TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/27 W187 2187712-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2019
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Entscheidungsdatum

27.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W187 2187712-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 und § 10 Abs 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005, iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein, wo er am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seiner Identität, seiner Reiseroute und seinen Fluchtgründen einvernommen. Hier gab er an, er heiße XXXX , sei am XXXX in Maidan Wardak, Afghanistan geboren, Moslem und gehöre der Volksgruppe der Sadat an. Zu seinen Familienangehörigen gefragt, gab der Beschwerdeführer seine Eltern und eine Schwester an. Als Beweggrund für seine Flucht nach Europa schilderte der Beschwerdeführer, dass sein Vater von den Taliban entführt worden sei und er Angst habe, ebenfalls entführt zu werden. Daher habe er sein Land verlassen.

3. Am XXXX stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in der Notunterkunft für Asylwerber, XXXX , bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter der Identität XXXX , geboren am XXXX in XXXX , Pakistan. Der Beschwerdeführer wurde dazu am XXXX niederschriftlich vor der Landespolizeidirektion XXXX , Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug einvernommen. Dort gab er an, dass er bei seiner Erstbefragung am XXXX nicht gewusst habe, dass er bereits in Österreich gewesen sei. Er habe Angst gehabt, ob er dort die Wahrheit sagen solle. Weiter habe er eine Schwester namens XXXX , welche in Österreich lebe. Diese habe er in der Erstbefragung nicht erwähnt, weil andere Landsleute ihm geraten hätten, seine in Österreich lebende Schwester nicht zu erwähnen.

4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Dabei gab der Beschwerdeführer an, er heiße XXXX , sei am XXXX in XXXX , Pakistan geboren, afghanischer Staatsangehöriger und schiitischer Hazara. In der Erstbefragung habe er angegeben, dass er in Afghanistan geboren sei, weil sein Schlepper ihn dazu angehalten habe, zu lügen. Zum Fluchtgrund gab er an, dass seine Eltern vor seiner Geburt Afghanistan verlassen hätten und nach Pakistan gezogen seien. Im Alter von neun Jahren sei er dann mit seiner Familie in den Iran gezogen. Dort habe er nicht arbeiten dürfen, die Behörden hätten ihn nach Afghanistan abschieben können. Er sei nie in Afghanistan gewesen und könne dort nicht leben.

5. Am XXXX langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, vertreten durch Mag. Robert BITSCHE, Rechtsanwalt, zu den von der belangten Behörde ins Verfahren eingeführten Länderberichten ein. In seiner Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer auf diverse Länderberichte zur Lage von schiitischen Hazara und Rückkehrern aus dem Iran sowie zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan.

6. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sodann sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Mit Schreiben vom XXXX erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch den amtswegig beigegebenen Rechtsberater (Verein Menschenrechte Österreich), fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften.

8. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das BFA zur Entscheidung vorgelegt. Unter einem erklärte die belangte Behörde schriftlich, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

9. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt.

10. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer im Beisein des ausgewiesenen Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zu seinem Antrag auf internationalen Schutz und seinen Beschwerdegründen einvernommen wurde. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung:

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie den Dolmetscher gut?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Grundsätzlich habe ich immer Magenprobleme. Nachdem ich den Bescheid bekommen habe, ging es mir schlechter. Aber ich kann die Fragen beantworten.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer: Ja, ich nehme Tabletten, Pentopirasol 40mg.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Ja, ich erinnere mich sehr gut daran. Aber es gab kleine Fehler z.B. auf dem Protokoll stand ob ich afghanische Dokumente habe, auf dem Protokoll stand ja obwohl ich gar keine Dokumente besitze.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin in Pakistan geboren. Ich bin am XXXX geboren. Bis zu meinem 9. Lebensjahr war ich in Pakistan. Mit der Familie sind wir in den Iran gezogen. Ich habe 18 Jahre im Iran gelebt. Mein Vater war in Afghanistan ein Staatsangestellter. Er hat im Transport-ministerium gearbeitet. Das war in jener Zeit in der die Russen zu uns kamen. Gleichzeitig wurde meinem Vater von den Mujaheddin vorgeschlagen, mit ihnen zu arbeiten. Da er ein offizieller staatlicher Beamter war, hatte er Probleme mit den Mujaheddin. Deswegen musste er mit uns das Land verlassen. In Pakistan hat mein Vater noch immer Angst gehabt. Es gab auch Feindschaft. Deshalb mussten wir auch Pakistan verlassen und in den Iran ziehen. Ein anderer Grund war auch, dass meine Tanten mütterlicherseits im Iran gelebt haben. Deshalb hat meine Mutter vorgeschlagen, zu den Schwestern in den Iran zu ziehen.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Ich spreche Farsi. Ein bisschen auch Urdu. Natürlich Deutsch und Englisch ein bisschen. Am besten kann ich Deutsch lesen und schreiben.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin ledig, bin schiitischer Moslem. Ich gehöre zu der Ethnie Sadat.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Was haben Sie in Pakistan und im Iran gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: In Pakistan bin ich in die Schule gegangen. Im Iran bin ich 8 Jahre zur Schule gegangen, es war eine speziell afghanische Schule im Iran. 8 Jahre habe ich als Schneiderhelfer gearbeitet, 3 Jahre als Fahrradmechaniker.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Es gibt keinen Abschluss.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meine Eltern leben im Iran. 5 Onkel väterlicherseits leben auch im Iran. Eine Tante mütterlicherseits lebt in Deutschland. 2 Tanten mütterlicherseits leben im Iran. Ich habe einen Bruder in Deutschland. Meine Schwester lebt in Österreich und die anderen Geschwister leben mit meinen Eltern im Iran.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja. Nicht regelmäßig aber schon.

