TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W224 2207249-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2207249-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2018, Zl. 1151866702-170558017, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgebegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Hierbei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, der Volksgruppe der Kurden sowie dem muslimischen Glauben anzugehören. Er sei ledig, stamme aus XXXX und habe dort neun Jahre die Grundschule besucht. Im November 2016 habe er Syrien illegal verlassen und sei schlepperunterstützt über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Rumänien und Ungarn bis nach Österreich gereist. Zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte er vor, dass seine Herkunftsstadt XXXX stark umkämpft sei. Es gebe Bombenanschläge, seine Eltern seien schon wieder umgezogen, weil deren Haus zerstört worden sei. Er habe schon längst aus Syrien verschwinden wollen, weil er dort in Todesangst gelebt habe.

2. Am 04.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Nach seinen Fluchtgründen befragt führte er aus, dass die Sicherheit nicht gegeben sei und er seine Ausbildung fortsetzen möchte. Er habe zudem Angst von den Kurden und der syrischen Armee zum Militärdienst eingezogen zu werden. Er befinde sich im wehrdienstpflichtigen Alter, Leute in seinem Alter seien eingezogen worden, er habe Angst, dass ihm dasselbe passieren könnte.

3. Mit Bescheid vom 22.08.2018, Zl.: 1151866702-170558017/BMI-BFA WIEN AST, wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine individuelle gegen ihn gerichtete asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Im Zeitpunkt seiner Ausreise sei keine konkrete Rekrutierungsabsicht seitens des syrischen Militärs gegen ihn vorgelegen, da er sich nicht im wehrdienstfähigen Alter befunden habe. Auch könne ein inzwischen vorliegender Einberufungsbefehl ausgeschlossen werden, weil sich der Beschwerdeführer nach wie vor nicht im wehrdienstfähigen Alter befände.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein für Menschenrechte, fristgerecht Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er in seinem Heimatstaat sehr wohl aus asylrelevanten Gründen verfolgt werde. Aufgrund seiner "Einstellung", nämlich der Verweigerung des bewaffneten Kampfes, sowie aufgrund der "Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe" wegen seines Alters und Geschlechts sei er als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen. Mittlerweile gebe es in Syrien hinsichtlich des Unterliegens des verpflichteten Wehrdienstes keine offiziellen Altersbegrenzungen mehr, weshalb auch junge Männer unter 18 Jahren, und somit auch der Beschwerdeführer, zum Eintritt in ihre Milizen gebracht werden könnten.

5. Die dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurden den Verfahrensparteien mit Schreiben vom 27.01.2020, W224 2207249-1/5Z, zur Stellungnahme übermittelt. Zu diesen erstattete weder der Beschwerdeführer noch das BFA eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, wurde am XXXX geboren, bekennt sich zum islamischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Kurden an. Er lebte vor seiner Ausreise in der Stadt XXXX in Syrien.

Seine Ausreise aus Syrien erfolgte illegal. Er verließ Syrien aufgrund der Angst, zum Militärdienst eingezogen zu werden. Im Zeitpunkt seiner Ausreise war er noch minderjährig, am XXXX vollendete er das 18. Lebensjahr.

Der Beschwerdeführer ist im wehrdienstfähigen Alter. Ihm droht in Syrien (bei einer nunmehrigen Rückkehr) die reale Gefahr, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Der Beschwerdeführer verweigert die Ableistung des Militärdienstes. Er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, Ableistung und Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Einreisende Personen werden im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokument einer intensiven Überprüfung unterzogen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

Es liegen hinsichtlich des Beschwerdeführers keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe vor.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 13.5.2019 [letzte Kurzinformation eingefügt am 04.09.2019]; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. Aktualisierte Fassung):

1. Sicherheitslage:

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).

Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghus die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Auch IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi bleibt weiterhin verschwunden (FAZ 23.3.2019).

US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen. Er erklärte jedoch später noch Soldaten vor Ort belassen zu wollen. Für die von den Amerikanern unterstützen Kurden ist ein Abzug der amerikanischen Truppen ein herber Schlag (Qantara 28.2.2019).

Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen, für die einzelnen Monate des Jahres 2018 finden sich deren Daten in der unten befindlichen Grafik. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von Massakern, bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind (SNHR 1.1.2019).

