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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §50;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der Ing. H. Bauer GesmbH & Co KG in Attnang-Puchheim, vertreten durch D, D, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. April 1995, Zl. SV(SanR)-362/7-1995/Ru/Ma, betreffend Beiträge (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. Juni 1994 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin mehrerer Dienstnehmer zur Zahlung von allgemeinen Beiträgen (S 38.062,70), Sonderbeiträgen (S 2.265,60) und eines Beitragszuschlages (S 7.500,--).
In der Bescheidbegründung wurde dazu unter anderem ausgeführt:
"2. Für die Versicherten R.H. und A.L. wurde ein niedrigerer Sachbezugswert (Privatnutzung eines Firmen-PKW"s) mit der Kasse abgerechnet, als für Zwecke der Lohnsteuer gemäß § 15 Abs. 2 des EStG 1988 heranzuziehen gewesen wäre.
Den beiden Dienstnehmern stand vom 1.5.1991 bis 31.12.1993 (R.H.) und vom 1.1.1991 bis 31.12.1993 (A.L.) ein arbeitgebereigenes Kfz für Privatfahrten zur Verfügung.
Hiefür wurden nur 0,75 % statt 1,5 % des Anschaffungswertes den Beitragsgrundlagen zugeordnet. Aufgrund der vorgelegten Fahrtenbücher und Wochenberichten konnte kein entsprechender Nachweis erbracht werden, daß die monatlichen Fahrtstrecken der Privatfahrten nicht mehr als 500 km betrug (Beitragsrechnung, Begründungssymbol "N 14").
Gemäß § 50 ASVG gilt für die Bewertung der Sachbezüge die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, wobei sie den erstinstanzlichen Bescheid nur insofern bekämpfte, als in dessen Begründung ein (im Spruch nicht gesondert ausgewiesener, nach der angeschlossenen Beitragsrechnung aber bei weitem überwiegender) Teil der dem Bescheid zugrunde gelegten Differenzen mit den zuvor wiedergegebenen Ausführungen erläutert wurde. Die Beschwerdeführerin vertrat hiezu im Einspruch die Auffassung, der Nachweis sei durch die vorgelegten Fahrtenbücher, Reisekostenabrechnungen und Wochenberichte lückenlos erbracht, und stellte den Antrag, den Bescheid hinsichtlich dieses Punktes "aufzuheben" und den Beitragszuschlag "zu stornieren".
Die belangte Behörde gab dem Einspruch mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Sie begründete dies nach einer Darstellung des Verfahrensganges und einem Hinweis darauf, die Beschwerdeführerin habe im Einspruchsverfahren "wahllos herausgenommene Wochenberichte, die entsprechende Seite im Fahrtenbuch sowie Reisekostenabrechnung" der beiden Dienstnehmer vorgelegt, im wesentlichen wie folgt:
"Um eine Wiederholung zu vermeiden, wird auf die im bekämpften Bescheid angeführten Gesetzesstellen verwiesen.
Gemäß § 50 ASVG gilt für die Bewertung der Sachbezüge die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer.
Die oben angeführten Unterlagen der Dienstnehmer H. und L. wurden daher im Zuge des Beweisverfahrens an die zuständige Finanzbehörde mit dem Ersuchen um Rechtsauskunft darüber übermittelt, ob diese Unterlagen einen jeden Zweifel ausschließenden Nachweis darüber erbringen könnten, wie viele Kilometer die beiden genannten Dienstnehmer privat gefahren sind.
Mit Schreiben vom 7.11.1994 teilte das Finanzamt Vöcklabruck in Beantwortung dieser Anfrage mit, daß die vorgelegten Unterlagen keinen zweifelsfreien Beweis für privat gefahrene Kilometer erbrächten, da die Fahrtenbücher sehr mangelhaft geführt worden seien und somit die Formalerfordernisse nicht ausreichend erfüllten. Es sei jedoch bekannt, daß es in der einspruchswerbenden Firma noch weitere Unterlagen gäbe, durch welche möglicherweise eine andere Beurteilung erfolgen könne.
Nach Kenntnisnahme dieses Schreibens des Finanzamtes Vöcklabruck werden von der einspruchswerbenden Firma mit Schreiben vom 29.11.1994 noch weitere Unterlagen vorgelegt, das Einspruchsvorbringen wiederholt und abermals darauf verwiesen, daß aus den vorgelegten Unterlagen Datum, Kilometerstrecke, Ausgangs- und Zielpunkt sowie Zweck der einzelnen Fahrten einwandfrei erkennbar seien.
Die Spruchbehörde stellt jedoch fest, daß auch diese Unterlagen sehr mangelhaft geführt sind und somit die Formalerfordernisse nicht ausreichend erfüllen. Auch diese Unterlagen, die sowohl die Anzahl der beruflich als auch der privat gefahrenen Kilometer enthalten, sind mangelhaft und als Nachweis ungeeignet. Es fehlen die lückenlosen Angaben der gefahrenen Kilometer pro Zielort und auch nähere Angaben zu den privat gefahrenen Kilometern, ganz abgesehen davon, daß die Zahlen auch rechnerisch nicht nachvollziehbar sind.
