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32/06 Verkehrsteuern;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde der C in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Oktober 1996, Zl. 5-b15d 1/6-95, betreffend Eintragung von Rechten und Begünstigungen in den Behindertenpaß, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundessozialamtes für Behindertenwesen Steiermark vom 7. März 1995 (mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. April 1993 auf Eintragung des Zusatzes, "dauernd stark gehbehindert" in ihrem Behindertenpaß gemäß § 42 Abs. 1 i.V.m. §§ 46 und 45 Abs. 3 BBG abgewiesen wurde) gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz keine Folge und stellte fest, daß das Ausmaß der Behinderung des Gangbildes der Beschwerdeführerin nicht derartig sei, daß eine dauernd starke Gehbehinderung nach den Kriterien des § 29b StVO ableitbar wäre.
In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen dar und zitierte § 42 Abs. 1 zweiter Satz Bundesbehindertengesetz und § 29b Abs. 1 StVO.
Sodann wurde ausgeführt, daß (von der Rechtsabteilung 5) bei der Fachabteilung für das Gesundheitswesen der Antrag gestellt worden sei, die Beschwerdeführerin vorzuladen, einer Untersuchung zu unterziehen und Befund und Gutachten dahingehend zu erstellen, ob eine dauernde starke Gehbehinderung in ihrem Behindertenpaß einzutragen wäre. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.
Weiters wurde ausgeführt, es sei unbestritten, daß der Beschwerdeführerin mit Bescheid ihres Wohnsitzfinanzamtes vom 30. Oktober 1985 die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 KFG (gemeint: Kraftfahrzeugsteuergesetz) für ihren PKW zuerkannt worden sei. Für den Ankauf eines neuen PKW"s werde nunmehr für die Erlangung der Steuerbefreiung unter anderem der Nachweis der Körperbehinderung in Form einer Eintragung der dauernden starken Gehbehinderung oder der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gefordert. Zur Abklärung dieser Frage sei die Beschwerdeführerin am 10. Oktober 1995 in der Fachabteilung für das Gesundheitswesen untersucht worden und sei durch das amtsärztliche Gutachten festgestellt worden, daß das Ausmaß der Behinderung des Gangbildes der Beschwerdeführerin nicht derartig sei, daß eine dauernd starke Gehbehinderung nach den Kriterien des § 29b StVO ableitbar wäre. Zum Einwand der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Bezugnahme des Gutachtens des Amtssachverständigen auf § 29b StVO sei auszuführen, daß sich diese Bestimmung auf das Halten und Parken des Fahrzeuges einer dauernd stark gehbehinderten Person beziehe.
Zu den weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin, vor allem der Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 auf 60 v.H. bzw. der Vorlage weiterer privater Gutachten werde ausgeführt, daß der Sachverständige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen unter Berücksichtigung aller Einwendungen der Beschwerdeführerin nach wie vor die Meinung vertrete, daß eine Eintragung der dauernd starken Gehbehinderung der Beschwerdeführerin in ihrem Behindertenpaß nicht gerechtfertigt sei.
Dem Bescheid wurde ein Schreiben der Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom 13. Oktober 1995, gerichtet an die Rechtsabteilung 5, betreffend die Beschwerdeführerin, Eintragung im Behindertenpaß gemäß Bundesbehindertengesetz, beigelegt. In diesem Schreiben wird nach Darstellung der Vorgeschichte und Angabe der subjektiven Beschwerden der Beschwerdeführerin im Untersuchungsbefund vom 10. Oktober 1995 das Gangbild als geringgradig hinkend mit geringgradiger Schrittverkürzung bezeichnet. Weiters ist festgehalten, daß aufgrund der erhobenen muskulären Befunde eine raschere Ermüdbarkeit bzw. Belastungsschmerz abzuleiten seien. Das Auftreten derartiger Belastungsschmerzen "im erträglichen Maß" könne wechselnd sein von einigen wenigen hundert Metern bis zu mehr als 1 km. In dem als Gutachten übertitelten Teil dieses Schreibens ist ausgeführt, daß aufgrund der erhobenen klinischen Befunde über die verbliebene Funktionsfähigkeit beider Hüftgelenke, insbesonders des linken Hüftgelenkes und auch der Befunde des aktiven Bewegungsapparates (Muskulatur) geringgradige Behinderungen des Gangbildes und auch Belastungsschmerzen nachvollziehbar seien. Das Ausmaß dieser Behinderung des Gangbildes sei jedoch "nicht derartig, daß eine dauernd starke Gehbehinderung nach den Kriterien des § 29b StVO ableitbar" wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützt sich in ihrem Abspruch auf § 42 Abs. 1 BBG und § 29b Abs. 1 StVO. Soweit sich die belangte Behörde auf die zuletzt genannte Bestimmung stützt, verkennt sie die Rechtslage:
§ 42 Abs. 1 erster Satz BBG i.d.F. BGBl. Nr. 26/1994 nennt die persönlichen Daten, die der Behindertenpaß zu enthalten hat. Der zweite und dritte Satz dieser Bestimmung (in der Fassung BGBl. Nr. 283/1990) lauten wie folgt:
"Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom zuständigen Landesinvalidenamt vorzunehmen."
