TE Vwgh Beschluss 2020/2/25 Ra 2020/03/0017

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. M W in W, vertreten durch Mag. Christian Weimann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 6/Top 12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 25. November 2019, Zl. VGW- 101/050/5203/2019-11, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: W KG, vertreten durch Mag. Andrej Mlecka, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 11/9), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 28. Februar 2019 ordnete der Landeshauptmann von Wien - in den für das Revisionsverfahren maßgeblichen Spruchpunkten - die Enteignung des Revisionswerbers gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Z 3 und 4 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes - EisbEG in Bezug auf eine ihm gehörende Liegenschaft in Wien-Alsergrund an. Zum Zweck der Errichtung eines U-Bahntunnels wurde in einem näher bezeichneten Umfang die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung einer U-Bahntunnelröhre in geschlossener Bauweise sowie der Duldung des Bestandes, der Erhaltung und des Betriebes dieser U-Bahnanlage samt aller damit in Zusammenhang stehender Einrichtungen zugunsten einer näher umschriebenen Liegenschaft im grundbücherlichen Eigentum der mitbeteiligten Partei auf Dauer eingeräumt (Spruchpunkt I.A.). In den Spruchpunkten I.B., I.C. und I.D. des Bescheides wurden für baubegleitende Maßnahmen, für Verbesserungs- und Sicherheitsmaßnahmen und für sonstige näher bezeichnete Maßnahmen temporäre Duldungsverpflichtungen zugunsten der mitbeteiligten Partei "bzw. von ihr ermächtigte dritte Personen" angeordnet.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (VwG), in der er sich inhaltlich dagegen wandte, dass die Einräumung der Dienstbarkeit mit Spruchpunkt I.A. des verwaltungsbehördlichen Bescheides auf Dauer (und nicht bloß bis zum Ablauf der Konzession zum Bau und Betrieb der U-Bahnlinie U5 am 29. August 2070) und zugunsten eines herrschenden Grundstücks der mitbeteiligten Partei (statt zugunsten der mitbeteiligten Partei persönlich) erfolgt sei. Die Spruchpunkte I.B., I.C. und I.D. des Bescheides erachtete der Revisionswerber deshalb für rechtswidrig, weil damit auch von der mitbeteiligten Partei ermächtigte dritte Personen berechtigt worden seien, was dem Revisionswerber zu unbestimmt und zu weit gefasst erschien. Der Revisionswerber stellte daher den Antrag, das VwG möge "in der Sache selbst entscheiden" und in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen.

3 Am Ende einer Replik des Revisionswerbers vom 22. Mai 2019 auf eine Stellungnahme der mitbeteiligten Partei zu seiner Beschwerde führte der Revisionswerber aus, er beantrage "weiterhin die ersatzlose Behebung dieses Bescheides".

4 In der mündlichen Verhandlung vor dem VwG vom 28. Mai 2019 forderte die Richterin den Rechtsvertreter des Revisionswerbers auf, "sich zum Gegenstand der Verhandlung zu äußern". Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers stellte daraufhin den Antrag, "in der Sache zu entscheiden, dass ein Servitut ausschließlich zugunsten (der mitbeteiligten Partei) und ausschließlich auf die Dauer der Konzession (der mitbeteiligten Partei) eingeräumt wird, ... Der Kreis der ermächtigten Personen ist sachlich auf diejenigen einzuschränken, derer sich (die mitbeteiligte Partei) zur Durchführung dieser baulichen Maßnahmen bediene (...)". 5 Mit dem angefochtenen, am Ende der Verhandlung mündlich verkündeten und am 25. November 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das VwG die Beschwerde des Revisionswerbers ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

