Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §71 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des H K in I, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen das am 4. Juli 2019 mündlich verkündete und am 14. August 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, LVwG-2019/48/1157-5, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst (belangte Behörde) vom 15. Dezember 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, mehrere näher umschriebene Verwaltungsübertretungen (insbesondere) nach § 366 Abs. 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 begangen zu haben, und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt EUR 3.200,-- verhängt. 2 Dieses Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber, nachdem ein erster Zustellversuch erfolglos geblieben war, am 29. Jänner 2019 durch persönliche Übergabe auf der Polizeiinspektion Ö zugestellt. Anfang Februar 2019 teilte der Revisionswerber der belangten Behörde telefonisch mit, das Straferkenntnis übernommen zu haben.
3 Mit Schriftsatz vom 7. März 2019 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob unter einem Beschwerde gegen das Straferkenntnis. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, dass der Revisionswerber am 12. Jänner 2019 einen schweren Unfall gehabt habe, bis zum 19. Jänner 2019 im Krankenhaus in stationärer Behandlung und danach auf Grund der starken Schmerzen und der Medikamenteneinnahme nicht in der Lage gewesen sei, sein Recht auf Einbringung eines Rechtsmittels wahrzunehmen. Erst am 7. März 2019 sei er körperlich in der Lage gewesen, seinen Rechtsvertreter aufzusuchen.
4 Mit Bescheid vom 23. April 2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab, weil nicht davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber dispositionsunfähig gewesen sei.
5 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. In dieser wiederholte er sein Vorbringen aus dem Wiedereinsetzungsantrag und beantragte - ohne nähere Ausführungen -
die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zu der der Revisionswerber nach Angabe des Verwaltungsgerichtes unentschuldigt nicht erschienen sei - ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.
Das Verwaltungsgericht hielt bei der Darstellung des Verfahrensganges fest, dass Kontrollinspektor H am 25. März 2019 zu der von ihm am 29. Jänner 2019 durchgeführten Übergabe des Straferkenntnisses an den Revisionswerber angegeben habe, der Revisionswerber sei mit Krücken unterwegs, ansonsten aber in keiner Weise (auf Grund von Medikamenten) verändert oder eingeschränkt gewesen; vor der Tür habe die Freundin des Revisionswerbers mit dem Auto gewartet. Am 6. Februar 2019 - so das Verwaltungsgericht weiter - habe der Revisionswerber bei der belangten Behörde angerufen und angekündigt, die Angelegenheit seinem Rechtsanwalt zu übergeben. Es habe keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass der Revisionswerber nicht gewusst habe, dass ihm ein Straferkenntnis zugestellt worden sei und die Frist für die Ergreifung eines Rechtsmittels bereits zu laufen begonnen habe. Dem (bereits mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung übermittelten) Arztbrief vom 18. Jänner 2019 lasse sich entnehmen, dass eine sofortige Mobilisierung empfohlen werde und eine "Klammerentfernung" am 22. Jänner 2019 über den Hausarzt durchgeführt werden solle.
Seine Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht auf die Aussagen des H sowie der Sachbearbeiterin der belangten Behörde, die mit dem Revisionswerber telefoniert habe. Von der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens habe Abstand genommen werden können, weil nicht konkret vorgebracht worden sei, was durch das Gutachten hätte bewiesen werden sollen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, nur eine die Dispositionsfähigkeit ausschließende Erkrankung könne eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach sich ziehen. Dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinem Sturz am 12. Jänner 2019 und der anschließenden Medikamenteneinnahme lasse sich allerdings nicht konkret entnehmen, dass er dadurch bis zur Kalenderwoche 10 in einem seine Dispositionsfähigkeit ausschließenden Ausmaß beeinträchtigt gewesen wäre. Weder dem Arztbrief noch sonstigen Bescheinigungen seien Anhaltspunkte dahingehend zu entnehmen, zumal der Revisionswerber bereits am 19. Jänner 2019 nach entsprechender Mobilisierung in häusliche Pflege entlassen und am 29. Jänner 2019 von seiner Freundin zur Polizeiinspektion Ö geführt worden sei, um das Straferkenntnis entgegenzunehmen. Der Wiedereinsetzungsantrag habe auch kein Vorbringen dahingehend enthalten, welche Vorkehrungen er getroffen habe, um die Rechtsmittelfrist einzuhalten, und weshalb er daran gehindert gewesen sei, etwa einen Vertreter zu beauftragen. Dem Revisionswerber sei es daher auch nicht gelungen, darzulegen, dass ihn an der Versäumung der Rechtsmittelfrist kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden getroffen habe. 7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Der Revisionswerber macht in seinem Zulässigkeitsvorbringen geltend, es handle sich infolge des vom 12. Jänner 2019 bis zur zehnten Kalenderwoche vorgelegenen körperlichen Unvermögens bei der Versäumung der Rechtsmittelfrist um einen minderen Grad des Versehens. Die in § 71 Abs. 1 Z 1 AVG verlangte Glaubhaftmachung sei ihm gelungen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das beantragte orthopädische Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden sei.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt eine krankheitsbedingte Säumnis die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann, wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterlassen der fristwahrenden Handlung als auf einem Versehen bloß minderen Grades beruhend zu beurteilen ist (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/02/0165, mwN). Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch daran gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen - im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters -
entgegen zu wirken (vgl. VwGH 29.1.2018, Ra 2017/04/0133, mwN). Der Wiedereinsetzungsgrund ist im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. sind bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. erneut VwGH Ra 2019/02/0165, mwN).
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls bereits wiederholt festgehalten, dass die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt daher nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 28.2.2018, Ra 2017/04/0146, mwN).
12 Eine derart grobe Fehlbeurteilung ist im gegenständlichen Fall nicht zu sehen. Das Verwaltungsgericht ist in vertretbarer Weise zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerber nicht glaubhaft gemacht habe, warum er nicht in der Lage gewesen sei, gegen das Straferkenntnis fristwahrend Beschwerde zu erheben bzw. der Fristversäumung durch Beauftragung eines Vertreters entgegenzuwirken. Das Verwaltungsgericht konnte sich dabei auf die Ausführungen des Kontrollinspektors H (betreffend den von ihm im Zuge der Übergabe des Straferkenntnisses am 29. Jänner 2019 gewonnenen Eindruck) sowie das Telefonat des Revisionswerbers mit der belangten Behörde am 6. Februar 2019 stützen. Ein - vom Revisionswerber behauptetes - "körperliches Unvermögen" im Sinn einer Dispositionsunfähigkeit wird weder mit dem nicht näher substanziierten Verweis auf die erfolgte Medikamenteneinnahme noch mit dem vorgelegten Arztbrief dargetan. Ebenso wenig wird aufgezeigt, dass die Dispositionsfähigkeit des Revisionswerbers derart beeinträchtigt gewesen wäre, dass er nicht in der Lage gewesen wäre, der Fristversäumung - zumindest durch Bestellung eines Vertreters - entgegenzuwirken, zumal der Revisionswerber nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes das Straferkenntnis zehn Tage nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus persönlich bei der Polizeiinspektion übernommen und im Zuge eines Telefonates mit der belangten Behörde eine Woche später die Befassung eines Rechtsanwaltes angekündigt hat. Weder der Wiedereinsetzungsantrag noch die Revision enthalten substanziiertes Vorbringen dazu, inwiefern die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
13 Die Revision zeigt nicht auf, dass die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach der Revisionswerber nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen war, die Beschwerdefrist einzuhalten, unvertretbar wäre. 14 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040119.L00Im RIS seit
18.05.2020Zuletzt aktualisiert am
18.05.2020