Entscheidungsdatum
03.03.2020Norm
BBG §40Spruch
W133 2161256-1/11E
W133 2209372-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen
1.) den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.05.2017, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass und
2.) gegen den gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 26.05.2017
zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird hinsichtlich beider Bescheide als unbegründet abgewiesen.
Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) von Hundert (v.H.).
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 29.12.2016 beim Sozialministeriumsservice, Landesstelle Wien (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf die Beschwerdeführerin zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag legte sie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 24.05.2017 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB %
1
papilläres Schilddrüsen Karzinom mit Zustand nach operativer Entfernung und Radiojodtherapie Wahl dieser Positionsnummer mit unterem Rahmensatz, da keine Absiedlungen
13.01.03
50
2
chronisch obstruktive Lungenerkrankung GOLD II unterer Rahmensatz, da unter Therapie auskultatorisch kompensiert
06.06.02
30
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da ein ungünstiges wechselseitiges Zusammenwirken bestehe. Es wurde nach Ablauf der Heilungsbewährungsphase eine Nachuntersuchung für Juni 2021 angeordnet. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.05.2017, OB: XXXX , wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 29.12.2016 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt worden sei. Der mit 30.09.2021 befristete Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Das eingeholte Gutachten vom 24.05.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.
Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom selben Tag, OB: XXXX , wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Mit dem Bescheid vom 30.05.2017, OB: XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Sie stützte den Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens.
Am 06.06.2017 langte bei der belangten Behörde eine Beschwerde ein ("Einspruch OB: XXXX "). Darin führt die Beschwerdeführerin ohne Vorlage weiterer Beweismittel aus, dass sie Einspruch gegen das Gutachten wegen "Ausstellung eines Behindertenpasses mit Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" erhebe. Sie könne nicht einmal eine Wegstrecke von 100 m gehen und müsse ständig ihren Spray benützen, dies sei im Befund nicht angeführt worden. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass sie an Schwindel leide, was ihr große Probleme bereite. Sie beziehe aufgrund ihrer Krankheit weiters Pflegegeld. Sie müsse ständig zu Behandlungen bei verschiedenen Ärzten fahren, die Taxifahrten könne sie sich mit ihrer Pension nicht leisten. Die Beschwerde wurde nicht von der Beschwerdeführerin unterzeichnet.
Die belangte Behörde legte am 12.06.2017 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
In der Beschwerde richtet sich die Beschwerdeführer in inhaltlicher Hinsicht gegen die Abweisung ihres Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", sie nennt jedoch die Zahl der Schreiben (OB: XXXX ), mit denen ihr mitgeteilt wurde, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens bei ihr ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt worden sei bzw. mit dem ihr der Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v. H. übermittelt wurde. Daher wurde sie mit Schreiben vom 29.11.2017 vom Bundesverwaltungsgericht dazu aufgefordert, ihre Beschwerde zu konkretisieren. Außerdem wurde ihr ein Mängelbehebungsauftrag erteilt, die Beschwerde eigenhändig unterschrieben vorzulegen.
Am 13.12.2017 legte die Beschwerdeführerin erneut ihr am 06.06.2017 bei der belangten Behörde eingelangtes Schreiben mit dem handschriftlichen Zusatz vor, dass sie weiters Einspruch gegen die festgestellte Höhe (60 v.H.) ihrer Behinderung erhebe. Dieses Schreiben wurde von der Beschwerdeführerin unterzeichnet.
Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht ein lungenfachärztliches Sachverständigengutachten vom 17.10.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.08.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 60 v.H. bewertet wurde. Weiters wurde vom beigezogenen Lungenfacharzt festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 11.03.2019, der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt am 15.03.2019, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
Weder die Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Sie stellte am 29.12.2016 Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in diesem Behindertenpass.