Richter: Haben Sie in Afghanistan Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Nein dort habe ich niemanden.

Richter: Wollen Ihre Eltern und Geschwister auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Nein, sie können das nicht.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Ich bin froh, dass ich hier bin, weil ich das Gefühl habe zu meinen Rechten zu kommen. Vor allem freut es mich, dass es hier zwischen Ethnien keine Unterschiede gibt. Ich habe die Möglichkeit hier weiter zu lernen. Meistens verbringe ich Zeit mit österreichischen Freunden. Wo ich gebraucht werde, helfe ich auch. Ich habe viel Kontakt zu diesen Leuten. Der Anwesende Herr sein Name ist XXXX ist im Jugendkaffee der XXXX Jugend XXXX tätig. Ich besuche meine Schwester häufig. Ich gehe zur Schule, nach der Schule trainiere ich ein bisschen. Nach dem Training mache ich meine Hausaufgaben. Ich koche meistens selbst und kann auch sehr gut kochen. Je nach Möglichkeit lese ich auch Bücher. Ich schneide auch freiwillig die Haare der anderen und habe dadurch Haareschneiden gelernt.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Warum hatten Sie im Haus XXXX der XXXX Hausverbot (Bericht der Landespolizeidirektion XXXX , Stadtpolizeikommando XXXX , Polizeiinspektion XXXX vom XXXX )?

Beschwerdeführer: Der Grund kann nur das sein, dass ich 3 Tage in XXXX gewesen bin aber darüber habe ich mit meinem Berater gesprochen und ihm Bescheid gesagt. Wenn er das selber nicht weitergegeben hat, ist das nicht mein Problem. Ich kann jederzeit in dieses Haus hineingehen, denn dort lebe ich.

Richter: Kennen Sie einen Afghanischen Staatsangehörigen namens XXXX geboren am XXXX ?

Beschwerdeführer: Der bin ich selber. Da wir im Iran aufgewachsen sind, wusste ich persönlich nicht, dass in Afghanistan zu 99% der Nachname des Vaters genommen wird. Wir sind alle Sadat und der Nachname ist XXXX . Da mein Großvater XXXX geheißen hat, macht beides Sinn.

Richter: Wie kommt es, dass es eine weitere Aufenthaltsberechtigungskarte mit dem geb. Datum XXXX gab, mit der Sie ein Bankkonto eröffnet haben?

Beschwerdeführer: Das ist zu Missverständnissen bei Ihnen gekommen. Auf der ersten Aufenthaltsberechtigungskarte war der Familienname XXXX . Mein genaues Geburtsdatum und meinen Namen hat mir meine Schwester gesagt.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Ein Grund war, dass ich im Iran keine offiziellen Dokumente hatte. Wenn man sich an die Behörde gewendet hat und danach gefragt hat Dokumente zu bekommen, kam sofort der Vorschlag nach Syrien in den Krieg zu ziehen. Vielen Freunden und Bekannten von mir ist dieser Vorschlag gemacht worden. Einige von ihnen sind dort gefallen. Aus diesem Grund konnte ich nicht ohne weiteres zur Schule gehen, konnte nicht arbeiten. Es war fast ein verstecktes Leben. Wenn du von der Polizei erwischt wirst, wirst du den gleichen Vorschlag bekommen oder wirst nach Afghanistan abgeschoben. Das war der Hauptgrund. Es gibt auch Mobbing im Iran. Ich habe dadurch auch 300.000 Toman verloren, weil sie mir andere Jugendliche weggenommen haben. Als Afghane wird man jedenfalls von den Iranern gemobbt. Ja das waren die Gründe. Dort spielt der Rassenunterschied auch eine Rolle. Es wurde versucht die Schule in ihrem Betrieb zu stören und allenfalls zu schließen.