2. Streitkräfte

Die syrischen Streitkräfte bestehen aus dem Heer, der Marine, der Luftwaffe und den Geheimdiensten (CIA 15.1.2019). Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von geschätzt 295.000 Personen gehabt haben (UK HO 8.2016). Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sogenannten Quta'a-System [arab. Sektor, Landstück]. Hierbei wird jeder Division (firqa) ein bestimmtes Gebiet (quta'a) zugeteilt. Mit diesem System wurde in der Vergangenheit verhindert, dass Offiziere überlaufen. Gleichzeitig gab die Armee dem Divisionskommandeur für den Fall eines Zusammenbruchs der Kommunikation oder für Notfälle, freie Hand über dieses Gebiet. Gleichzeitig kann dadurch der Präsident den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt (CMEC 14.3.2016). Im Zuge des Konfliktes hat das Regime loyale Einheiten in größere Einheiten eingegliedert, um eine bessere Kontrolle ausüben und ihre Effektivität im Kampf verbessern zu können (ISW 8.3.2017).

3. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

3.1. Rekrutierung von Minderjährigen durch verschiedenste Organisationen

Einige Quellen berichten, dass Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete nichtstaatliche Gruppen, inklusive der Freien Syrischen Armee (FSA) und mit dieser verbündete Gruppen, kurdische Einheiten und islamistische Gruppen in Syrien Minderjährige als Kindersoldaten rekrutieren (USDOS 20.6.2019; vgl. AA 13.11.2018). Andere Quellen berichten jedoch davon abweichend, dass es zwar Minderjährige gibt, die in den Rängen von regierungstreuen Milizen kämpfen, jedoch die syrische Armee keine Minderjährigen rekrutiert oder einsetzt (FIS 14.12.2018; vgl. ÖB 7.2019).

Jabhat al-Nusra und der sogenannte Islamische Staat (IS) setzen sie als menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Scharfschützen und Henker ein. Bewaffnete Gruppen setzen Kinder auch als Zwangsarbeiter oder Informanten ein, was diese dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen aussetzt. Manche bewaffnete Gruppen, die auf Seiten der syrischen Regierung kämpfen rekrutieren Kinder, manche nicht älter als sechs Jahre (USDOS 20.6.2019). Es gibt aktive Versuche der Rekrutierung von Minderjährigen durch den sogenannten Islamischen Staat (IS), die einer Nötigung gleichkommen (BFA 8.2017).

3.2. Die syrischen Streitkräfte- Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden, bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. Ebenso wurden seit Ausbruch des Konflikts aktive Soldaten auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen (ÖB 7.2019).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

3.3. Befreiung und Aufschub

Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Regierungsangestellte können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Auch medizinische Gründe können Befreiung oder Aufschub bedingen. Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, in der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden (FIS 14.12.2018). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Das Risiko der Willkür ist immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Seit einer Änderung des Gesetzes über den verpflichtenden Wehrdienst im Juli 2019 ist die Aufschiebung des Militärdienstes jedenfalls nur bis zum Alter von 37 Jahren möglich, zudem kann die Aufschiebung durch Befehl des Oberbefehlshabers beendet werden (ÖB 7.2019).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, mittlerweile wird der Status der Studenten jedoch aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren (BFA 8.2017). Einem Bericht zufolge gibt es nun in Bezug auf ein Studium als Befreiungsgrund auch Altersgrenzen für den Abschluss des Studiums. Ein weiterer Bericht gibt an, dass gelegentlich Studenten trotz einer Befreiung bei Checkpoints rekrutiert wurden (FIS 14.12.2018).

Syrische Männer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis im Ausland können sich gegen Zahlung eines "Wehrersatzgeldes" vom Wehrdienst befreien lassen. Laut Wehrpflichtgesetz Art. 46 von 2012 beträgt diese Zahlung je nach Wohnort zwischen 4.000 und 5.000 USD. Gemäß Gesetz Nr. 33 vom August 2014 müssen bei einem Auslandsaufenthalt von über vier Jahren 8.000 USD bezahlt werden. Für im Ausland geborene und weiterhin wohnhafte Syrer im wehrpflichtigen Alter beträgt diese Zahlung 2.500 USD. Es ist jedoch nicht bekannt, ob dies auch für syrische Männer gilt, die seit Beginn des Bürgerkriegs ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018).