6 Begründend führte das VwG aus, der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde und in der Replik vom 22. Mai 2019 widersprüchliche Anträge gestellt. Im Hinblick darauf, dass der angefochtene Bescheid allein zum Gegenstand der Enteignung zehn Unterpunkte aufgewiesen habe, sei es schon aufgrund der sehr allgemein gehaltenen Beschwerdebegründung Ziel des Gerichtes in der mündlichen Verhandlung gewesen zu erreichen, dass seitens des anwaltlich vertretenen Revisionswerbers die einander widersprechenden Begehren im Zusammenhang mit den Beschwerdegründen aufgelöst und ein Begehren gestellt werden sollte, das es dem erkennenden Gericht ermöglicht hätte, den Bescheid im Rahmen des gesetzlichen Auftrags des § 27 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG zu überprüfen. Mit seinem in der Verhandlung gestellten Antrag sei es dem Revisionswerber nicht gelungen, die Rechtswidrigkeit der einzelnen Bescheidbestandteile darzutun. Jedenfalls sei das Begehren des Revisionswerbers nach seinem Vorbringen nicht so zu verstehen, dass es auf eine ersatzlose Behebung des gesamten Bescheids abziele. Auch im Hinblick auf die Überprüfungspflicht des Gerichts sei das Vorbringen nicht dazu geeignet, dass das VwG zu einer Entscheidung in der Sache im Sinne des § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG gelangen könne. Auf Grundlage des angefochtenen Bescheides, der die Einräumung mehrerer Servitute zum Teil auf Dauer, zum Teil temporär vorsehe, dies zu gänzlich unterschiedlichen Zwecken und in unterschiedlicher zeitlicher Dauer, sei das Vorbringen des Revisionswerbers nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit hinsichtlich einzelner Punkte des angefochtenen Bescheides darzutun. Im Rahmen der Entscheidung in der Sache wäre es unmöglich, dem Begehren des Revisionswerbers Rechnung zu tragen und die begehrte Servitut einzuräumen. Der Revisionswerber habe somit nicht dargetan, hinsichtlich welcher Spruchpunkte welches Vorbringen erstattet werde und durch welche Umstände er sich hinsichtlich welcher Spruchpunkte beschwert fühle. Soweit er eine Einschränkung des Kreises der ermächtigten dritten Personen anstrebe, liege keine Beschwer des Revisionswerbers vor, weil es dem Eisenbahnunternehmen überlassen bleibe, ob es die erforderlichen Baumaßnahmen selbst oder durch von ihm ermächtigte dritte Personen durchführe. Was die allenfalls gemeinte Einräumung einer Servitut unter Punkt I.A. des Bescheides auf Dauer betreffe, sei darauf zu verweisen, dass eine Begründung der Servitut lediglich bis zum Ablauf der Konzessionsdauer nicht von Interesse sei, da jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Konzession des Eisenbahnunternehmens vorliege.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, das VwG habe keine Feststellungen zu dem vom Revisionswerber detailliert erstatteten Vorbringen getroffen, obwohl das diesbezügliche Beschwerdevorbringen entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente betroffen habe. Das abweisende Erkenntnis sei ausschließlich mit dem Vorliegen eines angeblich nicht nachvollziehbaren Beschwerdeantrags begründet worden. Wäre ein derartiger formeller Mangel vorgelegen, so hätte es eines Verbesserungsauftrags an den Revisionswerber bedurft, was nicht geschehen sei. Das VwG habe insoweit auch gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Zusammenfassend lägen folgende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor: "Kann das VWG eine abschließende rechtliche Beurteilung vornehmen, ohne konkrete Feststellungen zu den vom Revisionswerber mit Bescheidbeschwerde

erhobenen Vorbringen ... zu treffen? ... Kann das VWG entgegen der

- nach § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendenden - Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG ohne seiner Verbesserungspflicht nachzukommen bzw. eine Behebung des Mangels innerhalb angemessener Frist zu beauftragen, eine inhaltliche Entscheidung iSd § 28 Abs 1 und 2 VwGVG ablehnen; dies darüber hinaus nicht in Form einer Zurückweisung?"