Mit dieser Bestimmung werden keinesfalls bestehende Zuständigkeitsvorschriften für die Feststellung von Rechten und Vergünstigungen für behinderte Personen geändert. Personen, denen die Rechte und Vergünstigungen des § 29b Abs. 1 und 2 StVO zustehen, ist gemäß § 29b Abs. 4 leg. cit. von "der Behörde" ein Ausweis auszustellen. Die belangte Behörde oder das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist nicht die in § 29b Abs. 4 StVO angesprochene Behörde. § 94 Abs. 2 lit. a StVO (i.d.F. BGBl. Nr. 518/1994) nennt hiefür die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren örtlichen Wirkungsbereich der Antragsteller seinen Wohnsitz hat. Dadurch, daß die belangte Behörde spruchgemäß feststellte, daß die Rechte und Vergünstigungen des § 29b StVO nicht vorliegen, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat in der Darstellung des Verwaltungsverfahrens ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid geltend machte, daß ihr bereits mit Bescheid des Wohnsitzfinanzamtes im Jahre 1985 die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer zuerkannt worden sei und sie nunmehr für den Ankauf eines neuen Autos unter anderem einen Nachweis ihrer Körperbehinderung in Form einer Eintragung der dauernden starken Gehbehinderung oder der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung in ihrem bereits bestehenden Behindertenpaß benötige.
Das von der Beschwerdeführerin angesprochene Bundesgesetz über die Erhebung einer Kraftfahrzeugsteuer (Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, kurz KfzStG 1992) sieht in seinem § 2 Abs. 1 Z. 12 (i.d.F. BGBl. Nr. 254/1993) vor:
"Von der Steuer sind befreit: Kraftfahrzeuge, die für Körperbehinderte zugelassen sind und von diesen infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden müssen, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
Überreichung einer Abgabenerklärung an das Finanzamt. Bei Erfüllung aller Voraussetzungen entsteht der Anspruch auf Steuerfreiheit mit der Überreichung der Abgabenerklärung;
dies gilt auch, wenn der Nachweis über die Körperbehinderung erst nachträglich beigebracht wird;
b)
Nachweis der Körperbehinderung durch
-
einen Ausweis gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder
-
eine Feststellung im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 3 des Bundesbehindertengesetzes 1990 oder
-
die Eintragung einer dauernden starken Gehbehinderung, der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder der Blindheit im Behindertenpaß (§ 42 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes 1990);
c)
vorwiegende Verwendung des Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung des Körperbehinderten und für Fahrten, die Zwecken des Körperbehinderten und seiner Haushaltsführung dienen;
d)
..."
Diese Bestimmung legt somit auch fest, wodurch die Körperbehinderung nachzuweisen ist. Als erste Alternative wird ein Ausweis gemäß § 29b der StVO 1960 genannt, für dessen Ausstellung die belangte Behörde oder das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen - wie bereits ausgeführt - nicht zuständig ist. Weiters reicht hiefür die Feststellung im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 3 Bundesbehindertengesetz 1990. In dieser Bestimmung wird als eine der Voraussetzungen für die Förderung beim Ankauf von Kraftfahrzeugen der Nachweis der dauernden starken Gehbehinderung durch einen Ausweis gemäß § 29b der StVO 1960 oder die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung aufgrund eines Gutachtens eines Arztes des zuständigen Landesinvalidenamtes genannt. Die erste Alternative dieser Gesetzesstelle ist ident mit § 2 Abs. 1 Z. 12 lit. b erster Gedankenstrich KfzStG 1992; es gilt daher das dort Gesagte. Eine Feststellung nach der zweiten Alternative wurde von der Beschwerdeführerin nicht begehrt.
