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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs6 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der V L in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. Jänner 2019, LVwG-S-2642/001-2017, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 1. und 4. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen. II. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Übrigen (also im Umfang seiner Spruchpunkte 2. und 3.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wurde mit Spruchpunkt 1. der Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 28. September 2017 hinsichtlich eines sogenannten "Ein-Auszahlungsgerätes" Folge gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren
diesbezüglich eingestellt. Mit Spruchpunkt 2. erkannte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die Revisionswerberin als handelsrechtliche Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer namentlich genannten Gesellschaft schuldig, dass diese Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin der Geräte und Veranstalterin zu verantworten habe, zur Tatzeit am Tatort mit vier näher genannten Glücksspielautomaten verbotene Ausspielungen "veranstaltet bzw. sich daran unternehmerisch beteiligt" habe. Sie habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach "§ 52 Abs. 1 Z 1 1. und 4. Fall i.V.m. § 2 Abs. 2 und 4 i.V.m. § 4 GSpG" i.V.m.
§ 9 Abs. 1 VStG begangen, weshalb über sie gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 des Glücksspielgesetzes (GSpG) vier Geldstrafen sowie vier Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Weiters wurden die Kosten des behördlichen Verfahrens gemäß § 64 VStG neu festgesetzt. Mit Spruchpunkt 3. wurde ausgesprochen, dass die Revisionswerberin keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu tragen habe. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig. 2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das Erkenntnis des LVwG werde "in seinem gesamten Umfang und Inhalt angefochten". Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
3 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (z.B. VwGH 28.11.2018, Ra 2018/17/0164, mwN).
I.) Zu Spruchpunkt 1. (Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hinsichtlich des "Ein-Auszahlungsgerätes") und Spruchpunkt 4. (Abweisung eines Beweisantrages) des angefochtenen Erkenntnisses:
5 Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Beschwerde der Revisionswerberin hinsichtlich der angelasteten Übertretung des GSpG mit dem unter Punkt 5. des Straferkenntnisses angelasteten "Ein- Auszahlungsgerät" stattgegeben, das Straferkenntnis in diesem Umfang behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
6 Die Zulässigkeit einer Parteienrevision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichts gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG setzt voraus, dass der Revisionswerber durch diese verwaltungsgerichtliche Entscheidung in seinen subjektivöffentlichen Rechten verletzt sein kann. Dabei ist es erforderlich, dass der Revisionswerber durch die Aufhebung im Fall der Rechtswidrigkeit der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung rechtlich besser gestellt wäre. Besteht eine solche Rechtsverletzungsmöglichkeit bereits im Zeitpunkt der Erhebung der Revision nicht, dann ist die Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 15.7.2019, Ra 2019/09/0038, mwN).
7 Der in der Revision mitangefochtene Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses des LVwG stellt ein gegen die Revisionswerberin geführtes Verwaltungsstrafverfahren ein und ist damit für sie ausschließlich von Vorteil. Eine Verletzung im Recht "nicht ohne die hierfür erforderlichen Voraussetzungen bestraft zu werden; dies insbesondere auch unter Verhängung einer überhöhten (Ersatzfreiheits)Strafe" ist daher von vornherein ausgeschlossen. 8 Soweit sich die Revision gegen die Abweisung von Beweisanträgen mit Spruchpunkt 4. des Erkenntnisses richtet, erweist sie sich ebenfalls als unzulässig (vgl. zur Unzulässigkeit der gesonderten Anfechtung verfahrensleitender Anordnungen VwGH 2.7.2009, 2008/12/0090).
9 Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 VwGG zurückzuweisen.
II.) Zu den Spruchpunkten 2. und 3. des angefochtenen Erkenntnisses (Bestrafung, Kosten)
10 Die Revisionswerberin sieht die Zulässigkeit ihrer Revision in einem Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zu der (näher dargestellten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG begründet. Ihr sei entgegen der nach der Rechtsprechung eintretenden Konsumation einer Bestrafung nach § 52 Abs. 1 Z 1 vierten Fall GSpG (unternehmerisch Beteiligen an verbotenen Ausspielungen) durch eine solche nach dem ersten Fall dieser Bestimmung (Veranstalten derselben) sowohl eine Übertretung des ersten als auch des vierten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angelastet worden.
11 Die Revision erweist sich aus diesem Grund hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Erkenntnisses sowie der damit untrennbar verbundenen Kosten des Strafverfahrens in Spruchpunkt 3. als zulässig (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/17/0968).
12 Sie ist auch begründet:
13 § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden (siehe VwGH 14.9.2018, Ra 2017/17/0407, mwN).
14 Grundgedanke der Rechtsprechung zu § 44a Z 2 VStG ist es, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift so präzise zu sein hat, dass in Verbindung mit der Tatumschreibung nach § 44a Z 1 VStG eine eindeutige Zuordnung der vorgeworfenen Tat zu einem bestimmten Straftatbestand möglich ist (vgl. etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0177).
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, konsumiert die Bestrafung wegen des Veranstaltens verbotener Ausspielungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 erste Variante GSpG das gleichzeitig vom Bestraften verwirklichte Tatbild der unternehmerischen Beteiligung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG (vgl. neuerlich VwGH 14.9.2018, Ra 2017/17/0407). Als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 leg. cit. veranstaltet, kommt in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Dagegen ist mit dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG eine Person gemeint, die nicht Veranstalter ist, sondern sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt. 16 Indem das LVwG der Revisionswerberin vorwarf, durch die eingangs dargestellte Tathandlung sowohl das erste als auch das vierte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG übertreten zu haben, belastete es - auf dem Boden der hg. Judikatur - sein Erkenntnis in den Spruchpunkten 2. und 3. mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb dieses in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Februar 2020
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170116.L00Im RIS seit
24.04.2020Zuletzt aktualisiert am
24.04.2020