TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 G308 2223266-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G308 2223266-7/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft von XXXX, zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt

der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und das die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der im Spruch genannte (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 25.12.2012 in das Bundesgebiet unrechtmäßig ein und stellte am 25.12.2012 einen Antrag auf Asyl.

Dieses Verfahren wurde mit 07.01.2013 aufgrund unbekannten Aufenthaltes eingestellt.

2. Mit insgesamt 5 Urteilen unterschiedlicher LG für Strafsachen wurde der BF zu insgesamt 52 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

3. Am 04.03.2016 stellte der BF im Stande der Festnahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erneut einen Antrag auf internationalem Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 10.03.2016 zur Z. XXXX abgewiesen wurde, die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2016 zur GZ. I409 2123874-1/4E rechtskräftig abgewiesen.

4. In einer niederschriftlichen Einvernahme am 17.05.2019 in der Justizanstalt XXXX unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch gab der BF an nach seiner Entlassung aus der Strafhaft Österreich verlassen zu wollen und dann entweder nach Italien und danach nach Algerien oder zu einer Bekannten in Frankreich gehen zu wollen. Er wolle Österreich verlassen, er sei seit 2012 nur im Gefängnis.

5. Mit Bescheid des BFA, RD NÖ Außenstelle St. Pölten vom 17.05.2019, Zl. XXXX wurde die Schubhaft gegen den BF angeordnet, die Anhaltung erfolgte ab XXXX.2019.

6. Das BFA versuchte ein HRZ bei den Botschaften von Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen zu erlangen.

7. Am 11.06.2019 wurde der BF der libyschen Botschaft vorgeführt, wobei der Konsul angab, dass es sich um keine libyschen Staatsbürger handle und er vermute dass der BF aus Algerien stamme.

8. Am 13.06.2019 fand eine Vorführung vor der algerischen Botschaft statt. Dabei gab der BF im Gegensatz zu seinen Angaben gegenüber der Behörde an, dass er aus Libyen stamme. Dennoch gab eine Botschaftsmitarbeiterin an, dass der BF vermutlich aus Algerien stamme und seine Daten nach Algier zur Überprüfung gesendet werden.

9. Am 29.11.2019 wurden Unterlagen des BF in arabischer Sprache und eine Telefonnummer mit algerischer Vorwahl gefunden. Diese erbrachten jedoch keinen Hinweis auf die Herkunft des Fremden, die Telefonnummer wurde der algerischen Botschaft übermittelt.

Das Ergebnis der Ermittlungen der algerischen Behörde steht noch aus, die letzte Urgenz erfolgte am 30.01.2020.

10. Seitens der Botschaft von Tunesien langte am 16.07.019 eine negative Verbalnote ein, seitens der marokkanischen Behörden läuft das Verfahren noch.

11. Zwischenzeitig erfolgten die gesetzlich vorgesehen Überprüfungen der Schubhaft sowohl durch das BFA als auch das BVwG, die letzte am 24.01.2020 anlässlich einer mündlichem Verhandlung durch das BVwG zur Zahl G311 2223266-4/11E.

12. Mit Aktenvorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2020 wurde die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht neuerlich zur Überprüfung gemäß § 22a BFA-VG vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Identität des BF steht nicht fest, er gibt an algerischer Staatsangehöriger zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit XXXX.2019 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

3.1. Der BF verfügt über keine Meldeadresse in Österreich, er war bisher nur in Justizanstalten gemeldet.

3.2. Mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2016 zur GZ. I409 2123874-1/4E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA abgewiesen, diese ist in Rechtskraft erwachsen. Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

4.1. Der BF wurde bereits der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Die Angaben werden in Algerien überprüft. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF ist zu rechnen.

4.2. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen, da für den BF bereits am 11.06.2019 ein Heimreisezertifikat beantragt wurde, er am 20.06.2019 der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt wurde, und zahlreiche Male bei der Botschaft urgiert hat.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit XXXX.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

Der BF stellte am 25.12.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde am 07.01.2013 eingestellt. Der BF hält sich durchgehend - abgesehen von zwei Monaten im Jahr 2015, in denen er in Deutschland war - in Österreich auf.

Über den Antrag auf internationalen Schutz des BF wurde am 27.05.2016 rechtskräftig negativ entschieden, unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig ist.

Dies ergibt sich aus dem vom BVwG eingeholten IZR-Auszug vom 17.01.2020, darin ist ebenfalls "kein tunesischer StA." und "kein libyscher StA" vermerkt.

