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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AlVG 1977 §1 Abs1 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der B OG in I, vertreten durch Dr. Hannes Wiesflecker, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 2019, Zl. I413 2114809- 1/16E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Stmk. Gebietskrankenkasse, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2-4; mitbeteiligte Parteien: 1. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67, sowie weitere 25 Mitbeteiligte; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die in der Anlage A des erstinstanzlichen Bescheides der belangten Behörde angeführten Personen (die 25 weiteren Mitbeteiligten) in den dort genannten Zeiträumen auf Grund ihrer Tätigkeit für die revisionswerbende Partei als Verspachtler gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung unterliegen. Die Revisionswerberin betreibe ein Trockenbauunternehmen und sei Auftragnehmerin verschiedener Bauherren. Sie habe mit den schlecht Deutsch sprechenden genannten Mitbeteiligten jeweils als "Werkvertrag" bezeichnete Vereinbarungen über die Durchführung von Verspachtelungsarbeiten getroffen und innerhalb gewisser zeitlicher Rahmen die mit den Bauherren vereinbarten Trockenbauarbeiten von ihnen mit einfachen Arbeitsgeräten durchführen lassen. Sie seien in die Betriebsorganisation der revisionswerbenden Partei eingebunden gewesen und hätten für ihre Leistungen pauschale Geldbeträge teilweise bar ausgezahlt und teilweise überwiesen erhalten. Keiner von ihnen habe über eine nennenswerte eigene betriebliche Struktur verfügt. Sie hätten praktisch nur für die revisionswerbende Partei gearbeitet. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) handle es sich um Beschäftigungsverhältnisse. Bei einfachen manuellen Tätigkeiten wie den vorliegenden könne bei einer Integration der Beschäftigten in einen Betrieb das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses iSd § 4 Abs. 2 ASVG ohne weiteres vorausgesetzt werden. 5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision erblickt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß darin, ob aus dem Umstand, dass die gegenständlichen Beschäftigungszeiträume vor dem 1. Jänner 2014 lägen, geschlossen werden dürfe, dass die genannten Personen selbständig tätig gewesen seien, weil auf Grund eines österreichischen Vorbehalts in diesen Zeiträumen unstreitig die faktische und rechtliche Unmöglichkeit bestanden habe, Dienstnehmer aus Bulgarien und Rumänien unselbständig zu beschäftigen. Dem ist zu erwidern, dass dem österreichischen Vorbehalt jede Wirksamkeit genommen würde, wenn die von ihm umfassten Sachverhalte in der von der revisionswerbenden Partei gewünschten Weise als Ausübung selbständiger Tätigkeiten gedeutet werden müssten. Eine solche "Selbstnegation" ist dem europarechtlichen Normengefüge fremd. Eine weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sieht die Revisionswerberin darin, dass das Bundesverwaltungsgericht Beweise falsch gewürdigt und keine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt hätte. Dazu zitiert die Revisionswerberin in großem Umfang Aussagen verschiedener Personen in der vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, wobei sie Teile dieser Aussagen, aus denen ihrer Meinung nach eine selbständige Tätigkeit der genannten Mitbeteiligten im Rahmen von Werkverträgen abzuleiten wäre, durch Unterstreichungen hervorhebt. 7 Abgesehen davon, dass darin keine ordnungsgemäße Darstellung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt und die revisionswerbende Partei nicht vorbringt, welche Beweise mit welchem rechtlich relevanten Ergebnis anders hätten gewürdigt werden müssen und aus welchen Gründen eine weitere mündliche Verhandlung notwendig gewesen wäre, ist ihr zu erwidern, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechts - wie hier die behauptete unrichtige Sachverhaltsfeststellung und der angeblich verfrühte Schluss der Verhandlung - nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG sind, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall erforderliche Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (VwGH 2.5.2019, Ra 2019/08/0022).
8 Davon kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf das wenig aussagekräftige Vorbringen in der Revision und das sehr sorgfältig und ausführlich begründete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht keine Rede sein. Im Übrigen verkennt die Revision bei ihrer am Wortlaut von Äußerungen der Beteiligten orientierten Argumentation die Bedeutung und Tragweite des vom Bundesverwaltungsgericht berücksichtigten Gebots der wirtschaftlichen Betrachtungsweise iSd § 539a ASVG.
9 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Februar 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080022.L00Im RIS seit
04.05.2020Zuletzt aktualisiert am
04.05.2020