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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des G in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Alzinger, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 12, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. August 1996, Zl. MA 61/IV-N 52/92, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 7. August 1996 wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 19. November 1979 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführer damit begründet, daß dieser, obwohl er sich seit 13. Dezember 1974 mit zahlreichen Meldeunterbrechungen in Österreich aufhalte, die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 StbG, wonach einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann, wenn er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat, zufolge eines gegen ihn verhängten rechtskräftigen, bis zum 31. Oktober 1989 aufrecht gewesenen Aufenthaltsverbotes, welches gemäß § 15 Abs. 1 lit. a StbG den Lauf der Wohnsitzfrist unterbreche, nicht erfülle. Das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes, welches gemäß § 10 Abs. 3 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft auch bei einer mindestens vier Jahre andauernden Aufenthaltsdauer rechtfertigen könnte, sei im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Im übrigen sei der Beschwerdeführer bereits mehrmals straffällig geworden und habe daher in der Zeit von 1974 bis 1986 fünfmal gerichtlich bestraft werden müssen. Dem Beschwerdeführer, der als Flüchtling anerkannt gewesen sei, sei mit Bescheid des Bundesminister für Inneres vom 28. Dezember 1995 die Flüchtlingseigenschaft aberkannt worden. Verschiedenen Gerichts-, Polizei- und anderen Behördenakten sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer sich vor diesen Stellen randalierend, aggressiv, laut schreiend und schimpfend verhalten habe.
Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde insbesondere geltend, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß er seit mehr als zwanzig Jahren als Flüchtling anerkannt sei und seit dieser Zeit ununterbrochen in Österreich lebe. Er sei längst in Österreich integriert und versuche trotz schwerer Krankheit, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Von einer Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft sei dem Beschwerdeführer nichts bekannt; für das im angefochtenen Bescheid beschriebene Benehmen vor Behörden seien diesem Bescheid keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Diese Begründungslücken hinderten eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Gesetzmäßigkeit.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG kann einem Fremden - unter der Voraussetzung, daß bei ihm die in den Z. 2 bis 8 dieses Absatzes genannten Erfordernisse erfüllt sind - die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat.
Gemäß § 15 Abs. 1 lit. a StbG wird der Lauf der Wohnsitzfrist nach § 10 Abs. 1 Z. 1 durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot unterbrochen. Dies bedeutet, daß die vor dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes verbrachten Zeiten unberücksichtigt zu bleiben haben und daß die Wohnsitzfrist erst mit dem Wegfall des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes neu zu laufen beginnen konnte
(vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1972, Slg. Nr. 8152/A). Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers zufolge des erst mit 31. Oktober 1989 abgelaufenen Aufenthaltsverbotes die Frist des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG erst mit 1. November 1989 zu laufen begonnen hat, weshalb im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die in der zuletzt genannten Gesetzesstelle angeführte Aufenthaltsdauer noch nicht erreicht war. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer kam daher - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - lediglich unter den in § 10 Abs. 3 StbG angeführten Voraussetzungen in Betracht.
Gemäß § 10 Abs. 3 StbG kann bei Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt, oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Oktober 1996, Zl. 96/01/0573, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren - obwohl seitens der belangten Behörde mit dem maßgeblichen Sachverhalt vertraut gemacht - das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes nicht geltend gemacht. In der Beschwerde führt er dazu aus, sein mehr als zwanzig Jahre andauernder Aufenthalt als anerkannter Flüchtling in Österreich hätte als solcher Grund gewertet werden müssen. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Aufenthaltsdauer eines Fremden in Österreich als besonders berücksichtigungswürdiger Grund für eine vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. September 1997, Zl. 97/01/0282). Soweit der Beschwerdeführer beabsichtigen sollte, mit diesem Vorbringen seine Flüchtlingseigenschaft als besonders berücksichtigungswürdigen Grund ins Treffen zu führen, ist - unabhängig davon, ob ihm diese aberkannt wurde - festzuhalten, daß zufolge der ständigen hg. Rechtsprechung die Flüchtlingseigenschaft für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstellt (vgl. für viele andere z.B. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0251, mit weiteren Judikaturhinweisen). Erst im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 11 zweiter Satz StbG ist "gegebenenfalls besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention ist" (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/01/0089, mit weiteren Judikaturhinweisen). Diese Ermessensübung kann erst dann einsetzen, wenn alle Verleihungsvoraussetzungen im Sinne des § 10 StbG - somit bei einer das Ausmaß von zehn Jahren unterschreitenden Aufenthaltsdauer auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - gegeben sind. Liegt aber ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund nicht vor, kann auch die in § 11 zweiter Satz StbG verankerte Bedachtnahme auf die Flüchtlingseigenschaft eines Verleihungswerbers nicht dazu führen, daß in Ausübung des freien Ermessens von der angeführten Verleihungsvoraussetzung abgesehen werden könnte.
Bei diesem Ergebnis erweist sich die Verfahrensrüge als nicht zielführend. Einerseits kann dem angefochtenen Bescheid - soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die darin bemängelten Begründungslücken hätten die Ermessensübung durch die belangte Behörde behindert - nicht entnommen werden, daß die belangte Behörde Ermessen geübt hätte, wobei für die Übung des in § 11 StbG eingeräumten Ermessens beim gegebenen Sachverhalt auch kein Raum gegeben war. Andererseits kann die Verfahrensrüge der Beschwerde auch insoweit nicht zum Erfolg verhelfen, als der Beschwerdeführer vermeint, die Begründungslücken hinderten eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides, weil die tragende Begründung dieses Bescheides auf das Nichtvorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes abstellt, sodaß die belangte Behörde auch bei Vermeidung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten vermeintlichen Verfahrensmängel zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996010767.X00Im RIS seit
20.11.2000