nur der Bedarf zumindest eines Hälfteeigentümers zur Eigenbedarfskündigung. Der Viertkläger sei nicht Hälfteeigentümer der Liegenschaft, sodass seiner Eigenbedarfskündigung bereits aus diesem Grund kein Erfolg beschieden sein könne; eine Interessenabwägung und damit auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit allen diesbezüglichen Berufungsausführungen in der Mängel- und Beweisrüge sei daher entbehrlich.
Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht zur Frage für zulässig, ob § 30 Abs 3 letzter Satz MRG auch dann zum Tragen komme, wenn lediglich auf Grund eines Parifizierungsfehlers von schlichtem Miteigentum auszugehen sei, im Grundbuch aber nach wie vor Wohnungseigentum begründet sei. Ausgehend von der Auffassung, dass eine Benützungsregelung zugrunde liege, die den Viertkläger berechtigte, die streitgegenständliche Wohnung ausschließlich zu nutzen, könne auch eine Eigenbedarfskündigung entgegen § 30 Abs 3 letzter Satz MRG für zulässig erachtet werden.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zur Klarstellung zulässig; sie ist im Sinn des auf Aufhebung gerichteten Eventualantrags auch berechtigt.
1.1 Das Gericht zweiter Instanz hat die vom Erstgericht beschlossene Änderung der Parteienbezeichnung auf Klägerseite bestätigt. Fragen der Aktivlegitimation sind damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens und werden im Rechtsmittel der Kläger auch nicht erörtert.
1.2 Die Ausführungen in der Revision zum Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Da die Rechtsrüge insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS-Justiz RS0043312 [T14]), kann der Oberste Gerichtshof auf die damit angesprochene materiell-rechtliche Frage nicht eingehen (RS0043312 [T3]).
1.3 Das Berufungsgericht hat seinen rechtlichen Erörterungen eine Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung zu Grunde gelegt. Dazu enthält die Revision lediglich den Verweis auf die Rechtsansicht eines anderen Senats desselben Berufungsgerichts in einem Parallelverfahren ohne nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit der in diesem Verfahren vertretenen Rechtsmeinung. Ein derartiger Verweis ist aber unzulässig und unbeachtlich (vgl RS0043579; RS0043616), sodass der Revisionsgrund gemäß § 503 Z 4 ZPO nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0042779; RS0043654). Dem Obersten Gerichtshof ist damit ein Eingehen auf diese Frage verwehrt. Aber auch ausgehend von der durch das Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht, erweist sich die Revision der Kläger als berechtigt.
2.1 Nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG kann der Vermieter den Mietvertrag aufkündigen, wenn er die gemieteten Wohnräume für sich selbst oder Verwandte in absteigender Linie dringend benötigt, und ihm oder der Person, für die der Mietgegenstand benötigt wird, aus der Aufrechterhaltung des Mietvertrages ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwüchse als dem Mieter aus der Kündigung.
2.2 § 30 Abs 3 MRG ergänzt dazu, dass ein Vermieter den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 8 MRG nur geltend machen kann, wenn er zumindest zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft ist und auf seinen Eigentumserwerb die Sperrfrist nach § 30 Abs 3 zweiter Satz MRG – wie hier – nicht (mehr) anzuwenden ist. Die Formulierung des § 30 Abs 3 Satz 3 MRG wird dahin ausgelegt, dass nur der Bedarf zumindest eines Hälfteeigentümers (bzw eines geschützten Angehörigen des Hälfteeigentümers) zur Kündigung wegen Eigenbedarfs berechtigt (8 Ob 207/02b; 4 Ob 54/07f; Lovrek in GeKo Wohnrecht I § 30 MRG Rz 138). Miteigentumsanteile von Miteigentümern, die einen Bedarf im Sinn der Z 8 des § 30 Abs 2 MRG haben, sind dabei zusammenzurechnen (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 30 MRG Rz 66; Lovrek aaO).
3.1
Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein
Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (§ 2 Abs 1 WEG 2002). Mit der Begründung von Wohnungseigentum geht die Rechtsstellung des Vermieters nach § 4 Abs 1 WEG 2002 auf den Wohnungseigentümer über, dem das Wohnungseigentum an diesem Objekt zukommt. Bereits zum WEG 1975 wurde judiziert, dass die Voraussetzung des Eigenbedarfs, wie er für den Hälfteeigentümer einer Liegenschaft vorliegen muss, um eine Aufkündigung des Bestandvertrags zu rechtfertigen, bei Wohnungseigentum nicht anders zu sehen ist, auch wenn der Wohnungseigentümer an der gesamten Liegenschaft, wie zumeist, nur Minderheitseigentümer ist, sodass bei gemeinsamem Wohnungseigentum von Ehegatten der Eigenbedarf nur bei einem Ehegatten zutreffen müsse; er ist in Bezug auf die Eigentumswohnung im Sinn dieser Gesetzesstelle als Hälfteeigentümer anzusehen (1 Ob 688/85).
