Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
VwGG §42 Abs2 Z1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör sowie Hofrat Mag. Cede als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des F in W, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Jänner 2019, Zl. VGW-171/083/14715/2017-13, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber stand bis zu der hier gegenständlichen Kündigung in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
2 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 26. Juni 2017 wurde sein Dienstverhältnis gemäß § 72 Abs. 1 Dienstordnung 1994 (DO 1994), LGBl. Nr. 56, mit Ablauf von drei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides gekündigt.
3 Die Behörde ordnete die Zustellung dieses Bescheides durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, an. Der Anschlag an der Amtstafel erfolgte am 3. Juli 2017.
4 Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2017 erhob der Revisionswerber Beschwerde gegen den Bescheid vom 26. Juni 2017, der ihm am 2. Oktober 2017 (durch Übermittlung zu Handen seines Rechtsvertreters) zugestellt worden sei. Der Revisionswerber trat der Auffassung der Behörde, wonach die Voraussetzungen für eine Zustellung gemäß § 25 ZustG vorgelegen seien, entgegen. Er verfüge - wie von ihm aus Anlass einer mit seinem Vorgesetzten am 1. Juni 2017 aufgenommenen Niederschrift angegeben - über eine Abgabestelle an einer näher genannten Anschrift in 1210 Wien. Es handle sich dabei um eine Eigentumswohnung, die er seit Ankauf derselben durchgehend bewohne. Er sei telefonisch ersucht worden, am 1. Juni 2017 zwecks Aufnahme einer Niederschrift an seiner Dienststelle zu erscheinen. Seine aktuellen Kontaktdaten seien der Behörde daher bekannt gewesen.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 in Verbindung mit § 31 VwGVG als verspätet zurück. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.
6 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei im Zeitraum von 28. August 2013 bis 3. Juli 2015 an der in Rede stehenden Adresse in 1210 Wien gemeldet gewesen. Für darauffolgende Zeiträume schienen im Zentralen Melderegister jedoch keine Meldungen mehr auf. Der Revisionswerber habe sich im gesamten Kalenderjahr 2017 im Krankenstand befunden. Bereits in einem Mitarbeitergespräch am 13. November 2014 sei er auf die „Problematik der Meldung“ im Zusammenhang mit dem „Nichtmelden des aktuellen Hauptwohnsitzes mittels Meldezettels“ angesprochen worden.
7 Sodann gab das Gericht den Inhalt eines Schreibens der Dienststelle des Revisionswerbers an die Magistratsabteilung 2 wieder. Demnach seien dem Revisionswerber zugestellte Gehaltszettel mit dem postalischen Vermerk „verzogen“ retourniert worden. Zudem seien, so das Verwaltungsgericht Wien weiter, behördliche Schreiben der Dienststelle am 8. November 2016 mit dem Vermerk „unbekannt“ und am 30. Dezember 2016 mit dem Vermerk „nicht behoben“ retourniert worden. Eine Gehaltsinformation für April 2017 sei dem Revisionswerber an die in Rede stehende Adresse zugestellt worden. Dieses Schreiben sei am 27. März 2017 mit dem Vermerk „Abgabestelle unbenutzt“ retourniert worden.
8 Am 1. Juni 2017 habe ein Gespräch des Revisionswerbers mit seinem Vorgesetzten stattgefunden, in dem er auf die Frage nach seiner aktuellen Adresse angegeben habe, nach wie vor an der in Rede stehenden Anschrift zu wohnen. Trotz einer diesbezüglichen Ankündigung am 1. Juni 2017 habe der Revisionswerber keine amtliche Meldung seines Wohnsitzes und auch keine Meldung gegenüber seiner Dienstbehörde vorgenommen.
9 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht Wien aus, der Revisionswerber habe zwar am 1. Juni 2017 gegenüber seiner Dienststelle eine Adresse in 1210 Wien angegeben. Zu dieser Adresse sei aber keine Meldung im Zentralen Melderegister vorgelegen. Demgegenüber habe es „retour gekommene“ Briefsendungen gegeben, die an die in Rede stehende Adresse gerichtet gewesen, jedoch ungeöffnet „zurückgekommen“ seien. Gegenüber der Magistratsabteilung 2 habe der Revisionswerber angekündigt, er werde seine Adresse melden. Dies sei jedoch nicht geschehen.