Es gibt Beispiele, wo Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin aus Gewissensgründen vom Militärdienst befreit werden, wobei muslimische Führer dafür eine Abgabe bezahlen müssen (USDOS 21.6.2019). Es gibt Berichte, dass in einigen ländlichen Gebieten Mitgliedern der religiösen Minderheiten die Möglichkeit geboten wurde, sich lokalen regierungsnahen Milizen anzuschließen anstatt ihren Wehrdienst abzuleisten. In den Städten gab es diese Möglichkeit im Allgemeinen jedoch nicht und die Mitglieder der Minderheiten wurden unabhängig von ihrem religiösen Hintergrund zum Militärdienst eingezogen (FIS 14.12.2018).

Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers, der bereits eine nicht bekannte Anzahl von Entlassungen folgte (SD 7.12.2017).

3.4. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

4. Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, "Verschwindenlassen" und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 13.3.2019).

Orte, die im Laufe der vergangenen Jahre wieder unter die Kontrolle der Regierung gelangt sind, erlebten organisierte und systematische Plünderungen durch die bewaffneten Einheiten der Regierung (SHRC 24.1.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie die mit al-Qaida in Verbindung stehende Gruppe Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), sind für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen wie Massaker, Beschuss, Entführung, unrechtmäßige Inhaftierung, Folter, Tötung und Zwangsvertreibung auf Basis der Konfession Betroffener, verantwortlich. Der sogenannte Islamische Staat (IS) agiert(e) mit Brutalität gegenüber Bewohnern des von ihm kontrollierten Territoriums. Ihm werden u.a. vorgeworfen: außergerichtliche Hinrichtungen und Verhaftungen, Haft unter unmenschlichen Bedingungen, Folter, Verschwindenlassen und Anwendung von Körperstrafen. Frauen erleb(t)en in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtung durch Steinigung (USDOS 13.3.2019). Sexuelle Versklavung und Zwangsverheiratung sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen wurden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, wurden sexuell versklavt, zwangsverheiratet und anderen Formen sexueller Gewalt ausgesetzt (USDOS 20.6.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Bezug auf Kampfhandlungen wird dem IS der Einsatz von Kindersoldaten sowie von Zivilisten als menschliche Schutzschilde vorgeworfen. Außerhalb der (ehemals) kontrollierten Gebiete verübte der IS Entführungen und Anschläge (USDOS 13.3.2019).

Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 10.9.2018).

Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten (USDOS 13.3.2019).

Berichten zufolge kam es 2017 auch zur Vertreibung von arabischen Bewohnern aus Gegenden, die durch kurdische Einheiten vom IS befreit worden waren (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018).

Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen (AA 13.11.2018). Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 Unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben (USDOS 13.3.2019).

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden (AA 13.11.2018).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

5. Risikoprofile

UNHCR bleibt bei seiner Einschätzung, dass syrische Zivilpersonen und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen, wenn sie die nachstehenden Risikoprofile (mit Ausnahme der Untergruppen innerhalb der Risikoprofile 3 und 8) erfüllen. Seit der Veröffentlichung der 4. aktualisierten Fassung der vorliegenden Erwägungen zum Schutzbedarf haben die Regierung und PYD/YPG jeweils ihre Kontrolle über Teile des Landes konsolidiert, während die bewaffneten oppositionellen Gruppen und ISIS an Kontrolle verloren haben und ihre militärischen Kapazitäten geschwächt sind.188 Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass bestimmte Untergruppen von Zivilpersonen innerhalb der zwei Risikoprofile (siehe Risikoprofile 3 und 8 in der nachstehenden Liste) je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gegebenenfalls internationalen Schutz benötigen. Die nachstehenden Abschnitte enthalten maßgebliche und zuverlässige Informationen zum Herkunftsland und Hinweise für die Beurteilung des Schutzbedarfs in Bezug auf die nachstehenden Risikoprofile, die gegebenenfalls auch für Familienangehörige und sonstige Personen gelten, die Menschen mit diesen Risikoprofilen nahestehen:

1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Demonstranten, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; hochrangige Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

2. Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte.