3.2 Unter Bezugnahme auf die Entscheidung zu 1 Ob 688/85 wird in der Literatur bei Begründung von Wohnungseigentum der Bedarf des Wohnungseigentümers bzw bei Eigentümerpartnerschaft der Bedarf bloß eines Partners für den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 als maßgebend angesehen (Lovrek aaO § 30 MRG Rz 138; T. Hausmann aaO § 30 MRG Rz 66; Illedits in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht Taschenkommentar3 § 30 MRG Rz 152). Würth/Zingher/Kovanyi (in Miet- und Wohnrecht I23 § 30 MRG Rz 46) gehen bei Eigentumswohnungen unter Hinweis auf § 4 Abs 1 WEG 2002 davon aus, dass der Bedarf des Wohnungseigentümers jedenfalls seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung mit 1. 7. 2002 genügt.
4.1 Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung eine Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde. Dazu hat der
Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung von
Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam ist. Mehrfach wurde etwa die Begründung von
Wohnungseigentum an einer Wohnung, die zur Unterbringung des für die Liegenschaft bestellten Hausbesorgers bestimmt ist, als rechtlich unmöglich und eine entgegenstehende Vereinbarung als rechtsunwirksam qualifiziert; aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen seien nichtig (RS0082983; RS0082927). Bis zu einer „Rückabwicklung“ seien die „Wohnungseigentümer“ mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchstand rechtlich nur schlichte Miteigentümer (vgl RS0114510; 5 Ob 137/17h), welchen aber schuldrechtliche Benützungsbefugnisse an den einzelnen ihnen zugewiesenen
Objekten zukommt (
4.2 Eine Benützungsvereinbarung zwischen Miteigentümern bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen (5 Ob 40/12m; 5 Ob 25/13g; 5 Ob 117/14p). Sie gibt ihm das alleinige Nutzungs- und Verfügungsrecht über einen bestimmten Sachteil und ist nur insofern eingeschränkt, als in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird oder deren wichtige Interessen beeinträchtigt werden könnten (5 Ob 25/13g mwN). Eine solche Benützungsbefugnis ist der Ausübung nach auch übertragbar, sofern nicht ein entgegenstehendes Verbot vereinbart wurde. Der Miteigentümer ist daher berechtigt, über die ihm zur ausschließlichen Benützung überlassenen allgemeinen Teile der Sache Verträge, etwa auch Bestandverträge, abzuschließen (RS0042537; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 834 Rz 5 mwN).
4.3 Wenngleich das alleinige Nutzungs- und Verfügungsrecht eines Miteigentümers, der auf Grund (schuldrechtlicher) Benützungsbefugnisse eine Wohnung innehat, bloß obligatorischer Natur ist, berechtigt es diesen wie den dinglich berechtigten Wohnungseigentümer zur ausschließlichen Nutzung eines bestimmten Objekts und gibt ihm die Befugnis, allein darüber zu verfügen. Damit ist die Stellung eines solchen Miteigentümers in Bezug auf seine Befugnisse hinsichtlich der ihm zugewiesenen Sachteile jener eines Wohnungseigentümers durchaus vergleichbar, sodass die Frage nach dem Eigenbedarf nicht anders zu lösen ist als bei Wohnungseigentum. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist daher für den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG der Bedarf des Miteigentümers, dem aufgrund einer Benützungsregelung die alleinigen Nutzungs- und Verfügungsrechte über eine Wohnung zukommen, als maßgebend anzusehen.
5. Als Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass eine Kündigung aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht schon deshalb scheitert, weil der Viertkläger Eigenbedarf an der Wohnung lediglich als Minderheitseigentümer der Liegenschaft geltend macht. Da ihm aufgrund der vom Berufungsgericht angenommenen und für den Fall der Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung auch nicht strittigen Benützungsregelung die alleinige Nutzung und Verfügung über dieses Objekt zukommt, ist er in Bezug auf das Erfordernis des § 30 Abs 3 Satz 3 MRG gleich einem Wohnungseigentümer zu behandeln. Daraus folgt aber auch, dass es – entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts – auch in dem von ihm angenommen Fall der Gesamtnichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG bedarf.
6. Da das Berufungsgericht ausgehend von seiner durch den Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht eine abschließende Erledigung des Rechtsmittels der Kläger unterlassen hat, ist sein Urteil aufzuheben und die Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E127747European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00188.19M.0220.000Im RIS seit
14.04.2020Zuletzt aktualisiert am
19.06.2020