Schließlich wird als Art des Nachweises der Körperbehinderung die Eintragung einer dauernden starken Gehbehinderung, der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder der Blindheit im Behindertenpaß gemäß § 42 Abs. 1 des BBG 1990 genannt. § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG betrifft "zusätzliche Eintragungen, die den Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen". Angesichts des Zwecks der Eintragungen (Nachweis von Rechten und Vergünstigungen) hat der Behinderte ein Recht auf Erledigung seines Antrages. Die Eintragung kann aufgrund von beigebrachten, aus anderen Verfahren stammenden, Urkunden, die die einzutragenden Rechte oder Vergünstigungen festlegen, erfolgen. Das Landesinvalidenamt, nunmehr Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (gemäß BGBl. Nr. 314/1994, Art. 33 § 1), hat aber den Gegenstand der beantragten "zusätzlichen Eintragung" selbst zu beurteilen, wenn solche Urkunden nicht beigebracht werden können. Die Behörde hat aber nur solche zusätzliche Eintragungen auf Antrag vorzunehmen, an denen ein rechtliches Interesse besteht. Bei auch nur teilweiser Verweigerung der beantragten "zusätzlichen Eintragung" ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG ein Bescheid zu erlassen. Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin durch ihre Bezugnahme auf das Kraftfahrzeugsteuergesetz ihr rechtliches Interesse an der "zusätzlichen Eintragung" einer dauernd starken Gehbehinderung in ihrem Behindertenpaß dargetan. Die belangte Behörde hatte daher gemäß § 42 Abs. 1 BBG i.V.m. § 2 Abs. 1 Z. 12 lit. b dritter Gedankenstrich KfzStG 1992 über das Begehren der Beschwerdeführerin abzusprechen.
Die Voraussetzungen der Eintragung einer dauernden starken Gehbehinderung nach diesen Gesetzesstellen sind inhaltlich nicht ident mit den Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO für dauernd stark gehbehinderte Personen. Gemäß § 29b Abs. 1 und 2 StVO 1960 dürfen dauernd stark gehbehinderte Personen an näher umschriebenen Straßenstellen unter näher umschriebenen Umständen halten oder parken, obwohl dort ein Halte- oder Parkverbot besteht. Gemäß § 29b Abs. 4 StVO 1960 hat die Behörde Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen. Zweck dieser Regelungen ist es, bestimmten behinderen Personen die nähere Zufahrt zu ihrem Ziel zu ermöglichen, als dies allgemein rechtlich zulässig wäre. Die Art der Behinderung - die dauernde starke Gehbehinderung - ist von diesem Regelungszweck her zu verstehen. Anspruch auf Ausstellung eines Ausweises im Sinne des § 29b Abs. 4 StVO haben demnach Personen, denen es aus Gründen ihrer Gehbehinderung unmöglich oder unzumutbar ist, eine Strecke zu Fuß zurückzulegen, wie sie der gewöhnlichen Entfernung von einem erlaubten Abstellplatz für das Kraftfahrzeug bis zu einem unter gewöhnlichen Bedingungen erreichbaren Ziel, wie etwa Eingängen zu Wohn- und Bürogebäuden oder zu öffentlichen Gebäuden, wie Amtsgebäuden, Kirchen oder Veranstaltungsstätten, entspricht. Dabei ist - gleichgültig wo die betreffende Person ihren Wohnsitz hat - auf Verhältnisse abzustellen, unter denen nicht damit gerechnet werden kann, in nächster Nähe der genannten Ziele einen erlaubten Abstellplatz für das Kraftfahrzeug zu finden, also etwa auf städtische Straßenverkehrsverhältnisse. Was die Länge dieser vom Gehbehinderten zurückzulegenden Strecke anlangt, finden sich in der Rechtsprechung einerseits Aussagen allgemeiner Art, andererseits werden aber auch konkrete Werte genannt: 150 m als nicht ausreichend (Erkenntnis vom 22. Februar 1989, Zl. 88/02/0207), 500 m als jedenfalls ausreichend (Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/03/0121), mehr als 300 m ohne überdurchschnittliche Kraftanstrengung und ohne große Schmerzen ausreichend (Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/02/0136), um eine starke Gehbehinderung auszuschließen. Ein Antragsteller wird dann als stark gehbehindert im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen sein, wenn er solche Strecken entweder überhaupt nicht oder nur auf eine Weise zurücklegen kann, die das Fortbewegen nicht mehr als Gehen qualifizieren läßt (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 9560/A). Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob dieses Fortbewegen nur unter Aufwendung überdurchschnittlicher Kraftanstrengung oder unter großen Schmerzen möglich ist (vgl. das Erkenntnis vom 22. Februar 1989, Zl. 88/02/0207).
