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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §1 Abs1 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des K in R, vertreten durch D, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 23. September 1994, Zl. IVa-AlV-7022-1-B/2070 290364/Ried, betreffend Bemessung des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der vom 9. Juni 1986 bis 31. Oktober 1990 als zahntechnische Hilfskraft in einem Dental-Labor arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist, bezog in der Folge Arbeitslosengeld. Vom 13. Jänner 1992 bis 15. April 1994 war er "Umschüler" der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) gemäß § 198 ASVG. Dabei wurde ihm im Rahmen beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation nach § 198 ASVG eine berufliche Ausbildung nach § 198 Abs. 2 Z. 1 ASVG, die kein Beschäftigungsverhältnis begründete, gewährt und - bis 30. April 1994 - Übergangsgeld nach § 199 ASVG gezahlt.
Mit Bescheid vom 6. Juni 1994 sprach das Arbeitsamt R. unter Berufung auf § 21 AlVG aus, daß der Beschwerdeführer ab 3. Mai 1994 Arbeitslosengeld in der Höhe von täglich S 167,80 erhalte. Nach der Begründung sei dafür das im Dental-Labor als technische Hilfskraft bezogene Entgelt (unter Berücksichtigung des Aufwertungsfaktors gemäß § 108c ASVG) maßgebend. Die als Umschüler der AUVA bezogenen Geldleistungen stellten kein Entgelt nach § 49 ASVG dar, weshalb sie der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht zugrundegelegt werden könnten.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Da er nach Auskunft der AUVA als Umschüler vollversichert sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit. i AlVG arbeitslosenversichert gewesen sei, sei seiner Ansicht nach die Höhe des Arbeitslosengeldes aufgrund des Übergangsgeldes zu berechnen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer als Umschüler in keinem Dienst(Lehr)verhältnis zur AUVA (oder einem Dritten) gestanden sei. Da als Entgelt ausschließlich Geld- und Sachbezüge, welche aus einem Dienst(Lehr)verhältnis resultierten, zu verstehen seien, mangle es dem von der AUVA gewährten Übergangsgeld am Entgeltcharakter. Das Übergangsgeld der AUVA habe daher für die Bemessung des Arbeitslosengeldanspruches nicht herangezogen werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob das dem Beschwerdeführer ab 3. Mai 1994 gebührende Arbeitslosengeld aufgrund seines Entgelts in dem bis 31. Oktober 1990 bestehenden Beschäftigungsverhältnis im Dental-Labor oder aufgrund des als Umschüler der AUVA gewährten Übergangsgeldes zu berechnen ist.
Nach § 21 Abs. 1 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 wird der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes nach Lohnklassen bemessen. Für die Festsetzung der Lohnklasse ist das Entgelt im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG) der letzten 26 Kalenderwochen (182 Kalendertage) bzw. bei monatlicher Auszahlung das Entgelt der letzten sechs Kalendermonate vor dem ersten Tag der zuletzt eingetretenen Arbeitslosigkeit bzw. vor dem Ende der Versicherungspflicht maßgebend.
Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.
Darunter fällt auch gemäß §§ 44 Abs. 1 Z. 4 und 49 Abs. 5 ASVG bei Heimarbeitern das aus der Heimarbeit gebührende Entgelt sowie gemäß § 5 Abs. 3 AlVG das Erwerbseinkommen der selbständigen Pecher.
Die im Zuge einer beruflichen Ausbildung gewährten Geldleistungen nach § 198 ASVG fallen zwar nicht unter die genannten Bestimmungen. Ausgehend vom Wortlaut des § 21 Abs. 1 AlVG scheidet die Heranziehung des Entgelts aus früheren Zeiten allerdings ebenfalls aus. Der Rückgriff der belangten Behörde auf das dem Beschwerdeführer im Dental-Labor gewährte Entgelt stellt daher bereits eine berichtigende Auslegung des § 21 Abs. 1 AlVG dar. § 21 Abs. 6 AlVG kann für die Heranziehung des früheren Entgelts nicht ins Treffen geführt werden, weil diese Regelung einen ganz spezifischen Sonderfall beinhaltet, dem ganz spezifische Gesetzeszwecke (um Härtefälle zu vermeiden und den Einsatz von Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung nicht in Frage zu stellen, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend verweist) zugrundeliegen.
Personen, denen - wie dem Beschwerdeführer - im Rahmen beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation nach § 198 ASVG berufliche Ausbildung gewährt wird, ohne daß die Ausbildung aufgrund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt, sind nach § 4 Abs. 1 Z. 8 ASVG vollversichert und nach § 1 Abs. 1 lit. i AlVG arbeitslosenversichert. Da diese Personen zwar Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlen bzw. diese für sie gezahlt werden müssen, können sie auch dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben; der Grundbetrag auf Arbeitslosengeld kann nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 AlVG allerdings nicht bemessen werden. In allen Fällen, in denen der Arbeitslose in den letzten 26 Kalenderwochen oder
6 Kalendermonaten nur solche Zeiten aufweist, könnte das Arbeitslosengeld nicht berechnet werden. (Dies gilt im übrigen wohl auch für die in § 1 Abs. 1 lit. d, e, g und h AlVG genannten Personen.) Dies stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings eine Lücke dar, die dadurch geschlossen werden muß, daß der Begriff "Entgelt im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung (§ 49 ASVG)" in diesen Fällen als "Arbeitsverdienst im Sinne der gesetzlichen Sozialversicherung" - so wie im übrigen in der Tabelle des § 21 Abs. 3 AlVG - verstanden werden muß. In diesem Sinne sind auch § 21 Abs. 8 und § 61 Abs. 4 AlVG zu verstehen.
Für das Bestehen einer unbeabsichtigten Lücke spricht auch, daß ursprünglich (im AlVG 1949) nur Dienstnehmer, Lehrlinge und Heimarbeiter arbeitslosenversichert waren. Die Auffüllung des Katalogs des § 1 Abs. 1 AlVG erfolgte erst allmählich, ohne daß freilich § 21 Abs. 1 AlVG entsprechend korrigiert worden wäre (vgl. dazu etwa den Kommentar von Dirschmied zum Erkenntnis vom 30. September 1985, Zl. 84/08/0057, in: ZAS 1987, 66 ff). Als täglicher Arbeitsverdienst des gemäß § 4 Abs. 1 Z. 8 ASVG Pflichtversicherten gilt somit der gemäß § 44 Abs. 6 lit. a ASVG jeweils festgesetzte Betrag.
Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung des § 21 Abs. 1 AlVG als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994080254.X00Im RIS seit
18.02.2002