Entscheidungsdatum
03.02.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G303 2225097-1/14E
Schriftliche Ausfertigung des am 11.11.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 24.10.2019, Zl. XXXX, und gegen die andauernde Anhaltung in Schubhaft, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.11.2019 zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, vom 24.10.2019, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) iVm. § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
2. Mit Schriftsatz vom 05.11.2019 brachte der bevollmächtigte Vertreter des BF eine Schubhaftbeschwerde ein. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung der Schubhaft rechtswidrig erfolgt sei und aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen, Kommissionsgebühren und Barauslagen auferlegen.
2.1. Mit Schriftsatz vom 07.11.2019 wurde eine Beschwerdeergänzung übermittelt.
3. Auf Grund der entsprechenden Verfügung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Aktenvorlage vom 05.11.2019 wurde vom BFA, RD XXXX, am 06.11.2019 der Bezug habende Verwaltungsakt übermittelt. Im Zuge der Aktenvorlage wurde vom BFA eine begründete Stellungnahme zur vorliegenden Beschwerde erstattet und beantragt die Beschwerde als kostenpflichtig abzuweisen und der belangten Behörde den Ersatz des Vorlageaufwandes in Höhe von EUR 57,40, des Schriftsatzaufwandes in Höhe von EUR 368,80 und gegebenenfalls des Verhandlungsaufwandes in Höhe von EUR 461,00 zuzusprechen.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 11.11.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF nach polizeilicher Vorführung aus dem Anhaltezentrum (AHZ) Vordernberg, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, eine Dolmetscherin sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen. Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.
4.1. Mit Schreiben vom 18.11.2019 beantragte der bevollmächtigte Rechtsvertreter die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er verfügt über kein gültiges Reisedokument.
Er verfügt über kein Aufenthaltsrecht in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 09.06.2015 wurde mit Bescheid des BFA vom 08.06.2016 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, GZ: W142 2128998-1/5E, vom 13.04.2017, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II aufgehoben und zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverwiesen. Spruchpunkt III. und IV. wurden ersatzlos behoben.
Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom 04.07.2017 wurde der Antrag des BF gemäß § 8 AsylG 2005 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ: W240 2128998-2, vom 07.10.2019, als unbegründet abgewiesen. Damit liegt gegenständlich eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor.
Der BF befindet sich seit 24.10.2019 in Schubhaft, die derzeit im AHZ Vordernberg vollzogen wird. Diese wurde zur Sicherung der Abschiebung mit dem oben angeführten Mandatsbescheid angeordnet.
Der BF weist im Bundesgebiet seit 13.08.2015 mehrere Hauptwohnsitzmeldungen mit Unterbrechungen auf. Zuletzt war er von 30.07.2019 bis 22.10.2019 in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, GZ: XXXX, vom XXXX2018, wurde der BF wegen §§ 27 Abs. 1 Z. 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG und § 27 Abs. 2a, 2. Fall SMG sowie § 27 Abs. 1 Z. 1 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, unter Gewährung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, als junger Erwachsener verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, GZ: XXXX, vom XXXX2019, wurde der BF wegen § 27 Abs. 2a 2. Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG sowie § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten verurteilt und die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sechs Monaten widerrufen.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, GZ: XXXX, vom XXXX.2019, wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB verurteilt. Unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX, GZ:XXXX, vom XXXX2019, wurde gem. §§°31 und 40 StGB von einer Zusatzstrafe abgesehen.
Der BF befand sich von XXXX2018 bis XXXX2018 und von XXXX2019 bis XXXX2019 in der Justizanstalt XXXX in Haft.
Die Frist zur freiwilligen Ausreise endete am 21.10.2019. Der BF konnte am 16.10., 17.10., 18.10. und 19.10.2019 an seiner Wohnadresse seitens Organe der PI XXXX, welche im Rahmen eines Erhebungsersuchens des BFA tätig wurden, an seiner gemeldeten Meldeadresse nicht angetroffen werden. Am 22.10.2019 wurde durch die belangte Behörde ein Festnahmeauftrag gegen den BF erlassen. Am 23.10.2019 wurde der BF im Zuge einer Polizeikontrolle aufgegriffen und festgenommen.
Der BF hat in Österreich keine familiären, beruflichen oder sonstigen entscheidungsmaßgeblichen sozialen Bindungen. Der BF ist bislang in Österreich keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgegangen und verfügt über keine zur Sicherung seines Lebensunterhaltes ausreichenden Mittel sowie über einen aufrechten Wohnsitz.
Der haftfähige BF ist nicht ausreisewillig. Der Abschiebetermin ist nunmehr für den 10.12.2019 fixiert. Auch erteilte die afghanische Botschaft die Zustimmung für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA, der Schubhaftbeschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die angeführte Staatsangehörigkeit beruhen auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, welche nicht bestritten wurden. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung des BF im gegenständlichen Verfahren.
Dass der BF über kein gültiges Reisedokument verfügt, gab dieser selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.11.2019 an.
Die Feststellung, dass der BF über kein Aufenthaltsrecht verfügt, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Asylverfahren und zur Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem gegenständlichen Akteninhalt und konnten durch Einsichtnahme in den zur GZ.: W142 2128998-1/5E und GZ.: W240 2128998-2 geführten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes getroffen werden.