Richter: Sind Sie jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Nicht einmal, ich bin mehrere Male geschlagen worden. Ich habe eine Fraktur in meinem linken Fuß. Es geschah fast immer in den Orten in der Umgebung. Die Angreifer waren meistens die jungen Menschen.

Richter: Wodurch sind Sie in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführer: Als Schiiten bin ich erstens dort in Gefahr. Ich weiß nicht wie informiert Sie sind aber in den vergangenen Monaten wurden viele Bomben gelegt, sogar in Schulen. Sie haben die Schiitische Moschee sogar in die Luft gesprengt. Als jemand der sich dort überhaupt nicht auskennt, habe ich auch sehr große Angst vor den Taliban sowie den Daesch.

Richter: Wie sind Sie nach Österreich gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin über den Balkan nach Österreich gekommen. Ich bin vom Iran in die Türkei, von der Türkei nach Griechenland, von Griechenland nach Mazedonien, von Mazedonien nach Serbien, von Serbien nach Kroatien, von Kroatien nach Ungarn und von Ungarn nach Österreich.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Ca. 4.000 Dollar habe ich ausgegeben. Davon habe ich einen Teil selbst gespart und den Rest hat meine Mutter mir geholfen.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ich habe deshalb die Beschwerde eingereicht, weil alles was ich bei der Einvernahme dort gesagt habe die Wahrheit ist. Deshalb bin ich bei Ihnen.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: Wenn ich nach Afghanistan hätte fahren können, wäre ich lieber vom Iran nach Afghanistan gefahren. Ich habe nie Afghanistan gesehen, ich war noch nie in Afghanistan. Obwohl ich selber dort nicht gelebt habe, aber da mein Vater in der Zeit des Kommunismus als Staatsbeamter gearbeitet hat, versuchen die Mujaheddin und die Daesch sogar die Nachkommen dieser Personen in die Hand zu bekommen. Als Rückkehrer aus Europa so wie ich, wird man mich sehr schnell unten erkennen. Außerdem kann man in keinem Dorf sicher sein, weil ich die Leute nicht kenne. Sie könnten glauben, dass ich einer von der Taliban bin.

Rechtsvertreter: Habe Sie viele österreichische Freunde?

Beschwerdeführer: Ja.

Rechtsvertreter: Unternehmen Sie auch was mit ihnen?

Beschwerdeführer: Ja, z.B. mit Herrn XXXX , wir unternehmen vieles, z. B. Schwimmen, Badminton.

Rechtsvertreter: Was für einen Status hat Ihre Schwester?

Beschwerdeführer: Sie hat einen grauen Konventionspass.

[...]

Der Beschwerdeführer bringt nichts mehr vor.

Richter: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine ärztliche Bestätigung vom XXXX über Stressbelastung und Thoraxschmerzen im Herzbereich, eine Überweisung an die Endokrinologische Ambulanz, die Antrittsmeldung für den Kurs Deutsch Basisbildung A2 vom XXXX von der XXXX , Fotos über die Teilnahme an Integrationsveranstaltungen und die Zeitschrift XXXX vor. Diese wurden zum Akt genommen.

14. Mit Schreiben vom XXXX forderte das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerdeführer auf, binnen 14 Tagen ab Zustellung Befunde über die Untersuchungsergebnisse der endokrinologischen Ambulanz sowie aktuelle medizinische Unterlagen vorzulegen. In einem übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde einen Auszug des aktuellen Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Afghanistan zur Stellungnahme.

15. Der Beschwerdeführer legte mit Schriftsatz vom XXXX medizinische Unterlagen vor. Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag legte der Beschwerdeführer ein Zeugnis zur Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vom XXXX vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und den Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist volljährig und afghanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari bzw. Farsi. Er kann diese Sprache lesen und schreiben. Weiter spricht er ein wenig Urdu, Deutsch und Englisch. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in Pakistan in XXXX geboren und lebte dort bis zu seinem neunten Lebensjahr. Mit ungefähr neun Jahren verließ der Beschwerdeführer mit seiner Familie Pakistan und übersiedelte in den Iran. Dort lebte er bis zu seiner Ausreise im Sommer XXXX gemeinsam mit seinen Eltern, einem Bruder und zwei Schwestern im afghanischen Familienverband. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers lebt in Deutschland in XXXX , eine Schwester des Beschwerdeführers lebt in Österreich in XXXX .