Ihr wurde am 26.05.2017 ein bis 30.09.2021 befristeter Behindertenpasses mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. ausgestellt.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Papilläres Schilddrüsenkarzinom mit Zustand nach operativer Entfernung und Radiojodtherapie ohne Absiedlungen;
2) Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD II) mit sekundärem Emphysem, bei nur kurz zurückliegendem Krankheitsverlauf sind keine gehäuften akuten Exazerbationen dokumentiert, ebenso wenig liegen kardiovaskuläre Folgeerscheinungen wie Cor pulmonale oder sekundärer Lungenhochdruck vor.
Das klinisch führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine weitere Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Einschätzung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 24.05.2017 und eines Lungenfacharztes vom 17.10.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 60 v. H. Es wurden im Verfahren keine Befunde vorgelegt, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als in den Gutachten vom 24.05.2017 und vom 17.10.2018 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor; diesbezüglich wird auf die beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zum Wohnsitz, zur gegenständlichen Antragstellung und zum ausgestellten Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen, zum Grad der Behinderung sowie zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 24.05.2017 und das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Gutachten eines Lungenfacharztes vom 17.10.2018, beide basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin. Aufgrund des Leidenszustandes 2 und der diesbezüglich erhobenen Einwendungen in der Beschwerde holte das Bundesverwaltungsgericht ergänzend das lungenfachärztliche Sachverständigengutachten ein. Dieses brachte in Bezug auf das Leiden 2 eine detailliertere Beurteilung, welche sich inhaltlich im Ergebnis aber mit der Beurteilung des internistischen Gutachtens deckt. In den Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachten setzen sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen persönlicher Untersuchungen erhobenen Befunden und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
In beiden, im gegenständlichen Fall eingeholten Gutachten führten die beigezogenen Sachverständigen nachvollziehbar aus, dass das klinisch führende Leiden 1 durch Leiden 2 um eine weitere Stufe erhöht wird, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.
Die Beurteilung von Leiden 1 - Papilläres Schilddrüsenkarzinom mit Zustand nach operativer Entfernung und Radiojodtherapie - wurde von der Beschwerdeführerin nicht moniert.
Die Einschätzung des Leiden 2 - Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung - unter die Positionsnummer 06.06.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. ist im Einklang mit der Einschätzungsverordnung erfolgt, welche die erwähnte Positionsnummer für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen moderater Form (COPD II) vorsieht, wenn eine Verschlechterung der Ventilation besteht und von einem Fortschreiten der Symptome auszugehen ist. Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten lungenfachärztlichen Befund vom 25.04.2017, in welchem eine COPD II angegeben wird.
Unter Berücksichtigung des Neuerungsverbotes wurde vom, vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Lungenfacharzt in seinem Gutachten vom 17.10.2018 hinsichtlich des Schweregrades der COPD auf den lungenfachärztlichen Befund vom 25.04.2017 abgestellt, worin eine COPD des Stadiums Il angegeben wurde. Weitere Unterlage oder Befunde, welche eine andere Beurteilung zulassen könnten, liegen nicht vor. Die eigene Messung des beigezogenen Lungenfacharztes am 22.08.2018 ergab eine leichte Verschlechterung, zwischenzeitlich ist die COPD bereits in ein beginnendes Stadium III übergegangen. Zur Erörterung der Rechtsfrage, dass die zwischenzeitlich erfolgte leichte Verschlechterung des Lungenleidens unberücksichtigt bleibt, wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
In den im gegenständlichen Verfahren eingeholten Gutachten wird unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig auf die für eine allfällige Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass geforderten Voraussetzungen eingegangen und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin - auch auf Basis der Untersuchung des beigezogenen Lungenfacharztes am 22.08.2018 - aktuell zumutbar ist.
Unter Berücksichtigung der vorliegenden pulmonalen Funktionsstörung sind die respiratorischen Leistungsreserven der Beschwerdeführerin ausreichend, um kurze Wegstrecken im Ausmaß von 300-400 Metern selbsttätig und ohne Pause zurückzulegen. Das Besteigen und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist ungehindert möglich, insbesondere als keine zusätzlichen dafür relevanten Begleiterkrankungen (kognitive Defizite oder Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates) vorliegen.
