TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/13 97/01/0311

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Veröffentlicht am 13.05.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1968 §8;
AsylG 1991 §5 Abs1 impl;
FrG 1993 §17 Abs1 impl;
FrG 1993 §19 impl;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des I in Sallingberg, vertreten durch Dr. Franz Pruckner, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Oktober 1996, Zl. 4.340.351/7-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein ehemaliger jugoslawischer Staatsbürger aus dem Kosovo und nunmehr mazedonischer Staatsangehöriger, reiste am 16. Mai 1992 gemeinsam mit seiner Ehegattin über Slowenien in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge am 18. Mai 1992 die Gewährung von Asyl. Als Fluchtgrund machte er im wesentlichen geltend, daß er - als Kraftfahrer bei einem Baubetrieb in Pristina (Kosovo) beschäftigt - von einem Angehörigen der Firmenleitung gefragt worden sei, ob er für die Serben oder die Albaner eingestellt sei. Er habe sich dazu bekannt, der albanischen Minderheit anzugehören und sei deswegen mit 1. Mai 1992 gekündigt worden; außerdem habe er die Dienstwohnung räumen müssen. Da er als Angehöriger der albanischen Minderheit keine Chance habe, einen neuen Arbeitsplatz und eine neue Wohnung zu bekommen, habe er sich mit seiner Gattin entschlossen, die Heimat zu verlassen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 10. September 1992 fest, daß bezüglich des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, aus denen sich gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes (1968) die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableite, nicht zuträfen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er seine Heimat - gemeint: den Kosovo - nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auf Grund der Verfolgungen im Zuge der Nationalitätenkonflikte und Bürgerkriegswirren verlassen habe. Als er die Einberufung zum Militärdienst bekommen habe, hätte er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können, auf eigene Landsleute schießen zu müssen. Dies sowie die Angst um sein Leben und das seiner Familie hätten ihn veranlaßt, vor den brutalen und menschenverachtenden Exzessen eines sinnlosen Bürgerkrieges zu flüchten und in Österreich Schutz zu suchen. Bei einer Heimkehr müßte er mit einem Militärgerichtsverfahren, langjähriger Gefängnisstrafe und unter Umständen sogar mit der Todesstrafe rechnen.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1994 wies die belangte Behörde die Berufung mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer in Slowenien Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zlen. 94/01/0574, 0575, diesen Bescheid wegen verfehlter Anwendung des Asylgesetzes 1991 auf. Auf dem Boden der von der belangten Behörde anzuwendenden Rechtslage nach dem Asylgesetz (1968) hätte sie vom Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht Gebrauch machen dürfen.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab und sprach aus, daß dieser nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Er habe nicht glaubhaft machen können, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Das gelte insbesondere bezüglich der geltend gemachten schlechten Situation "hinsichtlich des Arbeitsbereiches".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie durch das schon erwähnte Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zlen. 94/01/0574, 0575, klargestellt wurde, kommt im vorliegenden Fall (noch) das Asylgesetz (1968) zur Anwendung. Dem hat die belangte Behörde nunmehr Rechnung getragen, indem sie unter Bezugnahme auf den in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Wortlaut des § 1 des Asylgesetzes (1968) spruchgemäß feststellte, daß der Beschwerdeführer "nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes" sei. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde als Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) geltend, daß er durch den Bescheid der belangten Behörde in seinem gesetzlich gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Recht auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 und auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. (sowie in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK) verletzt sei. Damit verfehlt er mithin die maßgebliche gesetzliche Grundlage. Das schadet ihm jedoch nicht, weil es im Rahmen des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG nicht auf die Bezeichnung der richtigen Gesetzesstelle ankommt (so schon das hg. Erkenntnis vom 22. November 1971, Zl. 760/71, VwSlg. 8.114/A); maßgeblich ist nur, daß der Inhalt der Beschwerde insgesamt klar erkennen läßt, in welchem Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Zl. 82/03/0112, VwSlg. 11.525/A). Das ist hier aber der Fall, weil kein Zweifel daran bestehen kann, daß es dem Beschwerdeführer einzig um die Zuerkennung von Asyl - auf welcher Rechtsgrundlage und in welcher Form auch immer; auf dem Boden des Asylgesetzes (1968) also um die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft - geht.

Bei Darstellung der Gründe, derentwegen der bekämpfte Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sein soll, kommt der Beschwerdeführer nicht mehr auf die im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Asylgründe zurück. Es kann daher genügen, summarisch auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach grundsätzlich weder dem Verlust des Arbeitsplatzes noch Bürgerkriegswirren oder der Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehles Asylrelevanz zukommt (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 1997, Zl. 96/01/0064, vom 16. März 1994, Zl. 93/01/0293 und vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/0492). Im übrigen können alle diese Umstände dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht zu einem für ihn günstigen Ergebnis verhelfen, als sie sich auf die Verhältnisse im Kosovo oder auf Maßnahmen des ehemaligen Staates Jugoslawien beziehen, während der Beschwerdeführer bei Bescheiderlassung bereits unstrittig die mazedonische Staatsbürgerschaft innehatte. Mazedonien gilt daher als sein Heimatland im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GFK), weshalb alle Bedrohungsszenarien, die nicht von diesem Staat ausgehen, aus heutiger Sicht von vornherein nicht die Flüchtlingseigenschaft begründen können; die "wohlbegründete Furcht" im Sinne der GFK muß sich nämlich stets auf den Heimatstaat des Asylwerbers im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung beziehen; aus behaupteter Verfolgung durch einen Drittstaat - als solcher gilt dem Beschwerdeführer gegenüber die nunmehrige föderative Republik Jugoslawien - läßt sich die Flüchtlingseigenschaft nicht ableiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. April 1984, Zl. 83/01/0257, VwSlg. 11.404/A).

