TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/13 97/01/0530

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Veröffentlicht am 13.05.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der H in Sallingberg, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 46, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Oktober 1996, Zl. 4.340.351/8-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die aus dem Kosovo stammende albanisch-stämmige Beschwerdeführerin reiste am 16. Mai 1992 gemeinsam mit ihrem Ehegatten über Slowenien in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge am 18. Mai 1992 die Gewährung von Asyl. Als Fluchtgrund machte sie im wesentlichen geltend, daß ihr Ehegatte seinen Arbeitsplatz verloren habe; außerdem habe die serbische Miliz eine Räumung der Wohnung erzwungen. Da keine Chance auf einen neuen Arbeitsplatz ihres Ehegatten oder auf eine neue Wohnung bestehe, habe sie sich mit ihrem Gatten zur Flucht entschlossen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 10. September 1992 fest, daß bezüglich der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, i.d.F. des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes (1968) die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableite, nicht zuträfen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß sie ihre Heimat nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auf Grund der Verfolgungen im Zuge der Nationalitätenkonflikte und Bürgerkriegswirren verlassen habe. Bei einer Heimkehr müsse sie mit einem Militärgerichtsverfahren, langjähriger Gefängnisstrafe und unter Umständen sogar mit der Todesstrafe rechnen.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1994 wies die belangte Behörde die Berufung mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin in Slowenien Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zlen. 94/01/0574, 0575, diesen Bescheid wegen verfehlter Anwendung des Asylgesetzes 1991 auf. Auf dem Boden der von der belangten Behörde anzuwendenden Rechtslage nach dem Asylgesetz (1968) hätte sie vom Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht Gebrauch machen dürfen.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich ab und sprach aus, daß diese nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Er ging davon aus, daß sie mazedonische Staatsangehörige sei und nicht habe glaubhaft machen können, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Soweit sie sich auf Vorfälle gegen ihren Gatten beziehe, sei festzuhalten, daß nur solche Umstände Berücksichtigung finden könnten, die die antragstellende Person unmittelbar betreffen. Überdies sei die Beschwerdeführerin am 30. Juni 1994 ausgereist und habe damit unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, keinen weiteren Schutz in Österreich anzustreben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst die Feststellung als aktenwidrig bekämpft, die Beschwerdeführerin sei mazedonische Staatsangehörige; dafür finde sich im gesamten Verwaltungsakt kein Hinweis, vielmehr sei diesem zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin im Kosovo geboren, bis zu ihrer Flucht dort gelebt und daher (das ist die - allerdings nicht ausdrückliche - Schlußfolgerung der Beschwerde) jugoslawische Staatsbürgerin sei.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß gemäß einer im Verwaltungsakt erliegenden Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 14. März 1995 der Ehegatte der Beschwerdeführerin am 21. Juni 1994 (auch) den mazedonischen Reisepaß der Beschwerdeführerin vorgewiesen hat. Die inkriminierte Feststellung findet daher im Akteninhalt Deckung, sodaß von einer Aktenwidrigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG nicht die Rede sein kann. Allerdings hat es die belangte Behörde verabsäumt, der Beschwerdeführerin zur Frage ihrer aktuellen Staatsangehörigkeit Gehör einzuräumen, sodaß ihr unter diesem Gesichtspunkt ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht kommt diesem Verfahrensfehler jedoch keine Relevanz zu, weil der Beschwerdeführerin auch im Falle jugoslawischer Staatsangehörigkeit - wie im folgenden zu zeigen sein wird - nicht die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne des Asylgesetzes (1968) zuerkannt werden könnte.

Soweit sie darauf verweist, daß sie Angehörige der albanischen Volksgruppe und Mitglied der moslemischen Glaubensgemeinschaft sei - eine entsprechende Feststellung vermißt die Beschwerde - und in dieser Eigenschaft im Gebiet des "serbischen Reststaates Jugoslawien" offenkundig und amtsbekannt massiven Repressalien und Verfolgungshandlungen ausgesetzt sei, ist ihr zu entgegnen, daß ihren Angaben im Verwaltungsverfahren nicht zu entnehmen war, daß generell gegen die albanische Volksgruppe im Kosovo zielende Maßnahmen von erheblicher Intensität gesetzt worden oder bevorgestanden wären, die als systematische Verfolgung dieser Volksgruppe aus Gründen ihrer Nationalität, von der auch die Beschwerdeführerin direkt betroffen gewesen wäre, angesehen werden müßten. Derartiges kann aber - jedenfalls bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Bescheiderlassung Oktober 1996 - auch nicht als notorisch im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG bezeichnet werden.

Daß es der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten, der - obwohl mit der Beschwerdeführerin bis zur Flucht gemeinsam im Kosovo wohnhaft - im Zuge der Neueinteilung der Staaten der ehemaligen jugoslawischen Föderation auf Grund seines Geburtsortes nunmehr die mazedonische Staatsangehörigkeit innehabe, unmöglich sei, eine gemeinsame Staatsbürgerschaft zu erlangen, wird erstmals in der Beschwerde vorgebracht und stellt daher eine unzulässige Neuerung dar. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, inwieweit der Versagung der Verleihung der jugoslawischen Staatsbürgerschaft an den Ehegatten der Beschwerdeführerin (die Vorgangsweise Mazedoniens steht nach ihrem Vorbringen, sie sei jugoslawische Staatsangehörige, nicht zur Debatte) maßgeblicher Verfolgungscharakter innewohnen soll. Einer restriktiven Praxis in bezug auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft per se, mag sie sich auch auf die Angehörigen einer bestimmten Volksgruppe beschränken, kommt jedenfalls keine Asylrelevanz zu; warum daraus aber auf eine konkrete Verfolgung erheblicher Intensität geschlossen werden müsse, läßt auch die Beschwerde offen.

