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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in Wien I, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 22. April 1996, Zl. MA 61/IV-H 436/94, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. April 1996 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesch, vom 4. November 1994 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers damit begründet, daß bei diesem zwar kein Einbürgerungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 1 StbG vorliege, daß aber im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer während seines bereits zwölf Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich lediglich etwas mehr als vier Jahre in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gestanden sei, wobei er auch noch tageweise (insgesamt 95 Tage) bei der UNO in Wien tätig gewesen sei, es "unumgänglich" erscheine, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, seine Integrationswilligkeit hinsichtlich der Eingliederung in den Arbeitsmarkt "noch einige Zeit unter Beweis zu stellen". Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer im Hinblick auf sein jugendliches Alter und seine Deutschkenntnisse in der Lage sei, seine spätere Pensionsvorsorge auf Grund eines mehrjährigen ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses zu gewährleisten.
Der Beschwerdeführer hat dem entgegengehalten, er sei im Inland vollkommen integriert, verfüge über eine Beschäftigungsbewilligung für die von ihm ausgeübte Tätigkeit eines Bankkassiers sowie über eine für Inländer ortsübliche Unterkunft und habe sich auf Grund seines langjährigen Aufenthaltes gesellschaftlich in Art, Weise und Aussprache vollkommen angepaßt. Entgegen der Darstellung der belangten Behörde halte er sich bereits seit fünfzehn Jahren in Österreich auf. Daß er nicht die ganze Zeit hindurch einer Beschäftigung nachgegangen sei, sei auf sein jahrelanges Studium, welches er allerdings nicht habe beenden können, zurückzuführen, wobei es selbstverständlich sei, daß ausländische Studenten in der Regel längere Zeit als inländische Studenten für ein Studium benötigten. Auch weise der Beschwerdeführer entgegen den Feststellungen der belangten Behörde erheblich längere Dienstzeiten bei der UNO auf. Auf Grund seiner Mehrsprachigkeit, Berufsausbildung und beruflichen Stellung (besondere Vertrauensstellung) hätte er sogar die Voraussetzungen für eine vorzeitige Einbürgerung im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG erfüllt, weshalb die belangte Behörde umsomehr seine bereits fünfzehn Jahre andauernde Integration hätte berücksichtigen müssen. Die Feststellung, daß der Beschwerdeführer jugendlichen Alters sei, erweise sich angesichts des Umstandes, daß er bereits das 35. Lebensjahr erreicht habe, als tatsachenwidrig. Die Ermessensübung der belangten Behörde sei nicht gesetzmäßig erfolgt, weil in ähnlichen Fällen bei weit weniger angepaßten Personen vorzeitige Einbürgerungen im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorgenommen würden. Die Ermessensentscheidung sei auch nicht nachvollziehbar, weil die belangte Behörde nicht habe dartun können, warum die vierjährige Berufstätigkeit des Beschwerdeführers zusammen mit seiner durch die Bekleidung einer verantwortungsvollen Tätigkeit unter Beweis gestellten Integrationswilligkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausreiche.
Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde bei Ausübung des ihr in § 10 leg. cit. für die Verleihung der Staatsbürgerschaft eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen. Bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft ist gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist.
Die Behörde hat ihre Ermessensentscheidung so zu begründen, daß eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0311).
Die belangte Behörde hat ihre für den Beschwerdeführer negative Ermessensentscheidung insbesondere damit begründet, daß dieser während seines von ihr mit zwölf Jahren angenommenen Aufenthaltes im Inland nur eine insgesamt etwas über vier Jahre andauernde sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nachweisen könne, wobei sie dadurch, daß sie es für unumgänglich gehalten hat, ihm Gelegenheit zu bieten, seine Integrationswilligkeit im Bereich des Arbeitsmarktes unter Beweis zu stellen, dem Beschwerdeführer vorwirft, er habe aus seinem Verschulden nicht auf Dauer gearbeitet.
Mangelnde Arbeitsmoral kann zwar wohl im Rahmen des Ermessenskriteriums des "Gesamtverhaltens" berücksichtigt werden (vgl. abermals das angeführte Erkenntnis vom 25. Juni 1997), doch fehlen im gegenständlichen Verwaltungsverfahren Feststellungen, die eine solche Annahme tragen könnten. Auf das Studium des Beschwerdeführers, durch welches zumindest ein Teil der nicht im Erwerbsleben zugebrachten Zeit erklärbar erscheint, ist die belangte Behörde nur insoweit eingegangen, als sie festgestellt hat, es sei ihm nicht möglich gewesen, dieses zu vollenden. Inwieweit der Beschwerdeführer nach Aufgabe des Studiums sich um eine Beschäftigung bemüht hat und ob ihm das Eingehen eines längerfristigen Arbeitsverhältnis etwa auf Grund der angespannten Lage des Arbeitsmarktes nicht möglich war, hat die belangte Behörde nicht geprüft und den Beschwerdeführer in dieser Hinsicht auch nicht befragt. Ohne derartige Erhebungen kann aber allein aus dem Umstand, daß eine Person über längere Zeiträume nur kurzfristig gearbeitet hat, nicht darauf geschlossen werden, daß sich diese Person nicht ausreichend um einen Arbeitsplatz bemüht hat (vgl. abermals das zitierte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997).
Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil Ersatz für Stempelgebühren nur im gesetzlich festgesetzten Ausmaß zugesprochen werden kann.
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996010515.X00Im RIS seit
20.11.2000