TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/12 95/08/0245

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Veröffentlicht am 12.05.1998
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §54;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch D, D und D, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 29. Juni 1995, Zl. 5 - 226 Ro 161/5 - 95, betreffend Rückerstattung von Sonderbeiträgen gemäß § 69 ASVG (mitbeteiligte Partei: G in S, vertreten durch D, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Juli 1994 sprach die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse gegenüber dem Mitbeteiligten aus, dessen Antrag "auf Rückerstattung der Sonderbeiträge für die Jahre 1989 bis 6/1993" werde abgelehnt. Begründend wurde im wesentlichen dargelegt, der Mitbeteiligte sei mit Bescheid vom 22. November 1990 zur Nachentrichtung von Beiträgen für bestimmte in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 24. September 1987 angeführte Dienstnehmer und Zeiten verpflichtet worden. Zu den strittigen Punkten dieser Beitragsnachverrechnung habe die Berechnungsweise der Sonderzahlungsansprüche, im besonderen deren - von der Gebietskrankenkasse abgelehnte - Aliquotierung gehört. Der Bescheid vom 22. November 1990 sei in Rechtskraft erwachsen.

Der Mitbeteiligte habe am 23. Dezember 1992 Auskunft darüber begehrt, wie nun aufgrund des mittlerweile zu einem vergleichbaren Fall ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1991, Zl. 90/08/0227, wonach eine Aliquotierung stattzufinden habe, die Berechnung der Sonderzahlungen vorzunehmen wäre. Der Mitbeteiligte habe die Berechnung bis dahin "und auch weiterhin" nach der dem Bescheid vom 22. November 1990 zugrunde gelegten Berechnungsweise vorgenommen (gehabt), Sonderbeiträge aber "unter Vorbehalt und ohne Aufgabe des Rechtsstandpunktes" geleistet. Die Beantwortung des Schreibens vom 23. Dezember 1992 habe einiger Überlegungen und der Einholung mehrerer Gutachten bedurft und sei daher erst am 28. Dezember 1993 erfolgt. Mit Schreiben vom 21. April 1994 habe der Mitbeteiligte die Rückerstattung in den Jahren 1989 bis 1993 geleisteter Sonderbeiträge begehrt (der vorgelegte Teil des Beitragsaktes enthält dazu ein Konvolut mit 14. April 1994 datierter Rückforderungsformulare). Dieses Schreiben sei "praktisch die Urgenz" eines schon am 27. Juli 1993 gestellten Antrages auf Rückerstattung von Sonderbeiträgen in der Höhe von S 295.111,07 gewesen. Der Mitbeteiligte habe die Sonderzahlungen in der von der Gebietskrankenkasse "seinerzeit im Bescheid festgesetzten Rechnungsweise ermittelt und an die Dienstnehmer ausbezahlt". Eine Rückforderung der sich bei Vornahme von Aliquotierungen ergebenden Überzahlungen habe er (nach der in einer "Niederschrift" vom 23. Juni 1994 festgehaltenen Erklärung seines Rechtsvertreters) nicht vorgenommen, weil dies "rechtlich nicht möglich und unzulässig" sei. Die Dienstnehmer hätten die Sonderzahlungen gutgläubig erhalten, weshalb eine Rückforderung nicht in Frage komme.

Zu prüfen sei, ob die von der Rückforderung betroffenen Beträge zu Ungebühr entrichtet worden seien. Dies sei zu verneinen, weil die nach der später als unrichtig erkannten Methode errechneten Sonderzahlungen an die Dienstnehmer ausbezahlt und von ihnen nicht zurückgefordert worden seien. Der Beitragspflicht seien auch Zahlungen des Dienstgebers unterworfen, die dieser über seine Verpflichtung hinaus an die Dienstnehmer leiste. Die Ungebührlichkeit sei daher ungeachtet des Umstandes zu verneinen, daß "der Dienstgeber seinen Dienstnehmern solche Zahlungen nur in jener Höhe zukommen lassen wollte, als dies deren Ansprüchen entsprach".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid Folge. Sie stellte fest, die vom Mitbeteiligten im Ausmaß von S 295.111,07 geleisteten Sonderbeiträge seien zu Ungebühr entrichtet worden und ihm daher zurückzuerstatten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Einspruchsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die belangte Behörde sei über den dem erstinstanzlichen Bescheid zugrunde gelegten Gesichtspunkt, auch über das geschuldete Ausmaß hinaus geleistete Sonderzahlungen unterlägen der Beitragspflicht, zu Unrecht hinweggegangen.

Der angefochtene Bescheid geht von einem durch das hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 90/08/0227, aufgeklärten "Irrtum über die Berechnung der Sonderbeiträge" (nicht: der Sonderzahlungen) aus, leitet daraus ab, die strittigen Sonderbeiträge seien zu Ungebühr entrichtet worden und daher zurückzuerstatten, und widmet den maßgeblichen Gründen des erstinstanzlichen Bescheides nur folgenden Satz:

"Daß der Einspruchswerber seinen Dienstnehmern im angeführten Zeitraum die von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse falsch berechneten Entgelte auch tatsächlich (jedoch mit Vorbehalt) ausbezahlt hat und die Kasse diese Entgelte zu Unrecht der Bemessung zugrunde gelegt hat, kann daran nichts ändern."

Die Gegenschrift der belangten Behörde enthält keine Ausführungen mehr zu diesem Thema.