Zum Einwand der Beschwerdeführerin, bei ihr bestehe eine derartige Atemnot, dass sie keine 100 Meter Gehstrecke zurücklegen könne, führt der beigezogene Lungenfacharzt aus, dass diese Angabe der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar ist, da weder eine respiratorische Insuffizienz, noch eine Langzeitsauerstofftherapie vorliegen und auch die Sauerstoffsättigung im Normbereich liegt. So konnte auch im Rahmen der persönlichen Untersuchung keine relevante Atemnot bei leichten Anstrengungen objektiviert werden. Diese Ausführungen des Sachverständigen blieben von der Beschwerdeführerin unwidersprochen.
Die von der Beschwerdeführerin angegebene Schwindelsymptomatik konnte im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch den beigezogenen Facharzt für Lungenerkrankungen nicht objektiviert werden, zudem handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin anamnestisch angegebenen Medikamenten um solche zur Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und des Schilddrüsenleidens. Auch wurden im Rahmen der Anamneseerhebung keine Schwindelbeschwerden angeführt. Es wurden auch keine medizinischen Beweismittel in Vorlage gebracht, welche eine bestehende Schwindelsymptomatik dokumentieren würden. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass diesbezüglich ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt.
Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Pflegegeld bezieht, lässt keinesfalls den Schluss zu, dass sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann.
Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über die im gegenständlichen Fall erstellten Befunde hinaus objektiviert werden.
Schließlich ist festzuhalten, dass keine anhaltend schwere Erkrankung des Immunsystems vorliegt.
Somit ist das Erreichen und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin in Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände nicht unzumutbar. Bewegungseinschränkungen oder Belastbarkeitseinschränkungen in einem zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führenden Ausmaß konnten durch die Sachverständigen nicht objektiviert werden. Die Gutachter begründeten nachvollziehbar, warum sie aus medizinischer Sicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Die Beschwerdeführerin brachte keinerlei Beweismittel vor, die auf eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Gutachten schließen lassen oder den Gutachten widersprechen würden. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten eines Facharztes für Lungenerkrankungen vom 17.10.2018 wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die Beschwerdeführerin ist den Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 24.05.2017 und vom 17.10.2018. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die beiden zu beurteilenden Verfahren werden gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
"§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)...
b)...
...
2. ... 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des
Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
...
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
...
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
-
Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
-
hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
-
schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
-
nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
-
anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
-
schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
-
fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
-
selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
..."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die medizinischen Sachverständigengutachten vom 24.05.2017 und vom 17.10.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 60 v.H. beträgt und ihr die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar ist; vgl. dazu die obigen ausführlichen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung. Die Funktionseinschränkungen wurden von den Gutachtern entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Nach den Sachverständigengutachten vom 24.05.2017 und vom 17.10.2018 liegen keine ausreichend erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen oder unteren Extremitäten, der körperlichen Belastbarkeit oder psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen, keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würden.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt und der Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H. beträgt, war die Beschwerde, die sich gegen beide Bescheide richtete, spruchgemäß abzuweisen.
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 57/2015 wurde für Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Neuerungsbeschränkung geschaffen. In den Erläuterungen zu dieser Novelle (GP XXV RV 527, Seite 4) wurde dazu ausgeführt, dass sich in der Praxis gezeigt hat, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Sozialministeriumservice bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Sozialministeriumservice ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden.
Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 13.06.2017 vorgelegt wurde, war die im lungenfachärztlichen Gutachten vom 17.10.2018 objektivierte zwischenzeitliche leichte Verschlechterung des Lungenleidens nicht zu berücksichtigen.
Es ist aber zulässig, im Falle der Verschlechterung des Gesundheitszustandes abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt eine neuerliche Feststellung des Grades der Behinderung in Betracht (vgl. dazu etwa VwGH 20.11.2012, 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, da ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.
Im gegenständlichen Fall wurden die Fragen der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung sowie der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, Schmerzen, Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2209372.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.04.2020