3. [...]

6. Rückkehr

Im Juli 2018 zählte die syrische Bevölkerung geschätzte 19,5 Millionen Menschen (CIA 3.4.2019).

Die Zahl der Binnenvertriebenen belief sich im September 2018 auf insgesamt 6,2 Millionen Menschen (UNHCR 30.9.2018). 2018 sind insgesamt etwa 1,2 bis 1,4 Millionen IDPs in Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Mit März 2019 waren 5.681.093 Personen in den Nachbarländern Syriens und Nordafrika als syrische Flüchtlinge registriert (UNHCR 11.3.2019). 2018 sind laut UNHCR insgesamt etwa 56.000 Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Weder IDPs noch Flüchtlinge sind notwendigerweise in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt (UNHCR 18.3.2019).

Wenn eine Person in ihre Heimat zurückkehren möchte, können viele unterschiedliche Faktoren die Rückkehrmöglichkeiten beeinflussen. Ethno-religiöse, wirtschaftliche und politische Aspekte spielen ebenso eine Rolle, wie Fragen des Wiederaufbaus und die Haltung der Regierung gegenüber Gemeinden, die der Opposition zugeneigt sind (FIS 14.12.2018). Über die Zustände, in welche die Flüchtlinge zurückkehren und die Mechanismen des Rückkehrprozesses ist wenig bekannt. Da Präsident Assad die Kontrolle über große Gebiete wiedererlangt, sind immer weniger Informationen verfügbar und es herrschen weiterhin Zugangsbeschränkungen und Beschränkungen bei der Datenerhebung für UNHCR (EIP 6.2019). Die Behandlung von Einreisenden ist stark vom Einzelfall abhängig, und über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse (ÖB 7.2019).

Das Fehlen von vorhersehbarer und nachhaltiger physischer Sicherheit in Syrien ist der Hauptfaktor, der die Rückkehrvorhaben von Flüchtlingen negativ beeinflusst. Weiters werden das Fehlen einer adäquaten Unterkunft oder Wohnung oder fehlende Möglichkeiten den Lebensunterhalt zu sichern als wesentliche Hindernisse für die Rückkehr genannt. Als wichtiger Grund für eine Rückkehr wird der Wunsch nach Familienzusammenführung genannt (UNHCR 7.2018). Rückkehrüberlegungen von syrischen Männern werden auch von ihrem Wehrdienststatus beeinflusst (DIS/DRC 2.2019).

Der Sicherheitssektor kontrolliert den Rückkehrprozess in Syrien. Die Sicherheitsdienste institutionalisieren ein System der Selbstbeschuldigung und Informationsweitergabe über Dritte, um große Datenbanken mit Informationen über reale und wahrgenommene Bedrohungen aus der syrischen Bevölkerung aufzubauen. Um intern oder aus dem Ausland zurückzukehren, müssen Geflüchtete umfangreiche Formulare ausfüllen (EIP 6.2019).

Gesetz Nr. 18 von 2014 sieht eine Strafverfolgung für illegale Ausreise in der Form von Bußgeldern oder Haftstrafen vor. Entsprechend einem Rundschreiben wurde die Bestrafung für illegale Ausreise jedoch aufgehoben und Grenzbeamte sind angehalten Personen, die illegal ausgereist sind, "bei der Einreise gut zu behandeln". Einem syrischen General zufolge müssen Personen, die aus dem Ausland zurückkehren möchten, in der entsprechenden syrischen Auslandsvertretung "Versöhnung" beantragen und unter anderem angeben wie und warum sie das Land verlassen haben und Angaben über Tätigkeiten in der Zeit des Auslandsaufenthaltes etc. machen. Diese Informationen werden an das syrische Außenministerium weitergeleitet, wo eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wird. Syrer, die über die Landgrenzen einreisen, müssen dem General zufolge dort ein "Versöhnungsformular" ausfüllen (DIS 6.2019).