Laut Beschwerdevorlage der belangten Behörde steht die Rückmeldung der algerischen Botschaft aus und wurde zuletzt am 30.01.2020 urgiert.

Laut ZMR-Auszug vom 17.01.2020 liegt lediglich eine Meldung von 25.05.2013 bis 23.08.2013 in der JA XXXX vor.

Gegen den BF liegen fünf strafgerichtliche Verurteilungen vor.

Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2013, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2013, wegen (versuchten) Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten (davon 12 Monate bedingt) verurteilt. Eine weitere Verurteilung wegen Einbruchdiebstahls erfolgte am XXXX.2014, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2014, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2016, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2016, wurde er wegen versuchten Diebstahls und versuchter Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Am XXXX.2016, rechtskräftig am XXXX.2016, wurde er zur Zahl XXXX durch das Landesgericht für Strafsachen XXXX wegen Urkundenfälschung, Fälschung besonders geschützter Urkunden, Diebstahl und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2017, Zahl XXXX, rechtskräftig am XXXX.2017, wurde er wegen Einbruchdiebstahls und Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zu einer Zusatzstrafe zur Verurteilung Zahl XXXX verurteilt.

Der BF verfügt über keine finanziellen Mittel, keine Wohnmöglichkeit und keine familiären Beziehungen zum Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und die Gerichtsakten.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

1.2. Die Feststellungen zur Identität beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere auf den Angaben des BF und der Tatsache, dass bisher noch kein Dokument zum Nachweis der Identität vorgelegt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde abgewiesen, weshalb der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

1.3. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Eine Haftunfähigkeit oder eine die Verhältnismäßigkeit ausschließende Erkrankung wurden vom BF nicht behauptet.

1.4. Aus der dem Gericht vorliegenden Stellungnahmen des BFA sowie aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Behörde stets bemüht war und weiterhin ist, ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Die nunmehr seit XXXX.2019 laufende Schubhaft stellt unbestritten eine lange freiheitsentziehende Maßnahme dar. Berücksichtigt man jedoch die Tatsache, dass der BF nicht kooperativ ist, ist zu erkennen, dass die lange Haftdauer in weiterer Folge zu einem guten Teil den Falschangaben des BF zuzurechnen ist.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

2.1. Die Feststellungen zu den Meldedaten des BF ergeben sich aus dem Melderegister.

2.2. Dass der BF über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, räumt er selbst ein.

2.3. Dass der BF über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügte ergibt sich aus seiner Einvernahme durch das BFA am 17.05.2019, in der er angab, bei einem Freund zu wohnen. Dass er an dieser Adresse nicht gemeldet war ergibt sich zum einen aus dem Zentralen Melderegister. Dass er keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben.

2.4. Auf Grund seiner Angaben in der Einvernahme vom 17.05.2019 steht zwar fest, dass der BF über soziale Kontakte in Österreich verfügt, doch hat er diese Kontakte vor allem dazu genutzt, um sich illegal in Österreich aufzuhalten.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

3.1. Die Feststellung zu den vom Bundesamt im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates vorgenommenen Veranlassungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3.2. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit XXXX.2019 bzw. XXXX.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

1.1. Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Identität des BF steht nicht fest, er gibt an algerischer Staatsangehöriger zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 20.05.2019 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr:

3.1. Der BF verfügt über keine Meldeadresse in Österreich, er war bisher nur in Justizanstalten gemeldet.

3.2. Mit Erkenntnis des BVwG vom 24.05.2016 zur GZ. I409 2123874-1/4E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA abgewiesen, diese ist in Rechtskraft erwachsen. Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

4.1. Der BF wurde bereits der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Die Angaben werden in Algerien überprüft. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF ist zu rechnen.

4.2. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen, da für den BF bereits am 11.06.2019 ein Heimreisezertifikat beantragt wurde, er am 20.06.2019 der algerischen Vertretungsbehörde vorgeführt wurde, und zahlreiche Male bei der Botschaft urgiert hat.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit XXXX.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1. Zu Spruchteil A:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel:

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§ 80 FPG lautet:

Dauer der Schubhaft:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die vom BF bekannt gegebenen Identitätsdaten werden von der Vertretungsbehörde derzeit überprüft, weshalb die Erlangung eines Heimreisezertifikates und damit die Abschiebung des BF weiterhin möglich ist.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das erkennende Gericht weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat durch sein Verhalten seine Abschiebung zumindest erschwert und den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung durch Untertauchen erschwert hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG vor.

