TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/12 98/08/0078

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Veröffentlicht am 12.05.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §33 Abs2 lita;
AlVG 1977 §34 Abs3;
AlVG 1977 §34 Abs4 Z1;
AlVG 1977 §34 Abs4 Z2;
B-VG Art140 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der N in I, vertreten durch D, Rechtsanwalt in I, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 15. Mai 1997, Zl. LGSTi/V/1215/5829 010350-702/1997, betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung des Pensionsvorschusses aus Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Pensionsvorschusses aus Notstandshilfe unter Berufung auf § 33 Abs. 2 lit. a iVm § 34 Abs. 4 AlVG abgelehnt. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin zwar für den zeitlichen Geltungsbereich vom 4. Oktober 1988 bis 3. Oktober 1991 und für den zeitlichen Geltungsbereich vom 3. Oktober 1991 bis 2. Oktober 1996 einen Befreiungsschein besessen, allerdings habe sie keinen Anspruch auf Verlängerung dieses Befreiungsscheines, da sie die für die Verlängerung notwendige Dauer eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses nicht nachweisen könne. Dafür müsse die Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in den letzten acht Jahren 60 Monate eines arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses nachweisen. Die Beschwerdeführerin könne jedoch aufgrund ihrer Bezugszeiten in den letzten acht Jahren nur insgesamt 45 Monate und 7 Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachweisen. Wenngleich die Beschwerdeführerin auch über einen positiven Feststellungsbescheid der Ausländerabteilung der regionalen Geschäftsstelle Innsbruck verfüge, gemäß welchem sie die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. Dezember 1980 über die Entwicklung der Assoziation erfülle, und somit freien Zugang zu jeder von ihr gewählten unselbständigen Beschäftigung habe, könne ihrem Antrag auf Zuerkennung des Pensionsvorschusses aus der Notstandshilfe dennoch nicht stattgegeben werden, da gemäß § 34 Abs. 4 Z. 1 AlVG der Besitz eines gültigen Befreiungsscheines Voraussetzung für die Zuerkennung der Notstandshilfe sei. Eine rechtliche Gleichstellung zwischen einem positiven Feststellungsbescheid gemäß Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des genannten Beschlusses und der Innehabung eines Befreiungsscheines sei deshalb nicht möglich, da durch diesen positiven Feststellungsbescheid nach dem Abkommen des Assoziationsrates zwischen der EWG und der Türkei dem Antragsteller lediglich bestätigt werde, daß er aufgrund seines mehrjährigen Wohnsitzes in Österreich nunmehr freien Zugang zu jeder von ihm gewählten unselbständigen Beschäftigung habe und dieser Bescheid somit in die Zukunft wirke. Die Innehabung eines Befreiungsscheines besage jedoch, daß der Ausländer über entsprechende gesetzliche geforderte Beschäftigungszeiten in der Vergangenheit im Inland verfüge und somit nach dem Versicherungsprinzip auch Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und somit auch auf Notstandshilfe bzw. Pensionsvorschuß aus Notstandshilfe habe. Um den positiven Feststellungsbescheid gemäß Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des genannten Beschlusses zu erreichen, müsse der antragstellende Ausländer über keine Beschäftigungszeiten im Inland, sondern lediglich über einen fünfjährigen ordnungsgemäßen Wohnsitz als Familienangehöriger im Inland verfügen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Aus Anlaß (u.a.) der vorliegenden Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 18. November 1997, Zl. A 121/97, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, § 33 Abs. 2 lit. a sowie § 34 Abs. 3 und 4 Z. 1 und 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idF BGBl. Nr. 416/1992, als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis vom 11. März 1998, G 363 bis 365/97 u.a. (den vorliegenden Beschwerdefall betrifft die Erledigung zu G 484/97), wurden die genannten gesetzlichen Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nunmehr über die Beschwerde erwogen:

Der Anspruch auf Gewährung des Pensionsvorschusses aus Notstandshilfe der Beschwerdeführerin (einer türkischen Staatsangehörigen) wurde - gestützt unter anderem auf die nunmehr vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen des AlVG - abgewiesen.

Der vorliegende Beschwerdefall ist Anlaßfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG; auf ihn ist daher das als verfassungswidrig aufgehobene Gesetz nicht mehr anzuwenden.

Damit ist dem angefochtenen Bescheid die ihn tragende Rechtsgrundlage entzogen; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998080078.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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