Es ist schwierig Informationen über die Lage von Rückkehrern in Syrien zu erhalten. Regierungsfreundliche Medien berichten über die Freude der Rückkehrer, oppositionelle Medien berichten über Inhaftierungen und willkürliche Tötungen von Rückkehrern. Zudem wollen viele Flüchtlinge aus Angst vor Repressionen der Regierung nicht mehr mit Journalisten (TN 10.12.2018) oder sogar mit Verwandten sprechen, nachdem sie nach Syrien zurückgekehrt sind (Syria Direct 16.1.2019; vgl. TN 10.12.2018). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es wohl auch aufgrund deren geringen Zahl keine Angaben (ÖB 7.2019).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren (IT 17.3.2018). Hunderte syrische Flüchtlinge wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet und verhört - inklusive Geflüchteten, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehrten, IDPs aus Gebieten, die von der Opposition kontrolliert wurden, und Personen, die in durch die Regierung wiedereroberten Gebieten ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung geschlossen haben. Sie wurden gezwungen Aussagen über Familienmitglieder zu machen und in manchen Fällen wurden sie gefoltert (TWP 2.6.2019; vgl. EIP 6.2019).

Daten der Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass 14% von mehr als 17.000 befragten IDP- und Flüchtlingshaushalten, die im Jahr 2018 zurückgekehrt sind, während ihrer Rückkehr angehalten oder verhaftet wurden, 4% davon für über 24 Stunden. In der Gruppe der (ins Ausland) Geflüchteten wurden 19% verhaftet. Diese Zahlen beziehen sich spezifisch auf den Heimweg und nicht auf die Zeit nach der Rückkehr (EIP 6.2019).

Syrische Flüchtlinge benötigen für die Heimreise üblicherweise die Zustimmung der Regierung und die Bereitschaft vollständige Angaben über ihr Verhältnis zur Opposition zu machen. In vielen Fällen hält die Regierung die im Rahmen der "Versöhnungsabkommen" vereinbarten Garantien nicht ein, und Rückkehrer sind Belästigungen oder Erpressungen durch die Sicherheitsbehörden oder auch Inhaftierung und Folter ausgesetzt, mit dem Ziel Informationen über die Aktivitäten der Flüchtlinge im Ausland zu erhalten (TWP 2.6.2019).

Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich und UNHCR fördert oder unterstützt die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien weiterhin nicht (UNHCR 18.3.2019).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde, die Feststellung zur Unbescholtenheit in Österreich aus einer am heutigen Tag in das Verfahren eingeführten negativen Strafregisterauskunft.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer illegal aus Syrien ausgereist ist, ergibt sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Syrien aufgrund der Angst, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, verließ, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den Länderberichten, aus denen hervorgeht, dass, einigen Quellen zufolge, auch Minderjährige als Kindersoldaten rekrutiert werden.

Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vor dem BFA, zu seinen Fluchtgründe befragt, an, Syrien verlassen zu haben, weil "die Sicherheit nicht gegeben war" und er seine Ausbildung fortsetzen möchte. Auf die Frage, ob er in Syrien irgendwie konkret verfolgt oder bedroht wurde, antwortete, dass er Angst habe, zum Militärdienst eingezogen zu werden, die Sicherheit sei nicht gegeben.

Das BFA kam in Folge im angefochtenen Bescheid zu dem Schluss, dass es nicht glaubhaft sei, dass die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer in Syrien zum Militärdienst eingezogen werde, weil sich dieser nicht im wehrdienstfähigen Alter befände. Eine Rekrutierungsabsicht seitens des syrischen Regimes sei somit nicht denkbar. Zu seinen Fluchtgründen befragt, habe der Beschwerdeführer lediglich angegeben, Syrien aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und aufgrund des Wunsches, seine Ausbildung fortzusetzen, verlassen zu haben.

Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Fluchtgrund des Beschwerdeführers, und zwar, dass die "Sicherheit nicht gegeben war" nicht unbedingt in die Richtung zu verstehen ist, dass er sich damit auf die allgemeine Sicherheitslage in Syrien bezog, sondern es vielmehr naheliegender ist, dass er damit die Unsicherheit bzw. Gefahr hinsichtlich einer möglichen Rekrutierung meinte. Denn im Zusammenhang mit seiner Aussage bezüglich einer möglichen Rekrutierung gab er wiederum an, dass die "Sicherheit nicht gegeben war":

[...]

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie alle Ihre Fluchtgründe?