Die Behauptung des Einspruchswerbers, es sei für jeden Tag die Kilometerstrecke sowie Ausgangs- und Zielpunkt zu ersehen, ist unrichtig. Ein lückenloser Nachweis des Fahrtablaufes ist für die Spruchbehörde nicht nachvollziehbar. Der in der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen hinsichtlich der Bewertung der Nutzung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges für Privatzwecke geforderte, einen jeden Zweifel ausschließender Nachweis, wieviele Kilometer die einzelnen Dienstnehmer privat gefahren sind, konnte somit nicht erbracht werden.
Von dieser Ansicht ist offenbar auch das Finanzamt Vöcklabruck ausgegangen."
Der Rest der Bescheidbegründung diente der Erläuterung und Rechtfertigung des Beitragszuschlages.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nur die Höhe eines bestimmten Sachbezugswertes strittig, von der die Parteien übereinstimmend und zutreffend davon ausgegangen sind, daß sie gemäß § 50 ASVG nach der Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer zu beurteilen sei (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 31. Jänner 1961, Slg. Nr. 5.483/A, vom 13. November 1986, Slg. Nr. 12.298/A, und vom 21. September 1993, Slg. Nr. 13.891/A).
Der Beurteilung sind demnach die "grundsätzlichen allgemeinen Vorschriften" zugrunde zu legen, die für die Bewertung von Sachbezügen im Lohnsteuerrecht gelten. Das bedeutet nicht, daß die Bewertung für die Zwecke der Sozialversicherung sich im Einzelfall an die Entscheidungen des für die Bemessung der Lohnsteuer zuständigen Finanzamtes zu halten habe (vgl. dazu das erste der zitierten Erkenntnisse; daran anschließend auch das Erkenntnis vom 30. April 1971, Zl. 1359/70).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ein Finanzamt um "Rechtsauskunft" darüber ersucht, ob die vorgelegten Unterlagen zur Erbringung des von der belangten Behörde als erforderlich angesehenen Beweises geeignet seien. Vom Finanzamt wurde dies - nach der Aktenlage mit dem zutreffenden, von der belangten Behörde aber nicht erwähnten Hinweis, es handle sich um eine Frage der Beweiswürdigung, ansonsten aber nicht ausführlicher als im angefochtenen Bescheid wiedergegeben - in bezug auf die vorgelegten "Fahrtenbücher und Wochenberichte" verneint und die belangte Behörde auf weitere Unterlagen ("tägliche Reiseberichte") bei der Beschwerdeführerin hingewiesen, unter deren zusätzlicher Heranziehung nach Meinung des Finanzamtes eine andere Beurteilung - nicht "möglicherweise", wie die belangte Behörde den Inhalt des Schreibens zitiert, sondern "durchaus" - stattfinden könne.
Wenn die belangte Behörde ihre genau gegenteilige Würdigung der von der Beschwerdeführerin daraufhin noch vorgelegten Unterlagen abschließend mit dem Hinweis kommentierte, von "dieser Ansicht" sei "offenbar auch das Finanzamt" ausgegangen, so wäre dies - abgesehen von der Irrelevanz der nicht näher begründeten Einschätzung der Beweislage durch eine andere Behörde - nur unter der Prämisse verständlich, daß es sich bei den zusätzlichen Unterlagen nicht um die vom Finanzamt erwähnten "weiteren" Unterlagen gehandelt hätte, von denen dem Finanzamt bekannt war, daß sie bei der Beschwerdeführerin vorhanden seien.
Die oben wiedergegebenen Erwägungen der belangten Behörde in bezug auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen sind von einer konkreten, den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens entsprechenden Auseinandersetzung mit den Inhalten dieser Urkunden aber so weit entfernt, daß nicht nur unklar bleibt, worin ihre behaupteten Lücken und Mängel im einzelnen bestehen sollen. Es ist schon nicht erkennbar, von welchen "Unterlagen" in den Ausführungen der belangten Behörde jeweils der Art nach die Rede ist. Die dem angefochtenen Bescheid in tatsächlicher Hinsicht zugrunde gelegten Erwägungen der belangten Behörde sind für den Verwaltungsgerichtshof daher nicht nachvollziehbar.
Den Ausführungen der belangten Behörde ist im besonderen nicht entnehmbar, daß und weshalb die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen die Möglichkeit offenließen, daß die im Jahresdurchschnitt zurückgelegte monatliche Fahrtstrecke für Privatfahrten 500 km jeweils überstieg, wovon die Bewertung des Sachbezuges mit 1,5 % statt 0,75 % der Anschaffungskosten bei sinngemäßer Anwendung der einer Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer zugrundezulegenden Grundsätze offenbar auch nach der - zutreffenden - Ansicht der belangten Behörde abhing.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch des Schriftsatzaufwandes in der Höhe des von der Beschwerdeführerin begehrten Betrages gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Entrichtung von Gebühren hätte es aufgrund der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht bedurft.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995080151.X00Im RIS seit
11.12.2001