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9 Der Revisionsfall erfordert vor dem Eingehen auf das Zulässigkeitsvorbringen der Revision folgende Klarstellung:

10 Die Ausführungen des VwG zur mangelnden Eignung der Bescheidbeschwerde des Revisionswerbers für eine meritorische Erledigung sind nicht nachvollziehbar. Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, welche Punkte des angefochtenen Bescheides er aus welchen Gründen für rechtswidrig erachtete und welche Entscheidung er anstrebte. Insofern ist dem VwG lediglich zuzustimmen, dass der in der Replik (möglicherweise versehentlich) gestellte Antrag auf "ersatzlose Behebung" nicht aufrecht erhalten wurde, sondern (vorrangig) erkennbar eine Abänderung des angefochtenen Bescheides in den vom Revisionswerber umschriebenen Punkten gemäß seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag begehrt wurde.

11 Das VwG war somit nicht gehindert, die Beschwerde einer meritorischen Erledigung zuzuführen. Sowohl das gestellte Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG) als auch die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützte (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG), waren dafür hinreichend umschrieben; eine inhaltliche Prüfung war durch § 27 VwGVG nicht eingeschränkt (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Prüfumfang des § 27 VwGVG etwa VwGH 6.3.2019, Ro 2018/03/0031 u.a., Rn. 96, mwN). 12 Dadurch ist für die Revision allerdings im Ergebnis nichts zu gewinnen: Das VwG hat nämlich ohnedies eine inhaltliche Entscheidung getroffen und die Beschwerde nicht bloß aus formalen Gründen zurückgewiesen. Es hat sich dabei - wenn auch nur kurz - mit zwei der inhaltlichen Einwände des Revisionswerbers, nämlich der Einräumung einer Grunddienstbarkeit auf Dauer und der Einräumung von Duldungsverpflichtungen zugunsten von ermächtigten dritten Personen, auseinandergesetzt und diese als unbegründet verworfen.

13 Ausgehend davon reicht es nicht aus, wenn die Revision in der Zulassungsbegründung in bloß allgemeinen Worten geltend macht, das VwG habe "entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente" nicht festgestellt. Die in der Beschwerde an das VwG angesprochenen Themen betrafen nämlich vorrangig Rechts- und nicht Sachverhaltsfragen. Insofern lässt sich auch nicht nachvollziehen, welche Sachverhaltsfeststellungen durch das VwG die Revision konkret vermisst.

14 Es trifft, wie zuvor gezeigt wurde, auch nicht zu, dass sich das abweisende Erkenntnis, wie die Revision vermeint, ausschließlich auf den Formalaspekt eines mangelhaften Beschwerdeantrags gestützt hätte. Das VwG hat sich vielmehr auch mit inhaltlichen Einwänden der Beschwerde auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang lässt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung jegliches bestreitendes Vorbringen vermissen und es wird auch nicht dargetan, ob und aus welchen Gründen das angefochtene Erkenntnis insoweit Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

15 Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der dauernden Enteignung durch Einräumung einer Servitut für den U-Bahntunnel auch unter dem Gesichtspunkt der - gesetzlich befristeten, aber verlängerbaren - Konzessionserteilung an die mitbeteiligte Partei keinen Bedenken begegnet, weil die Revision keine Zweifel am öffentlichen Interesse des dauerhaften Bestandes der U-Bahnlinie darzulegen vermag. Auch konnte der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass die Einräumung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der herrschenden, im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehenden Liegenschaft, auf der sich nach der Aktenlage unstrittig die Leitstelle der Wiener U-Bahn befindet, rechtswidrig wäre und den Revisionswerber unzulässig beschweren würde. Die Revision legt zudem nicht dar, dass die mit der angefochtenen Entscheidung eingeräumte Möglichkeit, für baubegleitende Maßnahmen, Verbesserungs- und Sicherheitsmaßnahmen und sonstige mit dem U-Bahnprojekt verbundene und näher umschriebene Maßnahmen auch von der mitbeteiligten Partei ermächtigte dritte Personen beizuziehen, überschießend wäre, ist die Duldung dieser Vorkehrungen doch nur im Zusammenhang mit den umschriebenen projektbedingten Maßnahmen vorgesehen.

16 Die Revision zeigt somit insgesamt nicht auf, dass sie von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030017.L00

Im RIS seit

23.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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