Demgegenüber ist nach § 2 Abs. 1 Z. 12 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 das Kraftfahrzeug von der Steuer befreit, wenn der Körperbehinderte infolge seiner körperlichen Schädigung dieses zur persönlichen Fortbewegung verwenden muß. Weiters wird die vorwiegende Verwendung des Kraftfahrzeuges zur persönlichen Fortbewegung des Körperbehinderten und für Fahrten, die Zwecken des Körperbehinderten und seiner Haushaltsführung dienen, verlangt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Vorgängerbestimmung (§ 2 Abs. 2 KfzStG 1952) in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die für die Steuerbefreiung geforderte Voraussetzung, daß das in Rede stehende Kraftfahrzeug von Körperbehinderten infolge körperlicher Schädigung zur persönlichen Fortbewegung verwendet werden muß, nur dann erfüllt ist, wenn eine ständige, nicht bloß vorübergehende oder zeitweise Benutzung des Kraftfahrzeuges notwendig ist. Dabei kam es aber nicht unbedingt darauf an, daß die Benützung des Kraftfahrzeuges auch bereits für kürzeste Strecken erforderlich bzw. die einzig mögliche Beförderungsart ist; sie war für einen Körperbehinderten auch dann indiziert, wenn andernfalls konkret eine Verschlimmerung seines körperlichen Gebrechens zu besorgen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1991, Zl. 90/15/0178, mit weiteren Nachweisen). Diese von der Judikatur erarbeiteten Grundsätze sind auch auf § 2 Abs. 1 Z. 12 Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992 übertragbar. Aus den Voraussetzungen und dem Ziel dieser Steuerbefreiung ergibt sich aber, daß keinesfalls die dargestellten Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 vorliegen müssen.
Ob aber die Voraussetzungen für die Eintragung einer dauernden starken Gehbehinderung im Behindertenpaß gemäß § 2 Abs. 1 Z. 12 lit. b KfzStG 1992 vorliegen, kann aufgrund des von der belangten Behörde abgeführten Ermittlungsverfahrens nicht abschließend beurteilt werden. Voraussetzung einer Eintragung der Gehbehinderung ist, daß diese dauernd ist, es sich um eine starke Einschränkung der Gehleistung handelt und andererseits die Verwendung eines Kraftfahrzeuges bereits dann indiziert ist, wenn andernfalls konkret eine Verschlimmerung des körperlichen Gebrechens zu besorgen ist. Auf eine solcherart drohende Gefahr für ihre Gesundheit hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren hingewiesen. Die belangte Behörde ist auf dieses Vorbringen im angefochtenen Bescheid nur zum Schein eingegangen, indem sie ausführte, daß der Sachverständige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen unter Berücksichtigung aller Einwendungen der Beschwerdeführerin nach wie vor die Meinung vertrete, daß eine Eintragung der dauernden starken Gehbehinderung in den Behindertenpaß nicht gerechtfertigt sei. Der angefochtene Bescheid enthält - auch bei Berücksichtigung des Verweises auf das beiliegende Sachverständigengutachten - keine ordnungsgemäß getroffenen Feststellungen, die die Schlußfolgerung der Behörde rechtfertigen würden. Dem angefochtenen Bescheid kann zwar entnommen werden, daß es sich bei der Gehbehinderung der Beschwerdeführerin um eine dauernde handelt, das Ausmaß der Einschränkung ist jedoch unklar geblieben. Damit belastete die belangte Behörde ihren Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Daß es sich bei dem Schreiben der Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom 13. Oktober 1995, das der Beschwerdeführerin mit dem Bescheid zugemittelt wurde, um das einen Bestandteil der Begründung bildende Beiblatt des Bescheides handelt, kann nach der Beschreibung im Bescheid und dem Schreiben nicht zweifelhaft sein.
Schließlich rügt die Beschwerdeführerin, daß die belangte Behörde mit der Bescheiderlassung nicht bis zum Einlangen des mit Schreiben vom 6. September 1996 angekündigten Gutachtens aufgrund eines stationären Krankenhausaufenthaltes ab 20. Oktober 1996 zugewartet habe. Da die Beschwerdeführerin auch in der Beschwerde nicht darlegte, welche neuen zusätzlichen Tatsachen die belangte Behörde diesfalls hätte feststellen können, zeigt sie damit keine relevante Verfahrensverletzung auf.
Aus all diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte zufolge der Gebührenfreiheit nach § 51 Bundesbehindertengesetz nicht zuerkannt werden.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996080325.X00Im RIS seit
12.06.2001