In bezug auf Mazedonien macht der Beschwerdeführer - erstmals in der Beschwerde - geltend, daß er im 9. Lebensjahr von Mazedonien nach Pristina (Serbien) übersiedelt sei, wo er seine Gattin geheiratet habe. Im Zuge der Neueinteilung der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens habe er die mazedonische Staatsbürgerschaft erhalten, seine Gattin hingegen jene "von Kosovo". Intensive Bemühungen seiner Gattin, ebenfalls die mazedonische Staatsbürgerschaft zu erlangen, seien ohne Erfolg geblieben, sodaß davon ausgegangen werden müsse, daß es für den Fall einer Ausweisung aus Österreich zu einer Trennung komme. Dem sei hinzuzufügen, daß auch der Asylantrag seiner Gattin negativ beschieden worden sei, eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof sei beabsichtigt (zwischenzeitlich eingelangt am 5. Juni 1997, protokolliert zu Zl. 97/01/0530). Allein die verschiedenen Geburtsorte und die offensichtliche Schwierigkeit, eine gemeinsame Staatsbürgerschaft zu erlangen, ließen die wohlbegründete Befürchtung aufkommen, im Falle der Rückkehr schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte erleiden zu müssen. Auch wenn es sich bei Mazedonien (und Kosovo) nicht mehr um unmittelbares Kriegsgebiet handle, bestehe innerhalb der Bevölkerung und auch bei den Behörden eine deutliche Ablehnung gegenüber aus anderen Gebieten zugereisten Personen. Was die soziale Unsicherheit in Mazedonien anlage, sei auch auf den derzeitigen Bürgerkrieg in Albanien zu verweisen, welches Land unmittelbar an Mazedonien anschließe. Es bestehe die Befürchtung, daß auch Mazedonien (und Kosovo) in Kampfhandlungen verwickelt würden. Jedenfalls sei die Situation derart labil, daß von einer wohlbegründeten Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 gesprochen werden könne. Schließlich lasse die drohende Trennung von der Gattin, welche derzeit im 8. Monat schwanger sei und im Mai 1997 ein Kind erwarte, eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers befürchten.

Dieses Vorbringen ist schon wegen des sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes unbeachtlich. Dem Beschwerdeführer, der nach der Aktenlage spätestens im Juni 1994 von seiner nunmehrigen mazedonischen Staatsangehörigkeit wußte, wäre es im Verwaltungsverfahren nämlich ohne weiteres möglich gewesen, zu einer allfälligen Bedrohungssituation in Mazedonien Stellung zu nehmen. Es ist ihm daher verwehrt, in dieser Hinsicht in der Beschwerde Tatsachenvorbringen zu erstatten, das in seinen im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Angaben noch nicht enthalten war. Davon abgesehen reicht dieses Tatsachenvorbringen in concreto aber nicht aus, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers zu begründen:

Zentralaspekt des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1998, Zl. 97/01/1060).

Indem der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Gattin darauf verweist, allein die verschiedenen Geburtsorte und die offensichtliche Schwierigkeit, eine gemeinsame Staatsbürgerschaft zu erlangen, ließen die wohlbegründete Befürchtung aufkommen, im Falle der Rückkehr schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte erleiden zu müssen, vermag er tatsächlich keine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" im eben dargestellten Sinn darzutun; es wird nämlich in keiner Weise ausgeführt, warum die genannten Umstände, denen per se keine Verfolgungsqualität zukommt, auf eine relevante Verfolgung schließen lassen sollen. Darüber hinaus bleibt offen, was konkret unter den "schwerwiegenden Verstößen gegen die Menschenrechte" zu verstehen sein soll.

Der geltend gemachten deutlichen Ablehnung gegenüber aus anderen Gebieten zugereisten Personen seitens der Bevölkerung und der Behörden läßt sich aus objektiver Sicht gleichfalls keine maßgebliche Verfolgungsqualität entnehmen. Nichts anderes gilt für die soziale Unsicherheit in Mazedonien und für die behauptete Gefahr eines Übergreifens von Kampfhandlungen auf dessen Staatsgebiet; dem Beschwerdeführer gelingt es nicht im entferntesten, eine über jene Unbillen hinaus, die alle von der sozialen Situation in Mazedonien betroffenen Personen zu erdulden haben, konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr aufzuzeigen.

Wenn der Beschwerdeführer des weiteren auf die drohende Trennung von seiner Gattin verweist und darin eine Verletzung seines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK befürchtet, so verkennt er den Zweck der Asylgewährung. Dem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist dadurch Rechnung getragen, daß bei der - nach Verlust des Aufenthaltsrechtes nach dem Asylgesetz (1968) zu gewärtigenden - Erlassung einer Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 auf das Privat- und Familienleben des Fremden entsprechend Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/01/0635).

Soweit der Beschwerdeführer schließlich rügt, die belangte Behörde habe die amtswegige Ermittlungspflicht verletzt (wobei er zu Unrecht auf § 16 Asylgesetz 1991 verweist), ist ihm zu entgegnen, daß er es unterläßt, die Relevanz des somit behaupteten Verfahrensmangels darzutun. Der allein ins Treffen geführte Umstand katastrophaler Menschrechtsverletzungen in Albanien vermag jedenfalls nicht eine für ihn günstige Entscheidung zu erwirken, zumal die daran anknüpfende Vermutung, diese Situation könnte sich auf Mazedonien "ausdehnen", wiederum keine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (siehe oben) begründet.

Der Beschwerde kann daher insgesamt kein Erfolg beschieden sein; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG i.d.F. BGBl. I Nr. 88/1997 abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997010311.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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