Auf Grund des vom BF vor Anordnung der Schubhaft jahrelang gezeigten Verhaltens ist daher weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich und nutzte seine sozialen Beziehungen um sich unrechtmäßig und unangemeldet in Österreich aufzuhalten, einer legalen Erwerbstätigkeit geht er in Österreich nicht nach und verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz oder ein existenzsicherndes Vermögen.

Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit XXXX.2019 bestehenden Anhaltung des S in Schubhaft verhältnismäßig. Der BF hat selbst durch die Verschweigung seiner wahren Identität verhindert, dass ein HRZ früher ausgestellt werden konnte, und damit die Voraussetzungen des § 80 Abs 4 Z 1 FPG erfüllt.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens kann die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und die Vertretungsbehörde die vom BF angegebenen Daten überprüft.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

3.1.9. Der BF hat sich durch sein bisheriges persönliches Gesamtverhalten insgesamt als nicht vertrauenswürdig erwiesen, was sich insbesondere aus der fehlenden Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr trotz negativen Abschlusses zweier letztlich unbegründeter Asylverfahren und einer rechtskräftigen und durchsetzbaren Rückkehrentscheidung, den unterschiedlichen Angaben des BF zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit sowie seinen insgesamt fünf rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des BF gezeigt hat. Der BF befand sich zuletzt bis XXXX.2019 in Strafhaft, nach deren Beendigung die belangte Behörde nach Durchführung einer niederschriftlichen Einvernahme mit Schubhaftbescheid vom XXXX.2019 die derzeit andauernde Anhaltung in Schubhaft anordnete. Der BF verfügt in Österreich auch über keine familiären oder sozialen Bindungen, über kein Einkommen und keine Unterkunft. Die einzigen gemeldeten Wohnsitznahmen im Bundesgebiet finden sich in Justizanstalten und polizeilichen Anhaltezentren.

Der BF hat auch in der Einvernahme vor dem BFA am 17.05.2019 angegeben, dass er nicht nach Algerien zurückkehren wolle, sondern im Fall der Entlassung aus der Schubhaft zu einer Freundin in Frankreich reisen würde. Gegen den BF (mit einer anderen Identität und einer tunesischen Staatsangehörigkeit) besteht im Schengener Informationssystem SIS II eine aufrechte Ausschreibung wegen eines in Deutschland erlassenen Einreiseverbotes.

Das Verfahren zur Abklärung der Identität des BF und zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) durch die Vertretungsbehörden Algeriens und Marokkos wurde von der belangten Behörde bereits eingeleitet. Im Zuge eines Interviews des BF mit einer Delegation der Botschaft Algeriens am 13.06.2019 wurde der BF als Staatsangehöriger von Algerien festgestellt, allerdings auch vermerkt, dass eine nähere Identitätsüberprüfung in Algerien notwendig sei. Gegenüber der Delegation der Botschaft von Algerien, gab der BF wiederum an, aus Libyen zu stammen. Das Verfahren mit der algerischen Botschaft ist derzeit im Laufen, ebenso jenes mit Marokko. Die HRZ-Verfahren mit Tunesien und Libyen wurden mittlerweile wegen negativer Identitätsfeststellung beendet. Nunmehr hat die belangte Behörde auch eine Telefonnummer gefunden, welche die Identifizierung des BF erleichtern soll, und diesen über die HRZ-Abteilung des BFA den algerischen Behörden zur Verfügung gestellt.

Die positive Identitätsfeststellung und die anschließende Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für die Rückführung des BF erscheint aus derzeitiger Sicht jedenfalls nicht als völlig ausgeschlossen oder unwahrscheinlich. Es kann auch angenommen werden, dass im Fall des Vorliegens eines HRZ eine tatsächliche Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat zeitnah möglich ist. Ein Schubhaftverfahren erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich schon vor diesem Hintergrund und der auch derzeit nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer Abschiebung als verhältnismäßig. Es ist auch wahrscheinlich, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung des BF letztlich eine Rückführung durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden würde.

Die Überschreitung der höchst zulässigen Schubhaftdauer von 6 Monaten ist vorliegend gerechtfertigt, weil beim BF die Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG vorliegen, konkret ein für die Einreise nach Algerien erforderliche Bewilligung nicht vorliegt, sowie vom BF unterschiedliche Identitäten und Staatsangehörigkeiten, auch bei den Interviewterminen, angegeben hat.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt erscheint, und in der Sache bereits mehrere mündliche Verhandlungen stattgefunden haben, die letzte am 03.12.2019 konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2223266.7.00

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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