Der Mitbeteiligte hebt in seiner Gegenschrift hervor, er habe im strittigen Umfang "nicht eine Leistung an die Dienstnehmer auf freiwilliger Basis" geleistet, "sondern aufgrund einer behördlichen Anordnung". Er führt dazu u.a. weiter aus:

"Die behördliche Anordnung erfolgte in der Beitragsnachverrechnung. Diese ergeht in Bescheidform und stellt eine sofort exequierbare behördliche Entscheidung dar. Die mitbeteiligte Partei hatte daher gar keine andere Möglichkeit, als die von der Beschwerdeführerin vorgeschriebene Berechnungsmethode anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie anführt, daß auch Trinkgelder als Teile des Entgeltes anzusehen und daher die erhöhten Zahlungen an die Dienstnehmer als Entgeltbestandteil, und damit in die Bemessungsgrundlage fallend, anzusehen sind. Durch den nachträglich weggefallenen Entgeltbestandteil (durch das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis) ist die mitbeteiligte Partei so zu stellen, wie wenn das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis schon zum damaligen Zeitpunkt ergangen gewesen wäre. Bei der von der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Berechnungsmethode handelte es sich nicht um freiwillige Leistungen an die Dienstnehmer, sondern um konkret vorgeschriebene Beiträge. Es darf diesbezüglich nicht verwechselt werden, ob ein Teil des Entgeltes freiwillig vom Dienstgeber oder Dritten erfolgt, oder ob eine Sonderzahlung aufgrund einer - wie sich im nachhinein herausstellt unrichtigen - behördlichen Anordnung erfolgt. Im konkreten Fall erfolgten die Zahlungen und die Berechnungsmethode ausschließlich aufgrund der Vorschreibung der Beschwerdeführerin."

In seiner Gegenschrift hält der Mitbeteiligte auch daran fest, daß eine Rückforderung der an die Dienstnehmer geleisteten Zahlungen (im Umfang der verfahrensgegenständlichen Mehrbeträge) schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich oder zulässig sei.

Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter dem Entgelt eines pflichtversicherten Dienstnehmers die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die er aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten erhält. Sonderzahlungen sind nach § 49 Abs. 2 ASVG Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen "gewährt werden". Sie sind u.a. nach Maßgabe des § 54 ASVG (für die Bemessung von Sonderbeiträgen) als Entgelt zu berücksichtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu klargestellt, für die Bemessung der Sonderbeiträge auf der Grundlage von Sonderzahlungen komme es "auf den Anspruchslohn oder das (höhere) tatsächlich geleistete Entgelt an" (vgl. in diesem Sinne als Beispiel für viele das von den Streitteilen zitierte Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 90/08/0227).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Mitbeteiligte nicht nur die der seinerzeitigen Rechtsansicht der Beschwerdeführerin entsprechenden Sonderbeiträge entrichtet, sondern auch die dieser Rechtsansicht entsprechenden Sonderzahlungen an die Dienstnehmer geleistet hat. Wurden diese Sonderzahlungen geleistet, worauf die Beschwerdeführerin in keiner Weise Einfluß nehmen konnte, so bestand die Pflicht zur Entrichtung von Sonderbeiträgen in bezug auf diese Beträge nach der dargestellten Rechtslage aber auch dann, wenn die Dienstnehmer auf die Sonderzahlungen (im strittigen Umfang) nicht Anspruch gehabt hätten. Die Sonderbeiträge wurden daher (auch insoweit) nicht zu Ungebühr entrichtet. Die belangte Behörde hat dies, wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, verkannt.

Den Argumenten des Mitbeteiligten ist entgegenzuhalten, daß ihm keine Zahlungen an seine Dienstnehmer vorgeschrieben wurden. Leistete er sie dennoch, so hatte dies - angesichts der alternativen Anknüpfung der Beitragspflicht an den Anspruchslohn oder das (höhere) tatsächlich geleistete Entgelt - nicht die gleichen Folgen, die etwa eingetreten wären, wenn ihm unter dem Gesichtspunkt nicht des tatsächlich geleisteten, sondern des Anspruchslohnes Sonderbeiträge für von ihm nicht geleistete Sonderzahlungen vorgeschrieben worden wären und er (nur) diese Sonderbeiträge geleistet hätte.

Der Mitbeteiligte macht auch geltend, die Beschwerdeführerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, weil ein erster Bescheid der belangten Behörde, mit dem dem Einspruch schon Folge gegeben, die zurückzuerstattenden Beträge aber nicht ziffernmäßig festgesetzt worden seien, über "Intervention" der Beschwerdeführerin von Amts wegen aufgehoben worden sei und die Beschwerdeführerin über Anfrage der belangten Behörde den im angefochtenen Bescheid ausgewiesenen Betrag ziffernmäßig bekanntgegeben habe. Die Beschwerdeführerin habe sich auf diese Weise "mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich einverstanden erklärt".

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß der von der belangten Behörde ursprünglich erlassene Bescheid vom 27. März 1995 deshalb aufgehoben wurde, weil er sich auf die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 24. September 1987 angeführten Dienstnehmer und Zeiten (Gegenstand des Bescheides vom 22. November 1990) und somit auf eine Sache bezogen hatte, die nicht Gegenstand des Verfahrens war. Über Anfrage der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin am 21. Juni 1995 bekannt, der Rückverrechnungsantrag des Mitbeteiligten sei "der Höhe nach richtig". Aus diesem Vorgang läßt sich nicht ableiten, daß die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse durch den Bescheid der belangten Behörde nicht beschwert sei.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995080245.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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