10 Weiters sei in einem Aktenvermerk vom 22. Juni 2017 festgehalten worden, dass der Revisionswerber am 1. Juni 2017, als er vier Schreiben (u.a. betreffend das ihm im Kündigungsverfahren schriftlich eingeräumte Parteiengehör) abgeholt habe, angekündigt habe, eine Meldung seiner Wohnadresse vorzunehmen, und dass bis zum 22. Juni 2017 keine aktuelle Meldung im Zentralen Melderegister aufgeschienen sei.
11 Das Vorbringen des Revisionswerbers, er wisse nicht, weshalb keine Meldung im Zentralen Melderegister aufscheine, ändere nichts an der Tatsache, dass es keine aufrechte Meldung gegeben habe. Die Eigentumsverhältnisse spielten für eine Meldung im Zentralen Melderegister keine Rolle. Dem Revisionswerber habe es schon seit dem Jahr 2014, insbesondere aber seit 1. Juni 2017 bekannt sein müssen, dass es keine aufrechte Meldung gegeben habe bzw. dass es zu Zustellproblemen an der von ihm genannten Adresse gekommen sei. Im Übrigen sei der Dienstnehmer verpflichtet, seine aktuelle Meldeadresse der Behörde gegenüber bekannt zu geben. Werde dieser Verpflichtung nicht entsprochen, so sei es nicht, wie der Revisionswerber meine, Aufgabe der Behörde, eine Sendung per Boten zustellen zu lassen.
12 Die Zustellung gemäß § 25 ZustG sei daher rechtmäßig erfolgt. Ausgehend davon erweise sich die Beschwerde als verspätet.
13 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, den angefochtenen Beschluss aus diesen Gründen aufzuheben.
14 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision sowie Kostenersatz beantragte.
15 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit führt die Revision aus, das Verwaltungsgericht Wien sei in Verkennung der Rechtslage von der Rechtswirksamkeit der nach § 25 ZustG vorgenommenen Zustellung ausgegangen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Die Revision erweist sich als zulässig und berechtigt.
17 § 25 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
„Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung
§ 25. (1) Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, können, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
(2) Die Behörde kann die öffentliche Bekanntmachung in anderer geeigneter Weise ergänzen.“
18 Vorauszuschicken ist, dass dem angefochtenen Beschluss schon nicht nachvollziehbar zu entnehmen ist, weshalb das Verwaltungsgericht davon ausging, es habe sich zum Zeitpunkt der von der Behörde gemäß § 25 ZustG verfügten Zustellung bei der in Rede stehenden Adresse in 1210 Wien trotz der expliziten Angaben des Revisionswerbers vom 1. Juni 2017 nicht um eine Abgabestelle im Sinn von § 2 Z 4 ZustG gehandelt.
19 Unter einer Wohnung im Sinn des § 2 Z 4 ZustG ist jede Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Der dazu erforderliche regelmäßige Aufenthalt des Empfängers in seiner Wohnung ist dabei nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers. Die Eigenschaft eines Ortes als Abgabestelle geht (erst) verloren, wenn die Nahebeziehung des Empfängers zu ihm auf Dauer oder doch für einen so langen Zeitraum erlischt, dass nach den Gepflogenheiten des Lebens das Warten auf eine Rückkehr in angemessener Zeit nicht zumutbar ist (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0064).
20 Eine - im angefochtenen Beschluss mehrfach angesprochene - Meldung nach dem Meldegesetz 1991 (MeldeG), BGBl. Nr. 9/1992, ist jedenfalls für das Vorliegen einer Abgabestelle nicht ausschlaggebend (VwGH 15.9.1997, 97/10/0071).
21 Der angefochtene Beschluss lässt offen, wo der Revisionswerber tatsächlich seinen Aufenthalt genommen und ob er allenfalls über eine andere Abgabestelle verfügt habe. Dass sich der Revisionswerber nicht oder nicht mehr an der von ihm angegebenen Adresse in 1210 Wien regelmäßig aufgehalten habe, wurde vom Gericht auch nicht festgestellt. Angesichts des Umstandes, dass im April 2017 ein Schreiben an der in Rede stehenden Adresse nicht habe zugestellt werden können, lassen sich in der vorliegenden Konstellation mit Blick auf die ausdrücklichen Angaben des Revisionswerbers vom 1. Juni 2017 keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Fehlen einer Abgabestelle ziehen. Dies gilt ebenso für die vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Zustellvorgänge im Jahr 2016, wobei anzumerken ist, dass die Rücksendung eines Schriftstückes mit dem Vermerk „nicht behoben“ nicht die Annahme stützt, dass die in Rede stehende Adresse nicht als Abgabestelle im Sinn von § 4 ZustG zu beurteilen sei (vgl. § 17 ZustG).