Der Beschwerdeführer besuchte in Pakistan ein paar Jahre die Schule und anschließend im Iran acht Jahre eine afghanische Schule. Weiter arbeitete er im Iran acht Jahre als Schneiderhelfer und drei Jahre als Fahrradmechaniker.

Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie. Diese hält sich nach wie vor an der Heimatadresse im Iran auf. Weiter leben fünf Onkel väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers im Iran und eine Tante mütterlicherseits in Deutschland. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Afghanistan.

Es kann nicht festgestellt werden, aus welcher afghanischen Provinz die Familie des Beschwerdeführers ursprünglich stammt. Eine "Heimatprovinz" des Beschwerdeführers konnte daher nicht festgelegt werden.

1.2 Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit XXXX durchgehend in Österreich auf. Er reiste illegal schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Er besuchte seit seiner Einreise mehrere Basisbildungs- und Integrationskurse sowie mehrere Deutschkurse. Im XXXX absolvierte der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf dem Niveau B1 und zu Werte- und Orientierungswissen. Der Beschwerdeführer arbeitet an einigen Integrations-Projekten der XXXX Jugend XXXX aktiv ehrenamtlich mit. Unter anderem kocht er für Teilnehmer oder unterstützt die XXXX Jugend XXXX ehrenamtlich bei diversen Veranstaltungen.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich soziale Kontakte - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft. In seiner Freizeit geht er etwa Schwimmen oder spielt Badminton. Der Beschwerdeführer ist kein Vereinsmitglied.

Die Schwester des Beschwerdeführers, XXXX , ist in Österreich asylberechtigt und lebt in XXXX . Der Beschwerdeführer lebt nicht mit seiner Schwester im selben Haushalt, es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. In Österreich leben keine weiteren Verwandten oder sonstige enge Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer reagiert auf Stresssituationen mit somatischen Beschwerden sowie mit Thoraxschmerzen, Durchfall und Magenschmerzen. Der kardiologische Befund zeigt sich jedoch unauffällig und es gibt keinen Hinweis für eine kardiale Genese der Beschwerden. Es konnte insgesamt nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers steht einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen. Er ist trotz der bestehenden Beschwerden in Stresssituationen arbeits- und erwerbsfähig.

1.3 Zu seinen Fluchtgründen und der Rückkehr nach Afghanistan

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen in weiterer Folge mit Verfolgung durch die Taliban wegen der Entführung des Vaters bzw. dessen ehemaliger Tätigkeit als Staatsbediensteter, der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, einer etwaigen Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der schiitischen Hazara sowie mit Verfolgung aufgrund der allgemein unterstellten religiösen und politischen (westlichen) Gesinnung als Rückkehrer.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban entführt wurde und dem Beschwerdeführer nunmehr ebenfalls asylrelevante Verfolgung durch die Taliban droht. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers in Afghanistan als Staatsbediensteter beim Transportministerium arbeitete. Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Familie seines Vaters Übergriffen bzw. aktiver Verfolgung durch die Taliban oder sonstige Akteure ausgesetzt wäre, ist daher nicht zu erwarten.

Dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Zwangsrekrutierung oder Übergriffe wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit drohen, ist nicht zu erwarten.

Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan infolge seines Aufenthalts in Europa als "verwestlicht" wahrgenommen und ihm deshalb eine Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellen politischen Gesinnung drohen würde.

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Es kann nicht festgestellt werden, aus welcher afghanischen Provinz die Familie des Beschwerdeführers ursprünglich stammt. Eine "Heimatprovinz" des Beschwerdeführers konnte daher nicht festgelegt werden.

Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch.

Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Hauptstadt der Provinz - Herat (Stadt) - ist davon wenig betroffen und steht wie auch Mazar-e Sharif in Balkh unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.

Die Provinzen Balkh und Herat sind von einer Dürre betroffen. Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Wasser und medizinische Versorgung sind in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) grundsätzlich gegeben. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft und medizinische Versorgung wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen. Insbesondere steht der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen, zumal die Erkrankungen des Beschwerdeführers in Afghanistan behandelt werden können.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 29.6.2018, außer wenn anders angegeben)

1.4.1.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1.1 Kurzinformation vom 4.6.2019

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabeium Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

1.4.1.1.2 Kurzinformation vom 26.3.2019

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

1.4.1.1.3 Kurzinformation vom 1.3.2019

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

1.4.1.1.4 Kurzinformation vom 31.1.2019

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwische

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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