Der Schubhaftbescheid wurde dem BF am 24.10.2019 durch persönliche Übergabe zugestellt und damit erlassen. Somit konnte festgestellt werden, dass sich der BF ab diesem Zeitpunkt in Schubhaft befindet. Aus der Anhaltedatei ergibt sich, dass diese im Anhaltezentrum Vordernberg vollzogen wurde.
Aus dem angefochtenen Schubhaftbescheid ergibt sich, dass die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet wurde.
Die festgestellten Hauptwohnsitzmeldungen beruhen auf der Einsicht in das Zentrale Melderegister.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen werden durch entsprechende Einträge im Strafregister belegt. Die Haftaufenthalte sind aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich.
Aus dem Bericht der Polizeiinspektion XXXX vom 19.10.2019 geht hervor, dass der BF im Zuge einer Wohnsitzüberprüfung an den genannten Tagen an seiner Wohnsitzadresse nicht angetroffen werden konnte.
Die Feststellungen zur Festnahme ergeben sich aus dem Festnahmeauftrag des BFA vom 22.10.2019 und dem Bericht der Polizeiinspektion XXXX vom 23.10.2019.
Die fehlenden familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergeben sich aus den eigenen Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung am 11.11.2019.
Aufgrund der Angabe des BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass er selbst über keine finanziellen Mittel verfüge, ergibt sich, dass sein Lebensunterhalt nicht ausreichend gesichert ist.
Anhaltspunkte für eine maßgebliche soziale und berufliche Integration konnten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Aus dem polizeiamtsärztlichen Gutachten vom 23.10.2019 ergibt sich die Haftfähigkeit des BF.
Die Tatsache, dass der BF ausreiseunwillig ist, ergibt sich aus seinen Angaben bei der mündlichen Verhandlung am 11.11.2019.
Der Abschiebetermin für den 10.12.2019 ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Dass die afghanische Botschaft die Zustimmung für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erteilte, konnte anhand der Auskunft der Behördenvertreterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gesetzliche Grundlagen:
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß
Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:
§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.
(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.
(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.
(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.
3.2. Zu Spruchteil A.):
3.2.1. Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.10.2019 und die bisherige Anhaltung in Schubhaft:
Die Voraussetzungen für die Anhaltung des BF in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 und 2 Z 2 FPG lagen vor:
Der volljährige BF war afghanischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger und verfügte über kein Aufenthaltsrecht für Österreich.
Eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG lag aufgrund der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.10.2019 bestätigten Rückkehrentscheidung vor.
Das BFA ging zutreffend davon aus, dass im Falle des BF Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vorlag, weil der BF im Rahmen einer Wohnsitzüberprüfung am 16.10., 17.10., 18.10. und 19.10.2019 an seiner gemeldeten Wohnadresse nicht angetroffen werden konnte. Dem BF wurde eine Frist bis zum Ablauf des 21.10.2019 zur freiwilligen Ausreise eingeräumt. Der BF setzte jedoch keine Schritte, die darauf schließen lassen, dass er freiwillig in sein Herkunftsland zurückkehren würde. Vielmehr verließ er seinen gemeldeten Wohnsitz und lediglich durch eine zufällige Personenkontrolle konnte der BF am 23.10.2019 angehalten werden. Der BF erklärte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass er nicht freiwillig nach Afghanistan ausreisen werde.
Der BF verfügt über keine finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Unterhaltes und über keinen Wohnsitz. Auch übte der BF bislang keine legale Erwerbstätigkeit aus und bestehen im Bundesgebiet keine familiären Beziehungen. Damit ist auch § 76 Abs. 3 Z9 FPG erfüllt.
Zudem wurde der BF dreimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal bereits eine zeitnahe Abschiebung des BF für den 10.12.2019 geplant ist und auch die Ausstellung eines Heimreisezertifikats seitens der afghanischen Botschaft zugesichert wurde.
Aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der ausreiseunwillige BF in der mündlichen Verhandlung vermittelte sowie seinem Vorverhalten, konnte das Auslangen mit einem gelinderen Mittel gemäß § 77 FPG nicht gefunden werden.
Die Anhaltung war auch verhältnismäßig: Dabei war gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, dass eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag. Das Verfahren wurde seitens des BFA effizient geführt, da der Abschiebetermin mit 10.12.2019 unmittelbar bevorsteht. Auch sind hier die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF gemäß § 76 Abs. 2a FPG maßgeblich zu berücksichtigen.
Die Beschwerde gegen den Bescheid und die bisherige Anhaltung in Schubhaft war daher als unbegründet abzuweisen.
3.3. Fortsetzungsausspruch:
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor:
Der BF war weiterhin nicht aufenthaltsberechtigter Fremder und gegen ihn bestand weiterhin eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.
Es lag weiterhin erhebliche Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und 9 FPG vor.
Die Dauer der zulässigen Anhaltung in Schubhaft wurde nicht überschritten. Ein gelinderes Mittel ist aufgrund des bisherigen Verhaltens des BF zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.
Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist, das Verfahren vom BFA effizient geführt wurde und die Durchführung der Abschiebung unmittelbar, nämlich am 10.12.2019, bevorsteht.
Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorlagen.
3.4. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen:
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat.
Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).
Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.
Die belangte Behörde hat fristgerecht beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes zuzusprechen.
Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) in der Gesamthöhe von 887,20 Euro aufzuerlegen.
Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.
3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchteil B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2225097.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.04.2020