22 Zustellvorgänge, die bezogen auf die am 26. Juni 2017 verfügte Zustellung ausreichend zeitnahe erkennen ließen, dass sich der Revisionswerber nicht regelmäßig an der von ihm am 1. Juni 2017 angeführten Anschrift aufgehalten habe, finden sich in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht.
23 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraussetzt, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat. Für die Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Abgabestelle einer Person festzustellen, kommen für die Behörde einerseits eine Anfrage an die Meldebehörden, andererseits aber auch Auskünfte von Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Abgabestelle des Empfängers kennen (etwa Angehörige, Nachbarn, etc.), in Betracht (zur Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als „ultima ratio“ siehe auch VwGH 28.10.2003, 2003/11/0056, mwN).
24 Folgte man daher der Prämisse, wonach die in Rede stehende Adresse nicht als Abgabestelle zu qualifizieren gewesen sei, so hat die Dienstbehörde jedenfalls die ihr fallbezogen zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausgeschöpft, um eine Abgabestelle des Revisionswerbers zu ermitteln:
25 Der Dienstbehörde war die Telefonnummer des Revisionswerbers bekannt bzw. lag ihr eine Mitteilung des medizinischen Amtssachverständigen vor, aus der sich ergab, dass über die zuletzt genannte Stelle die Telefonnummer des Revisionswerbers ohne Schwierigkeiten in Erfahrung gebracht und auf diesem Weg gegebenenfalls versucht werden könne, eine Abgabestelle zu ermitteln (vgl. zu Ermittlungsschritten unter Zuhilfenahme einer der Behörde bekannten Telefonnummer VwGH 22.1.2014, 2013/22/0313). Darüber hinaus geht aus einem E-Mail vom 31. Mai 2017 hervor, dass die Dienstbehörde offensichtlich in Erwägung zog, der Revisionswerber halte sich an der der Behörde ebenfalls bekannten und in dem E-Mail angeführten Wohnadresse seiner Lebensgefährtin in 1210 Wien auf. Weitere Ermittlungsschritte in diese Richtung wurden nicht gesetzt. Die Wirksamkeit von Zustellungen an die im E-Mail vom 31. Mai 2017 angeführte Adresse wurde einem Aktenvermerk zufolge für ungewiss erachtet. Die vor diesem Hintergrund verfügte Zustellung des Kündigungsbescheides nach § 25 ZustG entsprach nicht dem Gesetz.
26 Überdies bestünde für den Fall, dass es sich (wofür die persönlichen Angaben des Revisionswerbers am 1. Juni 2017 Anhaltspunkte böten) bei der vom Revisionswerber angeführten Anschrift während des anhängigen Kündigungsverfahrens um eine Abgabestelle gehandelt haben sollte, und festzustellen wäre, dass diese Abgabestelle in weiterer Folge während des Verfahrens ohne entsprechende Mitteilung im Sinne des § 8 ZustG geändert bzw. aufgegeben wurde, kein Raum für eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 ZustG (vgl. zu § 8 ZustG sowie zur Subsidiarität der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung VwGH 30.5.2007, 2006/19/0322). Vielmehr wäre der Bescheid in einer solchen Konstellation, falls auch eine (neue) Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (vgl. erneut VwGH 22.1.2014, 2013/22/0313), durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch nach § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 ZustG zuzustellen (VwGH 14.5.2003, 2002/08/0206; 24.11.2000, 2000/19/0115).
27 Unter dem Blickwinkel der §§ 8 und 23 ZustG kann im Revisionsfall mangels näherer Feststellungen im angefochtenen Beschluss eine abschließende rechtliche Beurteilung der von der Behörde vorgenommenen Zustellung nicht erfolgen. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass sich die von der Behörde verfügte Zustellung aus den oben dargelegten Erwägungen nicht auf § 25 ZustG zu stützen vermochte.
28 Da das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen nach § 25 ZustG verkannte und unzutreffender Weise von einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides vom 26. Juni 2017 ausging, belastete es den angefochtenen Beschluss, mit dem es die Beschwerde des Revisionswerbers als verspätet zurückwies, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
29 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Februar 2020
Schlagworte
Allgemein Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019120037.L00Im RIS seit
05.02.2021Zuletzt aktualisiert am
08.02.2021