Zutreffend rügt die Beschwerde als weiteren Verfahrensmangel, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht bzw. nur rudimentär mit dem im Verwaltungsverfahren erstatteten Tatsachenvorbringen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt hat. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht kann darin allerdings nur unter dem Gesichtspunkt erblickt werden, als die von der Behörde angenommene mazedonische Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin in Frage gestellt wird; andernfalls wäre dem sich ausschließlich auf die Situation in Jugoslawien (Kosovo) beziehenden Vorbringen im Verwaltungsverfahren nämlich schon im Hinblick darauf, daß es sich dabei nicht um den Heimatstaat der Beschwerdeführerin handelte, der Boden entzogen. Doch auch unter der Annahme, sie sei nach wie vor Staatsbürgerin Jugoslawiens, kommt dem Umstand, daß die belangte Behörde weder auf ihr erst- noch auf ihr zweitinstanzliches Vorbringen näher eingegangen ist, keine Relevanz zu. Als Fluchtgründe hat die Beschwerdeführerin nämlich nur geltend gemacht, daß ihr Ehegatte seinen Arbeitsplatz verloren habe, daß die Wohnung durch die serbische Miliz zwangsweise geräumt worden sei und daß keine Chance auf eine neue Wohnung bzw. einen neuen Arbeitsplatz bestanden habe. In ihrer Berufung ergänzte sie dies dahingehend, sie habe ihre Heimat nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auf Grund der Verfolgungen im Zuge der Nationalitätenkonflikte und Bürgerkriegswirren verlassen. Bei einer Heimkehr müßte sie mit einem Militärgerichtsverfahren, langjähriger Gefängnisstrafe und unter Umständen sogar mit der Todesstrafe rechnen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, reicht der Verlust des Arbeitsplatzes - wovon die Beschwerdeführerin hier im übrigen nur mittelbar betroffen war - ohne massive Bedrohung der Lebensgrundlage für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft nicht aus (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. März 1994, Zlen. 93/01/0982 und 0977, und vom 22. Mai 1996, Zl. 95/01/0305). Für den Verlust der Dienstwohnung gilt nichts anderes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0064). Daß die Beschwerdeführerin durch die genannten Maßnahmen aber in concreto jeglicher Existenzgrundlage beraubt worden wäre, läßt sich ihren Behauptungen nicht entnehmen, zumal das Vorbringen, es habe keine Chance bestanden, eine neue Wohnung zu bekommen, nicht gegen die Möglichkeit spricht, bei Verwandten oder Bekannten eine - wenn auch notdürftige - Unterkunft zu erhalten. Aber auch dem Umstand, daß die Räumung der Wohnung durch die serbische Miliz mit Brachialgewalt durchgeführt worden sei, kommt mangels näherer Anhaltspunkte, daß darüber hinaus noch irgendwelche konkreten Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten gewesen wären, keine Bedeutung zu.

Als Asylgründe gleichfalls nicht in Betracht kommen Nationalitätenkonflikte und Bürgerkriegswirren, soweit die Beschwerdeführerin hievon gleich allen im Bürgerkriegsgebiet lebenden Personen betroffen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 1994, Zl 93/01/0293). Daß ihr in diesem Zusammenhang aus Konventionsgründen eine konkrete, gegen sie gerichtete Verfolgung drohe, hat sie nicht zum Ausdruck gebracht.

Völlig beziehungslos am Ende ihrer Berufung, im Anschluß an eine gestrichene, offenbar nur ihren Ehegatten betreffende Passage über die Einberufung zum Militärdienst, findet sich der Hinweis auf das zu gewärtigende Militärgerichtsverfahren; es sei mit langjähriger Gefängnisstrafe und unter Umständen sogar mit der Todesstrafe zu rechnen. Eine Begründung für diese Vermutung wird nicht dargetan, im besonderen wird nicht behauptet, daß das Militärgerichtsverfahren und die zu erwartende Bestrafung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung (Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge) zu befürchten seien. Damit konnte im Ergebnis aber auch dieses Vorbringen auf sich beruhen.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß die belangte Behörde Repressionshandlungen gegen ihren Ehegatten (nur insoweit geht der Bescheid auf die geltend gemachten Fluchtgründe ein) keine asylrelevante Bedeutung beigemessen hat. Als derartige Repressionshandlungen wurden im Verwaltungsverfahren jedoch bloß der Verlust des Arbeitsplatzes und die zwangsweise Räumung der Dienstwohnung ins Spiel gebracht. Daß diese Umstände grundsätzlich nicht einmal dann die Flüchtlingseigenschaft begründen können, wenn sie den Asylwerber selbst treffen, wurde schon erläutert.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Daß die Beschwerdeführerin - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt - am 30. Juni 1994 das Bundesgebiet (kurzfristig?) verlassen haben soll, ist bei diesem Ergebnis ohne Belang.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997010530.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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