A: Die Sicherheit ist nicht gegeben ich wollte meine Ausbildung fortsetzen, deswegen bin ich ausgereist.

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Syrien irgendwie konkret verfolgt oder bedroht?

A: Leute in meinem Alter werden eingezogen, ich weiß aber nicht von wem. Ich hatte Angst, dass mit mir dasselbe passieren könnte.

F: Wiederholung der Frage: Wurden Sie in Syrien irgendwie konkret verfolgt oder bedroht?

A: Nein.

F: Wer konkret möchte Sie einziehen? Worauf begründen sich Ihre Befürchtungen?

A: Die Kurden und die syrische Armee. Die Sicherheit war nicht gegeben.

[...]

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer in Syrien (bei einer nunmehrigen Rückkehr) die reale Gefahr droht, zum Militärdienst eingezogen zu werden, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr) auszugehen ist, ist anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Miitärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen.

Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass für männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 42 Jahren die Ableistung des Wehrdienstes gesetzlich verpflichtend ist. Vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges soll die syrische Armee eine Mannstärke von geschätzt 295.000 Personen gehabt haben. Aufgrund von Verlusten, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen hat die syrische Armee einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Daher ist aktuell ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrolle oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. Experten zufolge werden jüngere Männer besonders genau überwacht, ältere können leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht. Aktive Soldaten wurden auch nach Erfüllung der Wehrpflicht nicht aus dem Wehrdienst entlassen.

Aus den Länderberichten geht weiters hervor, dass es theoretisch Gründe gibt vom Militärdienst befreit zu werden oder diesen aufzuschieben. So können beispielsweise Studenten den Militärdienst aufschieben. In der Praxis gibt es jedoch mittlerweile mehr Beschränkungen und es ist unklar, wie die entsprechenden Gesetze derzeit umgesetzt werden. Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert. Das Risiko der Willkür ist immer gegeben.

Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass die Militärpolizei in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer verhaftet, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen.

Aus dem Amtswissen ergibt sich, dass eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien nur über den Flughafen in Damaskus möglich ist, der sich in der Hand der Regierung befindet. Aus den Länderberichten und dem Amtswissen ergibt sich weiters, dass einreisende Personen im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokumente einer intensiven Überprüfung unterzogen werden.

Der Beschwerdeführer vollendete mit dem 01.01.2020 das 18. Lebensjahr und ist somit im wehrdienstfähigen Altern. Sein Alter ergibt sich aus den von ihm vor dem BFA vorgelegten Unterlagen - insbesondere dem Reisepass und der syrischen ID-Card, die auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurden. Der Beschwerdeführer ist somit ein junger, männlicher und gesunder Syrer, der sich im wehrdienstfähigen Alter befindet.

Aufgrund der beschriebenen Situation im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Profil des Beschwerdeführers ist es somit glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer zum jetzigen Zeitpunkt im Falle einer Rückkehr mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die reale Gefahr droht, zum Wehrdienst einberufen zu werden.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer die Ableistung des Militärdienstes verweigert, ergibt sich aus seiner diesbezüglich glaubhaften Aussage in der Einvernahme vor dem BFA sowie aus seinen weiteren diesbezüglichen Ausführungen in der erhobenen Beschwerde. Er möchte sich im Krieg nicht beteiligen, weder für, noch gegen das Regime.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Einziehung, Ableistung und Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist, ergibt sich aus den Länderberichten:

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck politischen Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen. Wehrdienstverweigerung kann Konsequenzen bis hin zu Folter oder Tod haben, auch eine sofortige Einziehung ist möglich. Zahlreichen Berichten zufolge sind Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, "Verschwindenlassen" und Folter betroffen.

Weiters wird das Regime beschuldigt, willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten vorzunehmen, unter anderen auch mit Einsatz chemischer Waffen, sowie Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik durchzuführen. Syrische Armeeangehörige werden erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zwar existiert hinsichtlich Syrien eine Vielzahl tagesaktueller Medienberichte, die auch regelmäßig in die nachfolgenden Situationsberichte Eingang finden, doch ergibt sich daraus aktuell keine wesentliche Änderung im Hinblick auf die verfahrensgegenständlich festgestellte Situation und es wurde Derartiges auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen, weshalb Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2014/19/0127).

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Gara

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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